Hoffenheim-Gegner Schachtar Donezk Der gespaltene Klub

Fans von Schachtar Donezk
Foto: imagoWenn die TSG Hoffenheim am Abend gegen den ukrainischen Meister Schachtar Donezk antritt, feiert nicht nur sie eine Premiere. Für Hoffenheim ist es das Debüt in der Champions League, für Schachtar das erste Königsklassenspiel im Stadion von Charkiw (18.55 Uhr; Stream: Dazn; Liveticker SPIEGEL ONLINE).
Seit ein paar Jahren ist bei Schachtar nichts mehr normal. Knapp 300 Kilometer entfernt vom Heimstadion herrscht seit 2014 Krieg, bisher hat er rund 10.000 Menschen das Leben gekostet. Es ist ein Krieg, der nicht nur die Ukraine verändert hat, sondern auch den ukrainischen Fußball.
Die Premjer Liha, die höchste ukrainische Spielklasse, ist mittlerweile von 16 auf 12 Mannschaften geschrumpft, da einige Vereine wie Metalist Charkiw oder der FK Dnipro, 2015 immerhin noch Europa League-Finalist, wegen finanzieller Probleme in der Versenkung verschwanden. Die Zuschauerzahlen sind rückläufig, da nicht nur die sportliche Qualität der Liga nachgelassen hat, sondern auch, weil Mannschaften wie Zorja Luhansk oder Olimpik Donezk wegen des Kriegs im Donbass ihre Heimat und somit auch ihre Anhänger verlassen mussten. Probleme, die das im Mai in der ukrainischen Hauptstadt Kiew ausgetragene Champions-League-Finale nur für einige Stunden überdecken konnte.
Doch der bekannteste Verein, der wegen des Kriegs seine Heimat Donbass verlassen musste, ist Schachtar. Seit 2014 trägt der Klub, der in der vergangenen Saison das Achtelfinale der Champions League erreichte, seine Spiele nicht mehr in Donezk aus. Nach einem kurzen Intermezzo im westukrainischen Lwiw, wo Schachtar seine internationalen Partien in der für die Europameisterschaft 2012 errichteten Arena austrug, hat der Verein nun in dem ostukrainischen Charkiw sowohl für die Liga als auch für die Uefa-Wettbewerbe ein neues Zuhause gefunden.
Mannschaft wird zu den Spielen lediglich eingeflogen
Von einer neuen Heimat kann jedoch nicht die Rede sein. Die Spiele in dem ebenfalls für die EM 2012 umgebauten Stadion werden zwar gut besucht, doch richtig akzeptiert wird Schachtar in Charkiw nicht. Sobald vor dem Anpfiff die Vereinshymne ertönt, sind die Pfiffe der Metalist-Charkiw-Anhänger unüberhörbar.

Stadion von Charkiw
Foto: MIKHAIL KUCHNEV/ AFPVerwaltet wird der Klub, inklusive seiner Nachwuchsmannschaften, von der ukrainischen Hauptstadt Kiew aus. Im luxuriösen Opera Hotel, das dem Oligarchen und Schachtar-Besitzer Rinat Achmetow gehört, leben und arbeiten nicht nur die Manager des Klubs, sondern auch viele Spieler. Nach Charkiw wird die Mannschaft zu den Partien lediglich eingeflogen.
Die Folgen des Kriegs und die damit verbundenen Spannungen und Brüche spiegeln sich auch in der Anhängerschaft des Traditionsklubs wider. Die ersten Anzeichen dafür konnte man bereits während der Majdan-Revolution beobachten.
Als am 27. Februar 2014 Schachtar in der Europa League Viktoria Pilsen aus Tschechien empfing, wurde eine Schweigeminute für 80 Demonstranten abgehalten, die auf dem Majdan in Kiew gestorben waren. Nicht wenige Fans bejubelten jedoch die damals noch existierende Sondereinheit des ukrainischen Innenministeriums Berkut, die in genau diese Vorfälle verstrickt war.
"Mit dem Krieg endete meine Unterstützung"
Wie tief der durch den Krieg entstandene Riss durch den Verein geht, zeigte sich erneut Anfang September nach dem tödlichen Bombenanschlag auf Alexander Sachartschenko, den Chef der selbsternannten "Volksrepublik Donezk". Als sein Nachfolger fungierte interimsweise Dimitrij Trapesnikow. Dieser organisierte zwischen 2001 und 2005 die Fanarbeit bei Schachtar. Danach ging er unter anderem nach Kiew, wo er sich als Geschäftsmann betätigte, und kehrte 2014 nach Donezk zurück, um sich den Separatisten anzuschließen.

Schachtar-Spieler
Foto: GENYA SAVILOV/ AFPUnd zu den ersten Opfern der Separatisten gehörten auch Anhänger von Schachtar Donezk. Wegen ihrer kritischen und proukrainischen Haltung, die vor allem bei den Ultras des Bergarbeiterklubs vorzufinden ist, mussten viele Fans Donezk verlassen. So wie Andrej Uljanow. "In den Achtzigerjahren, als die Sowjetunion noch existierte, kam ich aus dem südrussischen Anapa nach Donezk", sagte dieser dem SPIEGEL. "Es war eine tolle Zeit, auch wegen Schachtar. Ich lernte Freunde kennen, wir fuhren zu Auswärtsspielen. Umgekehrt kamen Fans anderer Vereine nach Donezk. Es entstanden tolle Freundschaften", erinnert sich Uljanow, der heute in Kiew lebt. Dann kam der Krieg. Und mit ihm endete seine aktive Unterstützung für den Verein.