
Stuttgarter Rettung, Paderborner Abstieg Trubel und Tristesse


Zwischen den unterschiedlichsten Gefühlen lagen gerade einmal 50 Meter. Schiedsrichter Deniz Aytekin hatte das letzte Saisonspiel beim Stand von 2:1 für den VfB Stuttgart gerade abgepfiffen, da begann im und vor dem Gästeblock des Paderborner Stadions die Party. Dank des Schlussspurts mit drei Siegen in Folge hatten die Schwaben doch noch die Klasse gehalten - und den SC Paderborn in die zweite Liga geschossen.
Entsprechend euphorisch waren die Stuttgarter hinterher: "Es ist eine Tonnenlast von unseren Schultern gefallen", sagte Torhüter Sven Ulreich, der den Sieg in der Schlussphase mit einer starken Parade gegen Elias Kachunga gesichert hatte.
Rund um den Mittelkreis, dort wo die Gastgeber mit dem Abpfiff in sich zusammengesackt waren, herrschte dagegen die ganz große Tristesse. Zwar bejubelte das Paderborner Publikum seinen SCP auch noch Minuten nach dem verlorenen Abstiegsendspiel. Den Spielern selbst war aber so gar nicht nach Feiern zumute. Mit leeren Blicken saßen sie auf dem Rasen und schauten den Stuttgartern beim Feiern zu.
So endet die Expedition Bundesliga für den "krassesten Außenseiter aller Zeiten" (Trainer Andre Breitenreiter) nach nur einer Saison. In wenigen Monaten heißt es für die Ostwestfalen wieder Heidenheim und Sandhausen statt Bayern und Dortmund.
Das schien für die meisten Beobachter zwar bereits vor der Saison festzustehen. Aber wer hinterher in die Gesichter der Paderborner blickte, der sah Spieler, die bis zuletzt wirklich an sich und den Klassenerhalt geglaubt hatten. Und die im Gegensatz zu ihren Fans so gar keine Lust hatten, stolz auf diese Saison zu sein. "Das Ergebnis ist alles. Wir brauchen nicht philosophieren, wo ab und zu das Glück gefehlt hat", sagte Srdjan Lakic. "Es gibt Momente, in denen ich mit meinen Gefühlen nichts anfangen kann. Es ist einfach nur bitter und traurig", ergänzte Jens Wemmer.
Selbst die schönen Momente der Saison wie die überraschende Tabellenführung zu Beginn oder das 82-Meter-Tor von Moritz Stoppelkamp interessierten ihn jetzt nicht: "Wir wollten die Klasse halten, das haben wir nicht geschafft. Mehr gibt es nicht zu sagen."
Zumindest äußerlich anders präsentierte sich Trainer Breitenreiter. Bereits nach dem Abpfiff hatte er die Spieler wieder aufgerichtet. Bei der Pressekonferenz verneigte er sich fast vor seinem Team. "Was die Spieler über die Saison geleistet haben, ist außergewöhnlich", sagte der 41-Jährige und erteilte der Theorie, dass seine Mannschaft mit anderen Bundesligisten auf Augenhöhe spielen könnten, eine klare Absage: "Geld schießt doch Tore, das ist heute bestätigt. Die Substanz der großen Vereine setzt sich am Ende eben durch. Freiburg und Paderborn, die mit wenig Möglichkeiten versuchen, es zu schaffen, gehen am Ende runter."
Für beide Trainer war es wohl ein Abschied
Dass er selbst noch einmal mit in die zweite Liga geht, scheint trotz des bis 2016 geltenden Vertrages hingegen unwahrscheinlich. Breitenreiter hat mit dieser Saison vor allem Werbung in eigener Sache betrieben und sich für andere Vereine interessant gemacht. Er wollte sich selbst dazu nicht äußern und "die Saison erst mal sacken lassen".
So saßen dort gleich zwei Trainer auf dem Podium des Paderborner Presseraums, die wohl nächste Saison nicht mehr da sind, wo sie jetzt sind. Denn auch Huub Stevens wird den VfB wohl verlassen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass der ehemalige Leipziger Alexander Zorniger die Schwaben übernimmt.
Darauf angesprochen, reagierte Stevens auffallend genervt: "Ist das so? Es ist noch nichts bekannt, oder?" blaffte der 61-Jährige einen Journalisten an, der ihn danach fragte. Und betonte mehrfach, wie viel Spaß ihm die Arbeit in Stuttgart mache. Wie gut das Verhältnis zu den anderen Trainern, dem Vorstand und den Fans sei. Und wie sehr die Mannschaft um Siegtorschütze Daniel Ginczek lebe.
Helfen dürfte ihm das aber nicht mehr. Obwohl er den VfB nun zum zweiten Mal hintereinander gerettet hat und von Spielern sowie Fans gefeiert wurde. "Er wird immer einen Platz in meinem Herzen haben", sagte Präsident Bernd Wahler zwar. Warum er ihm dann keinen neuen Vertrag gebe? "Dazu werden wir zu gegebener Zeit etwas sagen." Aber erst wird gefeiert.
