Brief an Thomas Müller im Wortlaut "Ihr seid immer noch die, die weiße Socken in Sandalen tragen"

Thomas Müller hatte das WM-Qualifikationsspiel gegen San Marino für sinnlos befunden. Die Antwort kam in einem offenen Brief. Hier lesen Sie den Wortlaut.
Thomas Müller

Thomas Müller

Foto: Alexander Hassenstein/ Bongarts/Getty Images

Alan Gasperoni vom Nationalen Olympischen Komitee in San Marino hat einen offenen Brief an Thomas Müller geschrieben. Der Nationalspieler hatte über die Partie in der WM-Qualifikation in San Marino gesagt: "Mit professionellem Fußball hatte das nichts zu tun." Die Verletzungsgefahr auf dem schwer bespielbaren Platz sei deshalb "vielleicht nicht nötig" gewesen. Hier lesen Sie Gasperonis Antwort auf diese Aussagen im Wortlaut:

"Liebster Thomas Müller,

du hast recht. Spiele, wie das vom Freitagabend bringen wirklich nichts. Dir. Dir, lieber Thomas, bringt es außerdem nichts, quasi ohne Bezahlung nach San Marino zu kommen an einem Wochenende, an dem du, ohne Bundesliga, mit deiner Frau auf dem Sofa in deiner Luxusvilla hättest bleiben können. Oder vielleicht hättest du an einer Veranstaltung deiner Sponsoren teilnehmen und mehrere Millionen Euro einwerben können. Ich versteh dich, aber ich verspreche dir, zehn gute Gründe zu liefern, warum ich denke, dass das Spiel San Marino - Deutschland sehr nützlich war und vielleicht denkst du noch mal drüber nach und sagst mir, wie du das siehst...

1. Das Spiel war nützlich, weil es gezeigt hat, dass du nicht mal gegen so dürftige Teams wie das unsere ein Tor schießen kannst. Und jetzt sag nicht, dass du nicht total angepisst warst, als Simoncini verhindert hat, dass du zum Torschützen wurdest.

2. Das Spiel war nützlich, weil es deinen Managern (lass es auch Beckenbauer und Rummenigge wissen) gezeigt hat, dass der Fußball nicht ihnen gehört, sondern all denen, die ihn lieben, ob ihr wollt oder nicht - darunter sind auch wir.

3. Es war nützlich, weil es Hunderten Journalisten aus ganz Europa gezeigt hat, dass es noch Jungs gibt, die ihren Träumen folgen und nicht euren Anweisungen.

4. Es war nützlich, weil es gezeigt hat, dass ihr Deutschen euch nie ändern werdet und dass die Geschichte euch nicht gelehrt hat, dass Überheblichkeit nicht immer die Garantie für den Erfolg ist.

5. Es war nützlich, weil es 200 Jungs aus San Marino, die das Spiel verfolgt haben, geholfen hat, zu verstehen, warum ihre Trainer sie immer auffordern, ihr Bestes zu geben. Möglicherweise werden eines Tages all die Opfer, die sie gebracht haben, nicht entlohnt, indem sie gegen den Weltmeister spielen.

6. Es war nützlich, weil es deinem Verband genutzt hat (und auch unserem), um mit den Bildrechten Geld zu verdienen, das, davon abgesehen, dass es dir die Unannehmlichkeit entlohnt, dazu genutzt werden kann, Anlagen zu bauen für die Jugend aus deinem Land, für Fußballschulen und sicherere Stadien…. Unser Verband, da verrate ich dir ein Geheimnis, wird einen neuen Fußballplatz in einem kleinen verlassenen Dorf bauen, das Acquaviva heißt. Du hättest den Platz mit sechs Monatsgehältern bauen können, wir machen das mit den Rechten an 90 Minuten Spiel. Nicht schlecht, oder?

7. Es war nützlich, weil es einem Land, so groß wie ein Bereich deines Stadions in München, geholfen hat, aus gutem Grund in den Nachrichten zu sein, denn ein Fußballspiel ist immer ein guter Grund.

8. Es hat deinem Freund Gnabry genutzt, um für die Nationalelf aufzulaufen und drei Tore zu schießen. Jetzt kann er Werder nach einer Vertragserneuerung fragen und das Doppelte von dem verlangen, was er bis jetzt verdient hat.

9. Es war nützlich, weil es einigen ein wenig Traurigen aus San Marino geholfen hat, sich daran zu erinnern, dass sie eine echte Nationalmannschaft haben. Passiert sicherlich auch euch, die ihr fast perfekt seid, dass sich einer meldet, wenn ihr verliert, und anfängt zu nerven, oder?

10. Es hat mir gezeigt, dass ihr, auch wenn ihr die schönsten Adidas-Trikots tragt, trotzdem noch die seid, die drunter weiße Socken in Sandalen tragen.

In Liebe, dein Alan."

aev
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