Schwächelnde Bayern Ein Königreich für eine Idee

Bayern-Trainer Heynckes: Stures Festhalten am System
Foto: Patrick Seeger/ dpa"Böse" sollen sie jetzt werden, die Spieler des FC Bayern München. Böse und aggressiv. Dazu hat Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge die Bayern-Profis nach der 0:1-Pleite im Champions-League-Achtelfinale beim FC Basel aufgefordert, um aus dem Formtief wieder herauszukommen. Spieler und Trainer des Rekordmeisters sollten aber besser aufpassen, dass die eigenen Fans nicht zu böse und aggressiv werden. Eine Niederlage gegen den FC Schalke am kommenden Sonntag (15.30 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE) in der Liga - und die Krise des FC Bayern hätte neue Ausmaße erreicht.
Rummenigge scheint zu glauben, dass fehlendes Engagement der Grund für das derzeitige Schwächeln ist. Strengen sich die Spieler wieder mehr an, so die Theorie Rummenigges, dann gibt es auch wieder die gewünschten Resultate.
Dabei greift diese Argumentation zu kurz - genauso wie die schon im Vorfeld von Trainer Jupp Heynckes erbrachte Erklärung, ohne den verletzten Bastian Schweinsteiger einfach nicht so gut zu sein. Sicher, der Ausfall des Mittelfeldspielers fällt ins Gewicht, aber das Rückrunden-Dilemma des Teams begann im Januar mit dem 1:3 in Mönchengladbach - und da war Schweinsteiger genauso dabei wie beim enttäuschenden 1:1 in Hamburg. Beim 2:0 im DFB-Pokal in Stuttgart, als das Team überzeugte, fielen die Tore erst nach der verletzungsbedingten Auswechslung des Nationalspielers.
Alaba von Heynckes erst gelobt, dann düpiert
Schweinsteiger-Ersatz David Alaba hat die Klasse, den Nationalspieler zwar nicht gleichwertig, aber zumindest würdig zu ersetzen. Das hatte auch Heynckes nach dem Stuttgart-Spiel betont. Anschließend hat er den 19-jährigen Österreicher mit seinem Klagen über die Schweinsteiger-Verletzung allerdings nicht gerade aufgebaut.
Alaba spielte beim 0:0 in Freiburg als defensiver Mittelfeldspieler eine schwache erste Hälfte. Schon zur Pause stellte Heynckes um und beorderte ihn auf die linke Abwehrseite, Philipp Lahm ging auf rechts. Einem gestandenen Spieler wie Kapitän Lahm macht diese Umstellung nichts aus, aber junge Spieler wie Alaba benötigen das Vertrauen des Trainers, um selbstbewusst ihre Aufgaben zu erledigen.
Die uninspirierte Spielweise der vergangenen Wochen liegt auch daran, dass sich die Profis zu selten trauen, ein Risiko einzugehen. Einige der jungen Spieler haben sich nach Informationen von SPIEGEL ONLINE bereits im Mannschaftskreis darüber beklagt, dass der Trainer ihnen nicht genügend Sicherheit gebe. Dann wird eben lieber ein Quer- und Rückpass bevorzugt, anstatt zu dribbeln und gewagte Pässe zu spielen. Das Offensivspiel lahmt, weil Heynckes an seinem 4-2-3-1-System festhält, für das die meisten Gegner mittlerweile längst ein geeignetes Gegenmittel gefunden haben.
Wenig souverän in Sachen Robben
Auch in Sachen Arjen Robben hat Heynckes zuletzt wenig souverän reagiert. Zunächst wurde der Niederländer zum Reservisten degradiert, in Basel durfte Robben wieder von Beginn an mitmachen. Mit dem Ergebnis, dass Robben übermotiviert wirkte, noch eigensinniger spielte, als ihm dies ohnehin schon oft zum Vorwurf gemacht wird. Das Vertrauen in die eigene Stärke und das Wissen, auch mal einen Ball verlieren zu dürfen, scheinen sich verflüchtigt zu haben. Mit Gewalt versuchte es Robben am Mittwoch - ohne Erfolg. Dazu kommt, dass er sich auf dem Rasen immer wieder über seine Mitspieler beschwert.
Robbens Hintermann auf der rechten Seite, Rafinha, scheint von der Verunsicherung des Niederländers angesteckt. Der Brasilianer soll als Rechtsverteidiger mit Robben zusammenspielen, wirkt aber so, als wisse er immer noch nicht so recht, was seine Aufgabe ist. In Basel machte Rafinha einen teilweise orientierungslosen Eindruck.
Stures Festhalten am Spielsystem
Nicht fehlendes Engagement der Spieler ist das größte Problem des FC Bayern 2012, sondern fehlender Ideenreichtum. Wer die Spieler im Trainingslager in Katar im Januar beobachtete, kam zu der Erkenntnis: Die haben Großes vor. Und bis heute kann man ihnen nicht den Vorwurf machen, zu wenig zu kämpfen.
Heynckes stellte vor dem Spiel in Basel klar: "Ich werde mein System nicht verändern." Das hört sich nach Sturheit an. Sturheit ist zwei anderen Bayern-Trainers zum Verhängnis geworden: Jürgen Klinsmann und Louis van Gaal. Beide wurden in der Rückrunde entlassen.
Damit Heynckes nicht das gleiche Schicksal ereilt, muss er wegkommen von seiner routinierten Linie. Denn ihre Saisonziele werden die Bayern-Granden nicht nach unten korrigieren, wie das Bankett in Basel zeigte: Da sinnierte Vorstandsboss Rummenigge am Ende seiner Rede über das Ziel Champions-League-Finale am 19. Mai in München.
Derzeit sollte der Verein froh sein, wenn er überhaupt das Achtelfinale übersteht.