Schaaf-Interview "Hier wird nicht rumgebrüllt"

Als Werder-Coach mischt Thomas Schaaf gerade die Bundesliga auf. Der Bremer lässt den schönsten Fußball spielen. Mit SPIEGEL ONLINE sprach er über halbnackte Spieler, Spaziergänge an der Weser und sein Image des drögen Zeitgenossen.

SPIEGEL ONLINE:

Herr Schaaf, ist der öde Norddeutsche, den Sie nach außen präsentieren, nur Fassade?

Thomas Schaaf: Sind etwa doch noch einige von denen übrig geblieben, die mich für dröge halten? Ich dachte, wir hätten das nach fünf Jahren Bundesliga mittlerweile aufgeklärt.

SPIEGEL ONLINE: Als gebürtiger Mannheimer sind Sie nicht mal Norddeutscher. Ist Mannheim mehr Heimat als Bremen?

Schaaf: Nein, Mannheim ist Herkunft, Bremen ist Heimat. Mit Ümit Davala - ebenfalls Mannheimer - oder meiner Mutter wird zwar immer noch heftig Dialekt gesprochen, aber mit den Jahren habe ich Bremen lieben gelernt. Hier bin ich zu Hause.

SPIEGEL ONLINE: Sie sollen ja über einen sehr trockenen Humor verfügen.

Schaaf: Ich gehe sicher nicht zum Lachen in den Keller.

SPIEGEL ONLINE: Eine Kostprobe?

Schaaf: Bei Loriot etwa bin ich alles andere als dröge. Da kann ich herzhaft lachen, denn der Mann versteht es, einfache und banale Dinge sehr gut zu beobachten und darzustellen. Das gefällt mir sehr.

SPIEGEL ONLINE: Gibt es denn Leute, die wissen, dass Sie nicht so sind, wie Sie öffentlich rüberkommen?

Schaaf: Das hoffe ich doch sehr. Ein Image entsteht natürlich auch immer, weil Journalisten häufig voneinander abschreiben. Es wird einfach nur alles wiederholt.

SPIEGEL ONLINE: Fällt Ihnen ein konkretes Beispiel ein?

Schaaf: Die Bundesliga-Vorberichte im Fernsehen beispielsweise. Leute, lasst euch doch mal etwas anderes einfallen - ich bin mittlerweile bestimmt schon 50-mal die Weser hoch und runter spaziert. Da könnte auch mal was Anderes kommen. Ich werde auch so dargestellt, wie die Journalisten mich gerne hätten und sehen möchten. Wer mich aber kennen lernt, bekommt ganz neue Eindrücke von mir. Ich kann mich in meinem Beruf nicht wirklich verstellen oder eine Rolle einnehmen, denn nach kurzer Zeit merken die Leute das.

SPIEGEL ONLINE: Der Trainer Schaaf wirkt sehr bedächtig.

Schaaf: Es geht doch darum, dass ich das, was ich heute in ein Mikrofon sage, morgen nicht schon widerlegen oder bereuen muss. Kritik nach außen zu tragen, sollte man sich vorher gut überlegen. Aber innerhalb meiner Mannschaft muss ich deutlich werden, kritisieren und auch mal flachsen.

SPIEGEL ONLINE: Wie weit darf Kritik gehen?

Schaaf: Im Innenverhältnis muss ein anständiges Maß im Umgang gefunden werden. Hier wird nicht rumgebrüllt. Es wird von mir auch niemand bloßgestellt oder in seiner Persönlichkeit angegriffen. In meiner Arbeit geht es weniger darum, der Mannschaft gegenüber den Kasper zu machen. Da ist es wichtiger, konzentriert und engagiert zu sein. Ich kann von meinen Spielern nicht erwarten, dass sie konzentriert sind, wenn ich auf dem Platz den Hampelmann mache.

SPIEGEL ONLINE: Wären Sie für die Medien außerhalb Bremens als Interviewpartner nicht interessanter, wenn Sie häufiger ein bisschen Show bieten würden?

Schaaf: Da sind wir an einem Punkt, der mich stört. Da ich eben kaum derbe Sprüche raus haue oder Spieler an die Wand nagele, bin ich nicht interessant oder zu trocken. Leider wird in den Medien zu oft an einem auffälligen Merkmal festgemacht, was Typen sind und was nicht. Bei uns hat keiner orange-grüne Haare oder sonst irgendwas Grelles oder Schrilles. Es muss immer noch eine Stufe verrückter sein, um aufzufallen. Dieses ganze Showgehabe in unserem Geschäft liegt mir nicht. Vielleicht bin ich da zu altmodisch.