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Was für eine Erleichterung: Dem VfB Stuttgart bleibt der erste Bundesliga-Abstieg seit 1975 in letzter Minute erspart. Das Team rettete sich mit einem 2:1 beim SC Paderborn.
Daniel Ginczek hieß der Matchwinner: Wie in den Vorwochen sicherte wieder ein Tor des Angreifers den Stuttgarter Sieg.
Danach gab es kein Halten mehr: Kapitän Christian Gentner und Teamkollege Serey Die feierten zunächst noch leicht zurückhaltend.
Danach jedoch verwandelten sie das Paderborner Stadion in eine Jubel-Wiese.
Ganz anders die Gemütslage bei Paderborns Trainer André Breitenreiter. Er hatte bis zuletzt an die Chance geglaubt und war entsprechend enttäuscht. Aber auch sein Gegenüber Huub Stevens dürfte sich trotz der Rettung verabschieden. Alexander Zorniger soll den VfB übernehmen.
In Paderborn wird es ohnehin einen Umbruch geben. Leistungsträger stehen vor dem Abschied.
Selbst die Schornsteinfeger, die im Stadion waren, konnten den Ostwestfalen am Ende nicht helfen.
Rafael van der Vaart, Hamburgs ehemals umjubelter Starspieler, inmitten schreiender Spielerfrauen: Während des Bundesligaspiels gegen Schalke 04, einem der wohl wichtigsten der Vereinsgeschichte, war der scheidende Niederländer zum Zuschauen verdammt. Van der Vaart war wegen seiner zehnten Gelben Karte gesperrt. Von der Tribüne aus verfolgte er ein Spiel, das der HSV gewinnen musste.
Bei so viel Spannung muss Nervennahrung her. In diesem Fall ist es die Chipstüte. Fußballernahrung eben.
Sein Trainer, Bruno Labbadia, mit der Miene zum Spiel: Die Lippen aufeinander gepresst bemühte sich der Coach um Haltung in einer Extremsituation. Der erste HSV-Abstieg in der Bundesliga-Geschichte drohte.
Die ominöse Uhr im Hamburger Stadion, die die Bundesligazugehörigkeit anzeigt. Würde sie weiterticken?
Auf den besonders teuren Plätzen in der Arena bibberte die Führungsriege des HSV um Dietmar Beiersdorfer 90 Minuten lang mit.
Am Ende, nach dem 2:0, durfte nicht nur Maskottchen Dino jubeln. Es geht weiter, zumindest ein bisschen, für den HSV geht es in die Relegation.
Und so sehen Spieler aus, die wie von einem Dampfhammer getroffen sind: Abstieg! Der SC Freiburg verlor 1:2 bei Hannover 96, rutschte von Rang 14 auf Rang 17 und muss zum vierten Mal in der Vereinsgeschichte in die zweite Liga runter.
Auf der anderen Seite: Michael Frontzeck, Trainer der 96er, ausgelassen jubelnd inmitten seiner Spieler. Der Nachfolger von Tayfun Korkut hat die Niedersachsen gerettet.
Wesentlich beteiligt: Hiroshi Kiyotake, der mit seinem Treffer zum 1:0 in der dritten Minute früh die Grundlage zum Klassenerhalt legte. Und anschließend beseelt zum Jubellauf startete.
Auf den Rängen herrschte ein ähnliches Bild. Wochen des Bangens und Bibberns entluden sich nach dem Schlusspfiff in schier grenzenloser Erleichterung.
Frontzeck, direkt nach dem Schlusspfiff, wie in einer Sekunden-Ohnmacht. Nun darf der Coach auf eine Weiterbeschäftigung hoffen - in der ersten Liga.
Vorbei ist es damit erst einmal für den Gegner, hier Karim Guedé nach dem Schlusspfiff. Ein Remis hätte schon zur Teilnahme an der Relegation gereicht.
Gesichter des Abstiegskampfs, Teil 298. Stuttgarts Christian Gentner mit entsetzter Miene während der Partie in Paderborn. Nach dem Rückstand drohte dem VfB der direkte Abstieg.
Es kam anders, doch während des Spiels sah man jedem Beteiligten an, wie nervenzehrend auch die Partie in Ostwestfalen war. Huub Stevens und Sportdirektor Robin Dutt erzürnt nach einer Schiedsrichterentscheidung.
Und nach dem Abpfiff jubelt sogar er: Stevens, eigentlich eher als Grantler bekannt, ließ die Freude raus. Schon zum zweiten Mal rettete der Niederländer den VfB vor dem Abstieg.
Die Spieler des VfB machten es wie ihr wohl scheidender Trainer: Alles muss raus, vor allem die Anspannung.
Hannover - Freiburg In Hannover hatten beide Teams eigentlich eine gute Ausgangsposition: Mit einem Remis wären Hannover und Freiburg jedenfalls nicht direkt abgestiegen. Die 96er hätten aber in die Relegation gemusst.
Dass dieses Szenario für die Gastgeber keine Option war, wurde schnell deutlich. Hannover attackierte früh, Hiroshi Kyotake beruhigte die Nerven. Der Japaner traf schon nach drei Minuten sehenswert mit dem Kopf, Albornoz hatte geflankt.
