Skandalspiel gegen Frankreich Iren zürnen der zweiten "Hand Gottes"

Entsetzen, Verbitterung, Unverständnis: Irische und britische Medien reagieren empört auf das irreguläre Tor der Franzosen im WM-Qualifikationsspiel gegen Irland. Angreifer Thierry Henry räumt das Handspiel ein. Verschwörungstheorien werden diskutiert - der Justizminister fordert die Wiederholung der Partie.
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WM-Playoffs: Kontroverses Tor in letzter Minute

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Giovanni Trapattoni hatte mehr als fertig. Händeringend stand der irische Nationalcoach an der Außenlinie im Pariser Stade de France und wechselte sekündlich zwischen Entsetzen, Fassungslosigkeit und Resignation. Seine Spieler ergingen sich unterdessen in hitzigen Diskussionen mit Schiedsrichter Martin Hansson.

Soeben hatte der Schwede, nach eingehender Beratung mit seinen Kollegen, ein Tor gegeben, das keines hätte sein dürfen. Nach 103 Minuten hatte Verteidiger William Gallas den 1:1-Ausgleich der Franzosen im Playoff-Spiel gegen die Iren erzielt - und seinem Team damit das Ticket nach Südafrika gesichert. Wäre es beim Stand von 1:0 für die Iren geblieben, hätte ein Elfmeterschießen über die WM-Teilnahme entscheiden müssen.

In der Vorbereitung zu dem Treffer jedoch spielte Frankreichs Kapitän Thierry Henry den Ball eindeutig mit der Hand. "Ich will ehrlich sein: Es war ein Handspiel", gab der Angreifer gegenüber Reportern nach der Partie offen zu. Angesichts der eindeutigen Fernsehbilder blieb ihm wenig anderes übrig. "Aber ich bin nicht der Schiedsrichter. Der hat das Tor gegeben und den muss man befragen."

Das Schuldgeständnis des Stürmers vom FC Barcelona macht den enttäuschenden Abend für die Iren doppelt bitter. "Das ist die größte Enttäuschung meiner Karriere. Ganz Europa hat die Situation gesehen. Ich gehe in Schulen und referiere über Fair Play, sage den Kindern, wie wichtig dieses Prinzip ist", zeigte sich Trainer Trapattoni nach dem Schlusspfiff erschüttert.

"Hätten uns das ganz anders vorgestellt"

Selbst den Franzosen schien die Art der Qualifikation ein wenig unangenehm gewesen zu sein: "Natürlich hätten wir uns das ganze anders vorgestellt", gab sich Henry ob der starken Leistung des Gegners und der kontroversen Schlussphase kleinlaut. Immerhin hatten die Iren dem Weltmeister von 1998 einen harten Kampf geliefert, kaum Chancen zugelassen und trotz der Kulisse von knapp 85.000 Zuschauern nie den Underdog gegeben. "Frankreich ohne Ruhm" titelte dann auch die Zeitung "Le Figaro" auf ihrer Internetseite.

Die britische BBC beklagte die "grausamste aller möglichen Arten, auszuscheiden".

Noch deutlicher wurden die irischen Spieler - und vermuteten hinter der Entscheidung des Unparteiischen fußballpolitische Motive. Verteidiger Richard Dunne, direkt an der Strafraumszene beteiligt, hielt sich mit Kritik an der Leistung des Schiedsrichters nicht zurück: "Es ist lächerlich. Der Referee sagte, er sei sich absolut sicher, dass es kein Handspiel gewesen sei. Leider hatten wir so was befürchtet. Die WM wird eben von Leuten beeinflusst, die entscheiden, wer dabei ist - und wer nicht."

Ein Protest gegen die Wertung des Spiels ist im übrigen nicht möglich, da es sich um eine Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters handelt. Trotzdem fordert der irische Justizminister Dermot Ahern eine Wiederholung der Partie. Im Interesse des Fairplays müsse der Weltfußballverband Fifa einschreiten, sagte Ahern am Donnerstag in Dublin. "Sie werden es uns wahrscheinlich nicht bewilligen, weil wir ein kleiner Fisch im Weltfußball sind", gab sich Ahern jedoch wenig zuversichtlich. "Sollte das Ergebnis bleiben, verstärkt es die Sicht, dass man gewinnt, wenn man betrügt."

Irlands Kapitän Robbie Keane, noch nie ein Freund der leisen Töne, äußerte derweil im irischen "Independent" klare Zweifel an der Unparteilichkeit des Referee-Gespanns. "Das war eine Entscheidung, um die Setzliste festzulegen. Länder wie Frankreich und Deutschland sind riesig. In einer Million Jahren konnte dieses Spiel nicht fair ablaufen. Ist es dann auch nicht."

Zweite "Hand Gottes"

Die Boulevardmedien ziehen bereits Vergleiche zum legendären Tor mit der "Hand Gottes", das der Argentinier Diego Maradona am 22. Juni 1986 erzielt hatte. Im Aztekenstadion in Mexiko-Stadt lief die 51. Minute des WM-Viertelfinales zwischen Argentinien und England, Spielstand 0:0. Ein hoher Ball flog in den Strafraum, Englands Torhüter Peter Shilton stieg hoch um ihn zu fangen. Der nur 165 Zentimeter große Maradona sprang ebenfalls hoch und lenkte den Ball mit der Hand des ausgestreckten Armes an Shilton vorbei ins Tor.

Trotz heftiger Proteste gab der Schiedsrichter damals den Treffer. Maradona sagte nach der Partie: "Es war ein bisschen die Hand Gottes und ein bisschen Maradonas Kopf." Erst vor wenigen Jahren gab er den Betrug zu.

Ganz so geschichtsträchtig dürfte der Gallas-Treffer nicht gewesen sein. Robbie Keane begann schon nach dem Schlusspfiff mit der Aufarbeitung der Geschehnisse und zwang sich trotz des bitteren Ausgangs zu einem positiven Fazit. "Natürlich sind wir jetzt am Boden zerstört. Aber insgesamt bin ich einfach nur stolz auf die Jungs."

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