Schalkes Schicksalsspiele Probleme auf allen Ebenen
Clemens Tönnies schweigt dieser Tage, und das ist wohl auch gut so, jedenfalls aus Sicht des FC Schalke 04. Denn ein feinsinniger Krisendiplomat ist der Aufsichtsratschef, dessen Ideen, Aussagen und Alleingänge schon oft für Unruhe und Verwirrung sorgten, noch nie gewesen.
In den Tagen nach dem Pokaldesaster gegen 1899 Hoffenheim, dem die wegweisenden Spiele beim Tabellenvierten Mönchengladbach am Samstag (15.30 Uhr) und gegen den FC Basel am Mittwoch (20.45 Uhr, beide im Liveticker bei SPIEGEL ONLINE) folgen, ist aber Deeskalation ein Hauptmotiv der Gelsenkirchener Anstrengungen. Wobei es natürlich hochinteressant wäre zu erfahren, was Tönnies so denkt.
Denn in schwierigen Momenten war es in den vergangenen Jahren immer der mächtige Metzger aus Rheda-Wiedenbrück, der die wichtigen Weichenstellungen maßgeblich beeinflusste. Und derzeit steht auf Schalke eine Entscheidung in der Trainerfrage an.
Einige Beobachter glauben, Jens Keller würde bereits nach einer Niederlage in Mönchengladbach entlassen werden. Andere meinen, ein Ausscheiden in der Champions-League gegen Basel könnte zur Trennung führen. "Ich muss realistisch sein, ich kenne das Geschäft", sagt Keller selbst.
Es ist ein Satz, der schon von vielen Trainern zu hören war, die ein paar Tage später arbeitslos wurden.
Positive Bilanz zur Winterpause so gut wie ausgeschlossen
Und weil der unglückliche Keller vor gut einem Jahr auf Betreiben von Manager Horst Heldt - und wohl gegen Tönnies' Vorbehalte - vom B-Jugend- zum Profitrainer befördert wurde, liegt es auf der Hand, dass diesmal der Aufsichtsratschef das letzte Wort für sich einfordert.
Vorsorglich baut auch Heldt schon einmal eine größere Distanz zu Keller auf. "Es ist normal, dass wir beide wissen, wie die Situation ist", sagt der Manager und ergänzt: "Wir werden alles daran setzen, um erfolgreich zu sein, und dann werden wir sehen, wie die Situation nach dem Nürnberg-Spiel ist." Das ist die letzte Partie des Jahres.

Heldts Worte klingen, als wolle er Keller eher nicht vor der Winterpause entlassen. Dass dann jedoch eine positive Bilanz gezogen werden kann, ist schon jetzt so gut wie ausgeschlossen. Die Chancen des glücklosen Trainers, das Team auch in der Rückrunde zu betreuen, sind demnach sehr gering. Wobei der klassische Grund für eine Entlassung, nämlich ein irreparables Zerwürfnis zwischen Trainer und Mannschaft, in diesem Fall nicht vorliegt. Ein Trainerwechsel würde vielleicht kurz aufrütteln, wäre aber eher keine Befreiung, wie die Trennung von Huub Stevens vor einem Jahr.
Zumal es schwierig ist, überzeugende Alternativen zu finden. Heldt mahnt wohl auch deshalb zur Geduld, weil ihn eine Entlassung in den kommenden Tagen auf dem schwierigen Trainermarkt unter Druck setzen würde. Und Druck hat der Manager auch so schon genug. Denn Heldt ist natürlich mitverantwortlich für die Situation, in der der Club steckt. Heldt hat nicht nur Keller ins Amt gehievt, er hat rund 25 Millionen Euro in neue Spieler investiert, von denen sich keiner zu einem konstanten Leistungsträger entwickelt hat.
Heldts Arbeit bietet ähnlich viele Angriffspunkte
Kevin-Prince Boateng (zehn Millionen) ist nur ab und zu wirklich fit, Stürmer Adam Szalai (acht Millionen) wirkt blass und harmlos, derweil Leon Goretzka (vier Millionen), Christian Clemens (drei Milionen) und Felipe Santana (eine Million) kaum wirklich überzeugende Spiele für Schalke hinbekommen haben. "Natürlich erfüllen alle Zugänge noch nicht die Kriterien, die wir uns erhofft haben", sagt Heldt, "aber wir können das nicht alleine an ihnen festmachen. Jeder kann sich verbessern". Tatsächlich ist der Kader launisch und wankelmütig, "die Mannschaft hat Charakter, aber der Charakter muss halt auch konstanter werden", sagt Trainer Keller in der für ihn so typischen rhetorischen Unbeholfenheit.
Und auch das ewige Projekt mit dem Titel "Personalkosten senken", kommt nicht voran. Gerade erst haben der "Kicker" und die "Bild"-Zeitung vermeldet, dass Sidney Sam im Sommer von Bayer Leverkusen ins Revier wechselt. Der Nationalspieler wird sich wohl kaum wegen der großen sportlichen Perspektive oder dem ruhigen Arbeitsklima zu diesem Schritt entschieden haben. Und dass der Düsseldorfer Fabian Giefer, der angeblich ebenfalls mit den Schalkern einig ist, das Torhüterproblem der Gelsenkirchener löst, darf getrost bezweifelt werden.
Heldts Wirken bietet daher ähnlich viele Angriffspunkte wie die Arbeit Kellers und die krassen Leistungsschwankungen vieler Spieler. Weder Trainer, noch Manager, noch Mannschaft haben zuletzt überzeugend gearbeitet. Und über allem steht Aufsichtsratschef Clemens Tönnies, dessen Eingriffe der vergangenen Jahre auch nur selten glücklich waren. Viele Beobachter glauben, der solvente Fleischfabrikant sei der Hauptgrund dafür, dass der Club in seiner Entwicklung stagniert.
Die Problematik durchsetzt alle Ebenen des FC Schalke, und so lässt sich auch erklären, dass bislang weder die Fans noch das mediale Umfeld Kellers Entlassung gefordert haben. Das Trainertausch-Ritual ist auf Schalke so oft ins Leere gelaufen, dass es von kaum noch jemandem als bahnbrechende Lösung betrachtet wird.