Kaltgestellte Schalke-Spieler Teambuilding für Anfänger

Schalke-Manager Heldt: "Zweifel an der Loyalität"
Foto: Bongarts/Getty ImagesEine tiefe Falte lag auf der Stirn von Horst Heldt, als er am Montagnachmittag vor die Mikrofone trat, sein Gesicht war bleich und seine Worte offen.
Kurz zuvor hatte der Klub ein Bulletin verschickt, in dem in knappen Worten die Konsequenzen bekannt gemacht wurden, die Heldt nach dem 0:2 in Köln angekündigt hatte. "Kevin-Prince Boateng und Sidney Sam sind mit sofortiger Wirkung freigestellt. Marco Höger wird bis einschließlich Samstag vom Trainings- und Spielbetrieb suspendiert." In einer kleinen Presserunde am Trainingsgelände erläuterte Heldt dann ein paar Hintergründe der drastischen Maßnahmen.
"Das Vertrauensverhältnis bei Kevin-Prince Boateng und Sam war nicht mehr gegeben, bei Höger hegen wir Zweifel über die Loyalität gegenüber dem Verein", sagte der Manager von Schalke 04. Boateng und Sam werden wohl nie wieder mit den Schalker Profis spielen oder trainieren, Höger bekommt bis zum kommenden Sonntag Zeit, "nachzudenken", anschließend werde man "ein Gespräch führen und dann gemeinsam erörtern, ob es noch Sinn macht, über die Saison hinaus zusammenzuarbeiten", sagte Heldt.
Es ist eine krachende Eskalation, der hoch verschuldete Klub will unbedingt den Absturz aus den Europapokalplätzen vermeiden. In ihren Grundzügen haben die Ereignisse aber gewisse Ähnlichkeiten mit dem Drama vom Herbst 2012 , als der damalige Coach Huub Stevens entlassen wurde. Damals waren die Schalker brillant in die Saison gestartet, doch irgendwie überwarf sich eine Gruppe von Spielern mit dem knurrigen Holländer, es folgte eine schlimme Misserfolgsphase und schließlich der Rauswurf des Schalker Jahrhunderttrainers.
"Es ist immer so, dass die anderen schuld sind"
Wie damals kursiert auch diesen Tagen auf dem Klubgelände die Theorie, dass einige Spieler ein Problem mit dem Trainer haben, und Heldt widersprach auch nicht, als er mit diesem Gerücht konfrontiert wurde: "Tja, es ist immer so, dass andere schuld sind", sagte der Manager, dessen große Schwäche der vergangenen Jahre immer klarer erkennbar wird. Es ist ihm nicht gelungen, ein Team mit ausreichend Gemeinsinn, mit Sozialkompetenz zu formen. Die Fähigkeit, zu einer echten Mannschaft zu verschmelzen, ist erschreckend unterentwickelt auf Schalke.

Heldt hat immer wieder gute Spieler verpflichtet, die charakterliche Eignung spielte bei seinen Personalentscheidungen aber offenbar eine untergeordnete Rolle. Der Fall von Sidney Sam zeigt das besonders deutlich. "Er hat keine positive Aura. Er beschäftigt sich nur mit sich selbst, sprüht nicht vor positiver Energie. Das können wir in den letzten 14 Tagen nicht gebrauchen", sagte Heldt am Montag. Diese Information hätte man mit kleinem Rechercheaufwand auch vor dem Transfer bekommen können. Dass Boateng ein eher komplizierter Typ ist, weiß ohnehin jeder in der Branche, auch Jens Keller bekam die schwierige Mentalität dieses Teams seinerzeit zu spüren.
Jetzt droht sogar noch der BVB zu überholen
Der im Oktober entlassene Trainer kam mit seiner Laissez-Faire-Pädagogik noch am besten mit dem Team klar, doch irgendwann wollte die Mannschaft den netten Schwaben nicht mehr. Di Matteo ist jetzt seit fünf Monaten auf Schalke, und Kapitän Benedikt Höwedes' Zwischenfazit am Sonntag lautete: "Leidenschaft gleich null, taktische Disziplin gleich null. So langsam mache ich mich auch unglaubwürdig, weil ich euch mit Erklärungen gegenüberstehe und sie mir auch langsam ausgehen." Das hört sich nach Ratlosigkeit an.
Und nun droht neben dem Verpassen des Europapokals noch ein weiteres Schreckensszenario: Wenn der FC Schalke so weiter spielt, wird der BVB in der Tabelle doch noch am königsblauen Erzrivalen vorbeiziehen.
Wobei die Gelsenkirchener sich selbst dann als Verlierer im ewigen Duell mit dem BVB fühlen könnten, wenn sie ihren sechsten Platz verteidigen. Denn Thomas Tuchel wird in der kommenden Saison in Dortmund arbeiten, Horst Heldt und dem Aufsichtsratschef Clemens Tönnies fehlte der Mut, als es möglich war, den seinerzeit begehrtesten Trainer auf dem Markt zu verpflichten. Jetzt sitzen sie mit Di Matteo da, der keine Antworten weiß. "Wenn ich das den Spielern nicht vermitteln kann, muss ich das auf meine Kappe nehmen", sagte er noch am Sonntagabend auf die Frage nach den Ursachen für die unmotivierte Leistung seines Teams.
Nun haben sie die Schuldigen vorerst anderswo gefunden. Und das hat sicher auch damit zu tun, dass ein erneuter Trainerwechsel endgültig die zentrale Frage der chronischen Schalker Krisenanfälligkeit aufwerfen würde: Was läuft eigentlich wirklich schief im Personalmanagement, wo Horst Heldt das teure Spielerpuzzle mit keinen Trainer zu einem Bild zusammengesetzt bekommt, das nicht nach wenigen Monaten wieder auseinanderbricht?