SPIEGEL ONLINE: Auf die Frage, für welches Produkt Sie als Werbeträger taugen würden, antworteten Sie: "Gar keins". Im Werder-Spot für Ihren Hauptsponsor haben Sie sogar eine Rolle zwischen halbnackten Frauen und Ihren Spielern übernommen. Fiel Ihnen das schwer?

Schaaf: Halbnackt sind die Frauen ja gar nicht. Die wurden wunderbar eingepackt. Meine Spieler sind halbnackt - das ist viel bedenklicher. Nein, es fiel mir nicht schwer. Die Dreharbeiten haben sogar Spaß gemacht. Mir wurde gesagt, ich passe dort mit meiner trockenen Art gut hinein.

SPIEGEL ONLINE: Sie haben mal geäußert, dass Sie selbst kein brillanter Spieler waren. Die Art, wie Sie als Trainer spielen lassen, entspricht weder dem Bild des drögen Schweigers, noch des harten Verteidigers. Werder zeigt attraktiven Angriffsfußball.

Schaaf: Ganz so schlecht war ich als Spieler nun nicht. Ich habe auf vielen Positionen gespielt und war in meiner Jugendzeit auch mal im offensiven Mittelfeld oder Libero. Als Verteidiger bin ich ins Profigeschäft gekommen, habe meinen Platz dort gefunden und bin es auch geblieben. Über die Jahre hinweg entwickelt man eine Philosophie für das, was man selbst schön findet am Fußball. Ich mag schnelle Ballstafetten und technisch gutes Spiel. Ein Hauruck-Stil liegt mir überhaupt nicht. Defensiv muss es stimmen, aber die generelle Ausrichtung ist bei mir immer offensiv.

SPIEGEL ONLINE: Sie haben auch die Spieler dafür.

Schaaf: Ja, es gibt wunderbare Spieler-Typen in unserer Mannschaft. Frank Baumann oder Fabian Ernst wurden selten richtig wahrgenommen. Auf einmal bekommen sie einen großen Stellenwert. Das sind großartige Fußballer. Ailton, Mladen Krstajic oder Angelos Charisteas - sie alle bestechen durch ihre Individualität. Die muss man doch nutzen und darf sie ihnen nicht nehmen.

SPIEGEL ONLINE: Was ist mit Johan Micoud?

Schaaf: Er ist als Spieler überragend und als Mensch völlig unkompliziert. Er suchte eine Möglichkeit, sich einzubringen. Er kam nach Bremen und formulierte seine hochgesteckten Ziele. Es wäre fatal gewesen, wenn er geäußert hätte, nicht absteigen zu wollen. Johan bringt Genialität mit und lässt diese in unser Spiel einfließen. Das Ergebnis ist eine stärkere Bremer Mannschaft. Johan war eine großartige und wunderbare Verpflichtung. Werder Bremen hat damit den Anspruch formuliert, einfach mehr erreichen zu wollen.

SPIEGEL ONLINE: Sie sind seit 1972 bei Werder. Hatten Sie Bedenken als Bremer Eigengewächs vielleicht auf dem Cheftrainer-Posten nicht zurecht zu kommen?

Schaaf: Als mein Bruder damals zu Werder wechselte, bin ich mitgegangen. Danach habe ich alle Jugendstufen durchlaufen und als 17-Jähriger in der Bundesliga gespielt. Ich glaube, ich bin immer noch der jüngste Spieler, der je für Bremen debütiert hat. Ich kenne alles bei Werder, jeder bei Werder kennt mich. Oft wird gesagt, im eigenen Stall wird man selten etwas. Als ich feststellte, dass ich gerne Profi-Trainer werden möchte, dachte ich, dafür müsste ich zu einem anderen Verein gehen. Doch dann kam schnell das Angebot von Werder und ich sagte zu. Die Mannschaft war bei meiner Amtsübernahme fast abgestiegen, was ein Risiko bedeutete. Ich hätte viel verlieren können. Die Aufgabe hat mich aber auch unheimlich gereizt. Zum Glück ist letztlich alles gut gegangen.

SPIEGEL ONLINE: Wenn Sie nicht mehr Trainer in Bremen wären, was wäre eine Aufgabe, die sie reizen würde? Ein Club auf großer Bühne mit vielen Stars oder lieber Paderborn 07 in die Bundesliga führen?

Schaaf: Ich muss das Gefühl haben, etwas bewegen zu können. Wenn ein Angebot kommt, dass mich wirklich interessiert und wo ich gute Perspektiven sehe, nehme ich das auch an. Wichtig wären für mich die Personen, die dahinter stehen. Wer die Macher im Hintergrund wären und wie sie denken. Wie der Verein am Ende heißt, spielt für mich keine Rolle.

Das Interview führte Kay Auster

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