Bundesliga-Aufsteiger SC Paderborn Der Kater nach Red Bull

Die Begeisterung über den Erstliga-Aufstieg ist in Paderborn verschwunden. Nach der angekündigten Kooperation mit RB Leipzig steht ein Fanboykott ins Haus. Der Aufsteiger zahlt jetzt schon Lehrgeld.
Foto: Robert Michael/ ZB/ DPA

Im katholischen Erzbistum Paderborn wird in diesen Tagen das Pfingstfest groß gefeiert, erinnernd an das biblische Ereignis, als Feuerzungen auf die Menschen herniedergingen und sie sich plötzlich alle untereinander verstanden, so unterschiedlich sie auch sein mochten.

Gegen ein solches Pfingstwunder hätten sie beim SC Paderborn im Moment sicher nichts einzuwenden.

Ohnehin dürfte der Verein das Feiertagswochenende erleichtert zur Kenntnis genommen haben. Kehrte dadurch doch ein bisschen Ruhe ein. Nach den Tagen zuvor, in denen die schöne Aufstiegseuphorie des SC Paderborn so jäh in sich zusammengekracht war. Die Nachricht, dass der Verein künftig mit RB Leipzig kooperieren wolle, ist schuld daran, dass im Moment keiner mehr so recht von der Sensation Erstligaaufstieg schwärmen möchte.

Fotostrecke

2. Bundesliga: Hier feiert Paderborn seinen Aufstieg

Foto: FILIP SINGER/EPA-EFE/REX


Am Dienstagmittag war die Nachricht in Leipzig verkündet worden. Seitdem geht es in Paderborn drunter und drüber. Die aktive Fanszene meldete sich schon am Mittwoch mit Boykottdrohungen, man werde sich nicht als "Marketinginstrument für ein Brauseprodukt" hergeben, hieß es in der Erklärung von sechs Fangruppen. "Die Vereinsliebe stirbt mit dem Tag einer RB-Leipzig-Kooperation."

In den sozialen Medien wird der SCP bereits als Leipziger Farmteam, also als Ausbildungsverein nach Vorbild des US-Sports, und als SC PadeRBorn verspottet. Dass die Paderborner als sympathischer Außenseiter in die Erstligasaison hineingehen würden, war bis Anfang kommender Woche eigentlich ausgemacht. Jetzt droht ihnen bei Auswärtsfahrten ein eisiger Empfang.

Die eigenen Fans waren von dem Schritt, mit RB zusammenzuarbeiten, kalt erwischt worden, was Präsident Elmar Volkmann zunächst eher kühl kommentierte: "Demokratie im Verein heißt nicht, dass alles im Vorhinein von allen abgefragt wird."

"Mit dieser negativen Dynamik hat keiner gerechnet"

Ohnehin war es mit der Kommunikation beim SCP in der Vorwoche nicht so besonders weit her. Volkmann zeigte sich von "den heftigen Reaktionen überrascht". Und Markus Krösche, der mit seinem Wechsel vom Managerposten in Paderborn auf den Job des Sportvorstands nach Leipzig den ganzen Wirbel erst ausgelöst hatte, sagte dem "Westfalen-Blatt": "Mit dieser negativen Dynamik hat bei uns keiner gerechnet." Was ein bisschen so klingt, als hätte die Paderborner Vereinsführung die vergangenen Jahre im deutschen Fußball in einer Höhle lebend begleitet. Dass RB bei vielen Fans als der Teufel im Fußball gilt, schien in Paderborn noch nicht angekommen zu sein.

Krösche, der für seine unumstrittenen Verdienste in Paderborn nicht nur von RB heftig umworben worden war, gab zuletzt keine besonders glückliche Figur ab. In eben jenem Interview sprach er zunächst vom "Konstrukt RB in Leipzig, Salzburg, New York oder Brasilien", wohl noch nicht an den Leipziger Sprachkatechismus gewohnt. Die Passage wurde anschließend im Interview nachgebessert, und es war nur noch von "Leipziger Spielern" die Rede. Die Redaktion des "Westfalen-Blatts" druckte dazu einen erklärenden Absatz unter das Interview: "In einer früheren Version des Interviews hatte sich Markus Krösche im Hinblick auf mögliche Spielerwechsel anders geäußert. Wie er mitteilte, sei diese Aussage inhaltlich falsch gewesen. Deshalb hat die Redaktion die Formulierung seiner Antwort seinem Wunsch entsprechend angepasst."

Gesprächsangebot an die Fans

Präsident Volkmann hatte den Protest der SCP-Fangruppen zuvor bereits mit dem Hinweis abgetan, es sei ja "nur ein Teil unserer Fangemeinde, ein relativ kleiner Teil". Gleichzeitig hat er den Fans für Ende Juni Gespräche angeboten, um zu erklären, was hinter der Kooperation steckt. Das scheint auch vonnöten, denn tatsächlich herrscht auch fast eine Woche nach Bekanntwerden der Paderborn-Leipzig-Pläne noch Unklarheit, wie eine solche Kooperation überhaupt aussehen kann, aussehen darf.

In Paderborn beeilen sie sich derzeit zu betonen, es handele sich vor allem um Austausch in den Bereichen Scouting, Aus- und Fortbildung. RB-Boss Oliver Mintzlaff hatte am Dienstag bei der Vorstellung Krösches allerdings auch durchblicken lassen: "Vielleicht gibt es auch Spieler, die zunächst nach Paderborn verliehen werden, bevor sie dann für Leipzig spielen." Das klingt schon etwas anders.

"Wir sind keine RB-Filiale"

Näheres weiß man nicht, auch weil beide Vereine sich Schweigepflicht über die Details auferlegt haben. Was den Argwohn der Fans ebenso nährt wie den der Konkurrenz. Der Geschäftsführer des 1. FC Köln, Alexander Wehrle, war im "Kicker" bereits vorgeprescht: "Wir sprechen hier von zwei Klubs aus derselben Liga. Das sollte man schon sehr genau prüfen." In Leipzig sind sie es gewohnt, in ihrem internationalen Red-Bull-Geflecht sind Hin-und-her-Wechsel von Spielern, Trainern und Funktionären nichts Außergewöhnliches. In der Bundesliga ist das anders. Noch.

Die Deutsche Fußball-Liga DFL hält sich mit einer Reaktion, ob eine solche Zusammenarbeit die Satzung der Liga verletze, bisher vornehm zurück. SCP-Präsident Volkmann beteuert derzeit, wo er nur kann: "Wir sind keine RB-Filiale." Trainer Steffen Baumgart sekundiert: "Wir bleiben eigenständig und behalten unsere Identität." Klar ist allerdings, dass der Flurschaden beim Aufsteiger nach dieser Woche schon erheblich ist. Leipzig hat den Sportdirektor, den es haben wollte, Paderborn hat den Ärger.

Anzeigentafel mit einem Dank an die eigenen Fans

Anzeigentafel mit einem Dank an die eigenen Fans

Foto: Sven Simon/ imago images

Es ist keine drei Wochen her, da haben sie auf dem Rathausplatz nach dem Aufstieg noch voller Inbrunst gesungen: "Ganz egal, was auch passiert, Paderborn, du bleibst dir treu." Mittlerweile sind daran leichte Zweifel gestattet.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren