
Gescheiterte Super-League-Pläne Alle gewinnen, der Fußball verliert


Fifa-Boss Gianni Infantino, Fußballretter
Foto: FABRICE COFFRINI/ AFPDieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Dafür wurde also der Ausdruck »krachend gescheitert« erfunden. Die Super-League-Pläne der zwölf Topklubs aus England, Spanien und Italien haben gerade zwei Tage überlebt, dann fiel das ganze Projekt nach der Protestwelle aus Politik und Fußball in sich zusammen. Mit dem Rückzug der sechs englischen Teams ist das Projekt erst einmal so gut wie tot. Die Abtrünnigen haben Läuterung versprochen, großer Jubel allerorten, die Chelsea-Fans tanzen auf der Straße. War es das nun?
Keineswegs.
Man kann sich dem vermeintlichen Aus der Super League auf mehreren Ebenen nähern. Zum einen kann man es so deuten: Diese zwei Tage haben klargemacht, wie wenig Fingerspitzengefühl, man kann auch sagen: wie wenig Ahnung, die zwölf Klubbesitzer von den Stimmungslagen in den europäischen Vereinen haben, auch von dem, was Fußballkultur genannt wird.
Bei den Investoren aus Nordamerika und den Scheichtümern muss einen das nicht wundern, aber den Bossen von Real Madrid und dem FC Barcelona hätte man in dieser Hinsicht mehr zutrauen können. Offenbar war die Aussicht, mit der Super League die eigenen Schuldenberge zu minimieren, dermaßen verlockend, dass man sich ohne Deckung aufs freie Feld getraut hat.
Man darf annehmen, es ist den Investoren ziemlich egal, was die Fans darüber denken, deren Widerstand ist einkalkuliert. Was sie aber offensichtlich vollständig fehleingeschätzt oder zumindest unterschätzt haben, ist, wie sehr das über ein Jahrhundert entstandene Fußballmilieu auch in der europäischen Gesellschaft verankert ist, in den Medien, vor allem auch in der Politik. Dieser Imageschaden ihres Produkts, um in ihrer Denke zu bleiben, der kann ihnen nicht egal sein.
Dilettantismus und Unprofessionalität
Auf den ersten Blick ist das, was wir seit Sonntagabend erlebt haben, ein offenkundiges PR-Desaster, ein Resultat von Dilettantismus und Unprofessionalität, ein Putsch, der so schlecht vorbereitet war, dass er den Namen nicht verdient. Auf den zweiten Blick jedoch erkennt man plötzlich ganz viele Gewinner.
Fifa und Uefa stehen nun als die Retter des alten Fußballs im Sonnenlicht. Für Gianni Infantino, den Fifa-Boss, und seinen Uefa-Kollegen Alexander Ceferin hätten die vergangenen zwei Tage nicht besser laufen können. Mit seinen starken Worten und seinen hemdsärmeligen Drohungen hat sich Ceferin die strahlende Ritterrüstung der Jeanne d'Arc des Fußballs angezogen und zieht en passant seine aufgepumpte neue Champions League durch. Infantino konnte auf dem Uefa-Kongress von Werten und Respekt reden, normalerweise müssten ihn alle dafür auslachen. Aber nein, alle haben verständnisvoll mit dem Kopf genickt, ja, die Verbände, die tun was für unseren guten alten Fußball.
Selbst der katarische PSG-Boss Al-Khelaifi konnte sich hinstellen und behaupten, für ihn und PSG gelte der starke Glaube, Fußball sei für alle da. Er sagte das, ohne rot zu werden. Katar als die Guten im Fußball, das muss man auch erst mal schaffen.
Deutsche Klubs schauen vom Zaun zu
Die beiden deutschen Premiumklubs Bayern München und Borussia Dortmund haben sich die Angelegenheit zunächst einmal vom Zaun aus angeschaut. Am ersten Tag der großen Aufregung haben sie noch eine Erklärung abgegeben, die Optionen in mehrere Richtungen offenließ, und dann, als klar wurde, wie die Großwetterlage sich entwickelt, sich deutlich positioniert. Beide gelten jetzt auch international als die Widerständigen, was die Super-Kommerzialisierung angeht. Das haben sie clever angefangen. Solche Anfängerfehler wie den Big 12 passieren ihnen nicht, sie kennen ihre Pappenheimer zu gut.
Die Fans können derweil in dem guten Gefühl baden, dass sie doch noch ein mächtiger Faktor im großen Spiel sind und ihre Proteste mit dazu beigetragen haben, die Pläne zu kippen.
Und selbst die zwölf Topklubs, die in den Vortagen mit Schimpf und Schande bedacht wurden, müssen sich nicht als Verlierer von alledem fühlen. Sie gelten jetzt als lernfähig, es ist doch noch nicht Hopfen und Malz bei ihnen verloren, sie haben verstanden. Während sie sich in Wirklichkeit vermutlich zurücklehnen, die Ereignisse der vergangenen zwei Tage in aller Ruhe analysieren und beim nächsten Mal planvoller vorgehen, viel besser präpariert, an den entscheidenden Schaltstellen schon im Vorfeld tätig werdend.
Der allgemeine Aufruhr würde beim nächsten Versuch ohnehin niedriger ausfallen, die Empörung geringer sein. Man kann sich schließlich nicht jedes Mal von Neuem emotional wieder so hochfahren. Und bis es so weit ist, nehmen sie den Profit aus der neuen Champions League mit. Alles gut.
Wenn es überhaupt einen Verlierer gibt, dann heißt der: der Fußball. Aber mit der Rolle hat er sich ja schon seit vielen Jahren abgefunden.