Leverkusens Sieg gegen Frankfurt Endlich wieder Schmidteinander

Eine bizarre Falschmeldung überschattet den Leverkusener Sieg gegen Frankfurt. Die Entlassung von Roger Schmidt sei beschlossen, hieß es kurz vor Anpfiff. 90 Fußballminuten später sitzt der Trainer so fest im Amt wie seit Wochen nicht.
Leverkusens Trainer Roger Schmidt

Leverkusens Trainer Roger Schmidt

Foto: Lars Baron/ Bongarts/Getty Images

Das Mitteilungsbedürfnis von Rudi Völler war schon von Weitem deutlich sichtbar.

Mit federnden Schritten kam der Sportchef von Bayer Leverkusen zu den wartenden Journalisten, aus seinem Gesicht strahlte die Freude über den souveränen 3:0-Sieg über Eintracht Frankfurt. Bevor Völler jedoch zu seiner Kurzanalyse ansetzte, stellte er noch schnell sicher, dass der Feind nicht mithörte. "Von Sky ist keiner da, oder?", fragte er, und als das sichergestellt war, begann Völler zu erzählen. "Verdienter Sieg, ganz klar, das tut gut", lautete seine erste Analyse.

Doch seine eigentliche Botschaft hatte allenfalls am Rande mit dem Spiel zu tun.

Sky hatte rund eine Stunde vor dem Spiel vermeldet, dass am Samstagmorgen der Gesellschafterausschuss der Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH getagt habe. Dort sei unter Leitung von Werner Wenning, dem mächtigen Aufsichtsratsvorsitzenden des Weltkonzerns Bayer AG, der Entschluss gefasst worden, TrainerRoger Schmidt noch dieses Wochenende zu entlassen, ganz egal, wie die Partie ausgehen würde. "Vor so einem wichtigen Spiel so eine Meldung rauszuhauen, das ist ein starkes Stück, ich bin enttäuscht von Sky", zürnte Völler und kündigte an, nicht mehr mit dem Sender zu sprechen, bevor eine öffentliche Entschuldigung formuliert sei.

Leverkusens Chicharito, zweifacher Torschütze gegen Frankfurt

Leverkusens Chicharito, zweifacher Torschütze gegen Frankfurt

Foto: SASCHA SCHUERMANN/ AFP

Geschäftsführer Michael Schade sprach gar von einer "Kampagne", Schmidt sagte alle vereinbarten Interviews vor dem Spiel ab, und natürlich wurde die Geschichte umgehend dementiert. Aber die Empörung war auch am Abend nicht verflogen. "Da sind Grenzen überschritten worden", erklärte Schade, "die Wirkung ist, dass man dem Verein und dem Trainer damit ungeheuer schadet, aber das war wahrscheinlich auch die Absicht." Mit diesem Verdacht schoss er wohl selbst etwas übers Ziel hinaus.

Sky-Mitarbeiter erzählten, eigentlich sei ursprünglich von einer möglicherweise ins Auge gefassten Sitzung die Rede gewesen. Diese Geschichte sei dann innerhalb der Redaktion von Büro zu Büro weitererzählt und wie beim Kinderspiel "Stille Post" um immer neue Details ergänzt worden. Bis die Nachricht die Wucht eines kleinen Erdbebens hatte und veröffentlicht wurde. Ganz so dramatisch, wie die Klubführung dachte, war die Wirkung der Falschmeldung allerdings nicht.

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Bernd Leno hatte jedenfalls auch eine Viertelstunde nach Abpfiff noch nichts von dem ganzen Wirbel mitbekommen, "in der Mannschaft war das kein Thema", sagte der Torhüter und Schmidt behauptete: "Mich hat das nicht interessiert". Aber Schade und Völler war anzumerken, wie gut es ihnen tat, endlich mal wieder einen äußeren Feind anprangern zu können, statt wie zuletzt immer wieder die eigenen Leute kritisieren zu müssen. Im Widerstand gegen die alternativen Fakten wirkten die Leverkusener so homogen und einig wie lange nicht. Das Theater taugte als Kitt für den inneren Zusammenhalt, der aber natürlich vor allem durch die gute Leistung gestärkt wird.

Frankfurt war allenfalls in der ersten Halbzeit ebenbürtig, wobei der erstaunlich abgeklärt spielende Kai Havertz, ein 17-jähriges Juwel, schon früh mit einer imposanten Einzelaktion das 1:0 vorbereitet hatte (5.). Chicharito vollstreckte, und krönte der seine beste Leistung seit vielen Wochen später noch mit einem Weltklassetor zum 2:0 (63.). Kevin Volland gelang mit dem dritten Treffer sein allererster Bundesligatreffer für den Werksklub (78.), Karim Bellarabi bereitete das 2:0 und das 3:0 vor, und Kapitän Lars Bender konnte erstmals seit dem neunten Spieltag wieder auflaufen. Lauter gute Nachrichten. "Das sah hinten raus schon wieder sehr nach unserem Spiel aus", sagte Schmidt. Die für Leverkusen so typische Mittelfeldrauferei um zweite, dritte, vierte und fünfte Bälle mit anschließendem Überfallfußball funktionierte bestens.

Es war also ein Nachmittag der Selbstheilung, der stark an den Wendepunkt der vorigen Saison erinnerte. Vor elf Monaten wurde ebenfalls über eine bevorstehende Entlassung Schmidts gemutmaßt, als der Klub dann 0:3 zur Halbzeit in Augsburg zurücklag, waren sich Kenner sicher: Das war's. Doch Bayer erkämpfte ein 3:3 und stürmte anschließend mit einer Serie von sieben Siegen in die Champions League. "Der Glaube an unsere Stärke und das Vertrauen in unsere Gruppe hilft uns, auch in schwierigen Situationen stabil zu bleiben", sagte Roger Schmidt.

Er lächelte zufrieden und wirkte gar nicht, als müsste er sich bald einen neuen Job suchen.

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