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Schiedsrichter-Eklat im Leverkusen-Spiel "Eine Art Kräftemessen"

Über diese Szene wird Fußball-Deutschland noch lange sprechen: Leverkusen-Trainer Schmidt ignoriert einen Verweis, darauf verlässt der Schiedsrichter den Platz. Die Sache könnte ein Fall fürs Sportgericht werden.

Hellmut Krug hatte keine Zeit. Binnen Sekunden packte der ehemalige Bundesliga-Schiedsrichter seine Sachen auf der Pressetribüne des Leverkusener Stadions und ging eilig Richtung Ausgang. Dabei war er der Mann, von dem man sich nun Antworten erhoffte.

Wer sollte besser erklären können, wie es weitergeht, als der aktuelle "Berater der Deutschen Fußball Liga in Fragen des Schiedsrichterwesens"? Gerade jetzt, wo Felix Zwayer, Unparteiischer des Topspiels zwischen Bayer Leverkusen und Borussia Dortmund (0:1), nach 68 Minuten in die Kabine gegangen war, weil sich Bayer-Trainer Roger Schmidt weigerte, sich auf die Tribüne zu setzen. Doch Krug verschwand.

Dass das sportlich mäßige Treffen des Ligavierten mit dem -zweiten damit einen alles überschattenden Aufreger erhalten hatte, dürfte Krug bereits auf dem Weg nach unten bewusst gewesen sein.

Und kaum war das Spiel vorbei, gab es in der Tat kein anderes Thema mehr. Spieler, Trainer und Offizielle sprachen über die neun Minuten, in denen der Ball ruhte. Besonders Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler, der am TV-Mikrofon wüst in Richtung des Schiedsrichters polterte. In den Katakomben versuchte er sich später in Sarkasmus: "Ob der Herr Zwayer jetzt gesperrt wird, weiß ich nicht. Ich kann es mir aber nicht vorstellen."

Schmidt redete in einer Tour auf den vierten Offiziellen ein

Die Frage hatte natürlich darauf gezielt, ob sein Trainer nun mit einer Zwangspause rechnen muss. War er doch für die Unterbrechung verantwortlich, weil er seinen Platz an der Seitenlinie nicht ohne persönliches Gespräch mit Zwayer verlassen wollte.

"Der Schiedsrichter hat mir aus 45 Metern Entfernung signalisiert, dass ich auf die Tribüne soll. Ich habe eingefordert, dass ich zumindest mal eine Begründung dafür kriege", sagte Schmidt hinterher. Dabei wusste er genau, was er falsch gemacht hatte: "Ja, klar gab es einen Anlass. Ich habe mich schon in der ersten Hälfte einige Male beschwert", gab der 48-Jährige später zu, der während der Partie in einer Tour auf den vierten Offiziellen Christoph Bornhorst eingeredet hatte.

Im Video: Roger Schmidt zur Spielunterbrechung

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Seinen finalen Ausraster hatte Schmidt, als die Dortmunder einen Freistoß knapp sechs Meter vom Ort des Foulspiels ausgeführt hatten. Aus dem schnellen Gegenzug entstand das Tor des Tages durch Pierre-Emerick Aubameyang. Zwayer, der seine Entscheidung, das Spiel laufen zu lassen, hinterher verteidigte, schickte Schmidt daraufhin auf die Tribüne, doch der blieb einfach stehen.

Unterbrechung regelkonform

Also ließ er Bayer-Kapitän Stefan Kießling die Nachricht überbringen. Schmidt wartete aber weiter auf Zwayer. Bis es dem zu bunt wurde und er selbst in die Kabine ging. Wenige Meter an Schmidt vorbei. Ohne ihn auch nur anzugucken.

Es war eine bizarre Situation, die es so in 52 Jahren Bundesliga-Fußball noch nicht gegeben hatte. Sie könnte in den kommenden Wochen vor dem Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes zum Fall werden.

Zwayer sagte über seinen Entschluss, Schmidt sei "relativ aufgebracht aufgrund des Gegentores und meiner Entscheidung" gewesen. Er habe es "für angebracht gehalten, die Distanz in der Situation zu wahren". Außerdem lehne er es grundsätzlich ab, "dass ein Trainer durch das Widersetzen einer klaren Anweisung einfordert, eine persönliche Erklärung an der Seitenlinie zu erhalten". Durchaus regelkonform.

Bayers Mittelfeldspieler Christoph Kramer traf den Nagel wohl auf den Kopf, als er die Szene "eine Art Kräftemessen" nannte.

Das ging auch nach dem Spiel weiter. Auf die Frage, ob es um der Ruhe willen nicht sinnvoller gewesen wäre, den kurzen Weg zu Schmidt auf sich zu nehmen, sagte er süffisant: "Ich wäre konditionell sicherlich noch in der Lage gewesen. Es ist aber tatsächlich so, dass ein deutlicher Kontakt bestand."

Schmidt wiederum gab sich zu Beginn seines Statements geläutert. "Da bin ich zu stur gewesen", sagte er, um dann aber an derselben Theorie zu basteln, die Rudi Völler bereits verbreitet hatte.

"Dass dieser Handelfmeter nicht bestraft wird, ist natürlich der Wahnsinn", sagte er über ein klares Handspiel von BVB-Verteidiger Sokratis im Strafraum nach der Spielunterbrechung. "Er hat sich revanchiert. Deshalb hat er den Elfmeter nicht gepfiffen", war sich schon Völler sicher.

Schmidt sagte danach zwar mehrmals, dass er das nicht hoffe, "aber mir fällt keine andere Erklärung ein, so einen Elfmeter nicht zu pfeifen". Er fühlte sich bei der Szene gar an Handballnationaltorwart Andreas Wolff erinnert. "Und wenn der Linienrichter bei freier Sicht diesen Elfmeter nicht pfeift, dann vielleicht auch, weil ich ein bisschen zu emotional war und das Schiedsrichtergespann sich vielleicht angegriffen gefühlt hat."

Auch diese Aussage könnte für Roger Schmidt noch ein Nachspiel haben.

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