Paderborn - Stuttgart Der Tabellenletzte Paderborn empfing den Tabellen-16. - und bereits nach drei Minuten ging der SCP in Führung. Marc Vucinovic kam 18 Meter vor dem Tor frei zum Schuss und zielte ins untere rechte Eck. Torhüter Ulreich war chancenlos.
Der Torschütze ließ sich feiern. Es war der erste Saisontreffer von Vucinovic (M.) für Paderborn. Stuttgart rutschte durch diesen Treffer auf den 17. Tabellenplatz ab.
Hoffenheim - Hertha Die Hertha musste sich noch leichte Abstiegssorgen machen. Die Gäste waren zwar von Beginn an bemüht, nicht auf die Ergebnisse der Konkurrenten zu vertrauen, mussten aber früh ein Gegentor hinnehmen: Anthony Modeste traf für die TSG.
Der Stürmer, vom 1. FC Köln umworben, setzte sich gleich gegen zwei Hertha-Abwehrspieler durch.
Hamburger SV - FC Schalke Erster Aufreger im Spiel zwischen dem HSV und Schalke: Pierre-Michel Lasogga musste in der 27. Minute verletzungsbedingt vom Platz. Für ihn kam der Lette Artjoms Rudnevs.
Paderborn - Stuttgart Ausgleich für den VfB: Nachdem Paderborns Kapitän Uwe Hünemeier den Ball unglücklich nach vorne abgefälscht hatte, kam Daniel Didavi in der 36. Minute frei zum Schuss und traf. Es war sein drittes Saisontor.
Hamburger SV - FC Schalke Tor für den HSV! Ivica Olic traf nach einem Eckball zum erlösenden 1:0 (48.) Durch dieses Tor sprang der HSV auf den 15. Platz.
Auf der Bank wurde ausgelassen gejubelt. Ganz besonders Trainer Bruno Labbadia wurde emotional.
Hannover - Freiburg Freiburg tat sich schwer, Trainer Christian Streich stand permanent an der Seitenlinie und versuchte einzugreifen. Hannover aber hatte alles unter Kontrolle.
Freiburg wurde dann besser. Admir Mehmedi setzte sich am Strafraum gegen mehrere Gegenspieler durch, dann sprang ihm der Ball im Dribbling aber etwas weit weg. Felix Klaus scheiterte aus kurzer Distanz an Ron-Robert Zieler.
Hamburger SV - FC Schalke Nur wenige Minuten nach der Führung erhöhte der HSV auf 2:0. Slobodan Rajkovic traf nach einem Holtby-Freistoß per Kopf. Immer noch war der HSV auf die Ergebnisse in den anderen Stadien angewiesen.
Hoffenheim - Hertha Hertha blieb bemüht, doch ein Schuss von Peter Pekarik stellte keine Probleme für den TSG-Keeper Oliver Baumann dar. Eine Flanke des Slowaken fand keinen Abnehmer. Valentin Stocker (Foto) sah dagegen sogar noch die Gelbe Karte kurz vor dem Seitenwechsel.
Hannover - Freiburg Nach dem Seitenwechsel drängten die Freiburger auf den Ausgleich. Richtig große Tormöglichkeiten sprangen dabei aber nicht heraus. Mehmedis Kopfball (50.) war genauso harmlos wie ein Freistoß von Jonathan Schmid. Hannover tauchte gar nicht mehr vor SC-Keeper Roman Bürki auf.
Fast im Gegenzug besiegelte dann ein Freiburger den Abstieg selbst. Pavel Krmas, in seinem letzten Spiel für den Sportclub, sorgte per Eigentor für die Vorentscheidung. 0:2!
Hoffenheim - Hertha Mehr Freude als die Partie verbreitete in Hoffenheim eine andere Nachricht: Nationalspieler Kevin Volland entschied sich für eine Zukunft bei der TSG. Im Spiel blieb er aber blass.
Paderborn - Stuttgart In Paderborn umkurvte VfB-Stürmer Daniel Ginczek Schlussmann Lukas Kruse in der 72. Minute und traf zum 2:1.
Nun stand Stuttgart auf Platz 15. Hamburg rutschte durch diesen Treffer auf den Relegationsplatz ab.
Hoffenheim - Hertha Roy Beerens belohnte die Berliner für eine couragierte Leistung. Der Niederländer traf zum 1:1-Ausgleich, damit wäre die Hertha sicher gerettet.
Zum Schluss mussten Trainer Pál Dardai und die Hertha aber noch mal auf die anderen Plätze schielen. Roberto Firmino schoss die TSG erneut in Führung. Am Ende aber stand fest: Der Ungar hatte die Berliner gerettet, auch in der nächsten Saison gibt es in der Hauptstadt Bundesligafußball zu sehen.
Auch Hannover rettete sich, die Spieler freuten sich ausgelassen. Freiburgs Anschlusstreffer durch Nils Petersen kam zu spät. Der SC Freiburg stand nach dem Abpfiff als zweiter Absteiger neben Paderborn fest.
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