Chaos bei Schalke 04 Eine echte Knäbel-Aufgabe

Peter Knäbel (rechts) trägt nun die sportliche Gesamtverantwortung bei Schalke 04, U19-Cheftrainer Norbert Elgert (links) ist einer seiner Unterstützer
Foto:HORSTMUELLER GmbH/Schröder / imago images/Horstmüller
Eigentlich ist es eine Beförderung: Peter Knäbel, bislang »Direktor Nachwuchs und Entwicklung«, trägt nun »die sportliche Gesamtverantwortung« für einen Fußball-Bundesligisten. Allerdings ist es der FC Schalke 04, der dem 54 Jahre alten Knäbel diese Verantwortung auflädt. Der Verein, der erst ein Saisonspiel gewonnen hat und mit neun Punkten am Tabellenende der Liga festhängt.
Realistisch stellt sich Knäbels Aufgabe so dar: den Klub mit Würde aus der Bundesliga zu verabschieden und ihn so aufzustellen, dass er umgehend nach einer Saison in der zweiten Liga wieder zurückkehrt.
Der neue starke Mann auf Schalke wird schon in Kürze eine ganz wichtige Entscheidung treffen müssen. Es geht um den fünften Cheftrainer der Saison, und so viele Wechsel auf der wohl wichtigsten Position einer Fußballmannschaft nach erst 23 von 34 Spieltagen sagen schon alles über die Saison aus.
Der Sonntag nach dem 1:5 beim VfB Stuttgart wird von dieser Spielzeit in Erinnerung bleiben, denn er war bemerkenswert, selbst für Maßstäbe des modernen Schalke. Der Aufsichtsrat stellte Sportvorstand Jochen Schneider frei, auch Trainer Christian Gross und dessen Assistenten Rainer Widmayer, sowie Teammanager Sascha Riether und der »Leiter Performance Lizenzspieler«, Werner Leuthard, mussten gehen.
Vermutlich kommt die Entscheidung, Schneider die sportliche Gesamtverantwortung zu entreißen, zu spät. Der Rückstand des Tabellenletzten auf den Relegationsplatz beträgt neun Punkte bei einer miserablen Tordifferenz. Aber immerhin ist nun der Weg frei für einen Übergang zu einem echten Neustart – auch wenn dieser wahrscheinlich in der zweiten Liga stattfinden wird.
Doch es gibt so viele Probleme, Hürden, Hindernisse für Knäbel, dass sein neuer Job irgendwo zwischen Beförderung und Bestrafung angesiedelt ist.
Es wird seit Jahren unter den etwa 160.000 Mitgliedern hartnäckig diskutiert, ob der eingetragene Verein als Rechtsform zu einem Wirtschaftsunternehmen wird. Die Satzung des e.V. ist eine Bremse für jene, die darauf hoffen, dass der Klub mit Elan und frischem, kompetentem Personal die Zukunft planen kann.
Erst Revolte, dann Trainerrauswurf
Erst am 13. Juni werden bei der Mitgliederversammlung fünf Positionen im elfköpfigen Aufsichtsrat neu besetzt. Dass der Aufsichtsrat in der jetzigen Zusammensetzung vor Juni Entscheidungen von großer Tragweite treffen wird, ist kaum anzunehmen. Schon bei der Freistellung Schneiders zauderte und zögerte er. Die beiden heftigen Niederlagen gegen den VfB und Dortmund (0:4) zuletzt machten es dem Kontrollgremium nun leichter.
Die Lage hatte sich außerdem zugespitzt, nachdem bekannt geworden war, dass einige Spieler bei Jochen Schneider schon vor dem Spiel beim VfB um eine Ablösung des Trainers gebeten haben sollen. Das war als Revolte bezeichnet (und vom Verein als solche dementiert) worden, konnte aber auch als Hilferuf verstanden werden, noch mal alles zu unternehmen, um doch den Ligaverbleib zu schaffen.

Er ist schon wieder Vergangenheit auf Schalke: Christian Gross musste als Trainer gehen
Foto: Alex Grimm / Getty ImagesAm kommenden Freitag steht das Abstiegsduell gegen den FSV Mainz an, der aktuell auf dem 17. Tabellenplatz steht. Es ist eigentlich ein Endspiel – verliert Schalke erneut, dann ist wohl auch nicht mit mehr mit einem Effekt durch den jüngsten Personalwechsel zu rechnen.
Bis zum Mainz-Spiel muss Knäbel, der von Mike Büskens und U19-Trainer Norbert Elgert unterstützt wird, einen neuen Trainer benennen. Schalke müsse »bei jeder noch zu treffenden Personalentscheidung auch über die Saison hinausdenken«, wurde der Aufsichtsratsvorsitzende Jens Buchta in einer Klub-Mitteilung über den personellen Kahlschlag zitiert.
Die Suche nach einer Trainer-Dauerlösung
Das kann als Auftrag an Knäbel gelesen werden, jemanden zu finden, der für den Rest dieser Saison, aber auch bei einem Neuanfang in der zweiten Liga den königsblauen Trainingsanzug trägt.
Knäbel ist ein erfahrener Sportdirektor. Er arbeitete nach seiner aktiven Karriere, die er 2003 beendete, unter anderem für den Schweizerischen Verband, den FC Basel und den Hamburger SV. Seine Arbeit in der Schweiz wird von Experten bis heute gelobt. Beim HSV hat er 2014 bereits einen anderen Bundesligisten im Chaos vorgefunden. Er selbst trug zu diesem Chaos während seiner Zeit in Hamburg unfreiwillig bei, als ein Rucksack mit vertraulichen Unterlagen wie HSV-Gehaltslisten und Scouting-Reports gestohlen und später in einem Hamburger Park gefunden worden war.
Knäbel konnte den Negativtrend der Hamburger damals jedenfalls nicht stoppen und wurde 2016 vorzeitig von seinen Aufgaben entbunden. Ein gutes Netzwerk soll er bis heute haben.
In den kommenden Tagen dürfte Knäbel seine Pläne für den FC Schalke 04 vorstellen. Es warten gewaltige Aufgaben, vor allem aus wirtschaftlicher Sicht, der Personaletat müsste für die zweite Liga wohl auf etwa 30 Millionen Euro und damit um mehr als 50 Prozent gekürzt werden. Hohe Ablösen im zweistelligen Millionenbereich sind beim aktuellen Kader kaum zu erwarten. Der finanzielle Spielraum für die sportliche Neugestaltung des Klubs ist klein.
Zunächst ist Knäbel laut Klub-Mitteilung für die Zeit »bis auf Weiteres« gefordert. So vage ist Knäbels Zeit als sportlich Gesamtverantwortlicher zunächst begrenzt.