Skandalspiel in Zagreb Das Augenzwinkern des Innenverteidigers

Der wundersame Champions-League-Sieg von Olympique Lyon gegen Dinamo Zagreb sorgt für Aufregung: Nach dem 7:1 wird beiden Teams Betrug und Spielmanipulation vorgeworfen. Jetzt ermittelt die französische Wettkontrollbehörde.
Lyon-Profi Briand (rechts): Sechs Tore in einer Halbzeit

Lyon-Profi Briand (rechts): Sechs Tore in einer Halbzeit

Foto: Darko Bandic/ AP

Domagoj Vida, Abwehrspieler von Dinamo Zagreb, schnappte sich den Ball. Nur wenige Sekunden zuvor hatte Olympique Lyon das 5:1 gegen seinen Club erzielt. Normalerweise kommt es in einer solchen Situation zu kleineren Rangeleien, da die eine Mannschaft schnell weitermachen möchte, die andere aber lieber Zeit schinden will. Diesmal war es anders. Statt zu kämpfen, schien Vida seinem Gegenspieler sogar zum Torerfolg zu gratulieren - und löst damit nun die wildesten Spekulationen um eine mögliche Spielmanipulation beim 7:1-Erfolg von Olympique Lyon in Zagreb aus.

Die Kroaten galten schon vor der Champions-League-Partie gegen die Franzosen als Verlierer der diesjährigen Königsklasse. Mit 2:15 Toren und ohne Punkte lagen sie abgeschlagen auf dem letzten Rang der Gruppe D. Für Ajax Amsterdam und Lyon ging es noch um den Einzug ins Achtelfinale, den Franzosen wurden dabei die schlechtesten Chancen eingeräumt. Das Team lag vor dem Spiel in Zagreb mit drei Punkten Rückstand und sieben Toren hinter dem Zweitplatzierten aus Amsterdam, das zeitgleich gegen Real Madrid antreten musste. Ein Weiterkommen von Lyon schien nahezu ausgeschlossen, schließlich hatten sie in den bisherigen fünf Champions-League-Spielen nur zwei Tore geschossen.

Unerklärliche Abwehrfehler

Dass Lyon nun tatsächlich im letzten Gruppenspiel in Zagreb ganze sieben Tore erzielte, war schon während des laufenden Spiels in unzähligen Internetforen Anlass für Gerüchte um einen möglichen Betrugsfall in der europäischen Königsklasse. Zahlreichen User analysierten das Spiel: jedes Tor, jede Schiedsrichter-Entscheidung. Sowohl die Gelb-Rote Karte gegen Dinamos Jerko Leko in der 28. Minute wurde diskutiert als auch das Verhalten der Dinamo-Spieler, die insbesondere im zweiten Durchgang eine mehr als befremdliche Arbeitseinstellung offenbarten. Etliche Lyon-Treffer fielen nach teilweise unerklärlichen, katastrophalen Abwehrfehlern.

Doch was die Verschwörungstheoretiker am meisten aufregte, war das 5:1. Oder vielmehr die Szene kurz darauf. Innenverteidiger Vida, der den Ball aus dem Netz holte, wurde von Lyon-Stürmer Bafétimbi Gomis bedrängt, diesen herauszugeben. Und Vida folgte dem Wunsch anstandslos. Begleitet von einem Zwinkern in Richtung Gomis und einem hochgestreckten linken Daumen. Niemand bewertete diese Geste als Zeichen der Ironie und Gleichgültigkeit, ausgelöst durch einen hoffnungslosen Spielstand. Der niederländischen Zeitung "De Volkskrant" war dies einen eigenen Bericht wert, inklusive Fragen zu einer möglichen Spielmanipulation.

Ajax Amsterdam fordert Aufklärung von der Uefa

Auch Amsterdam-Trainer Frank de Boer, der mit seinem Team 0:3 gegen Madrid verlor und durch Lyons Kantersieg die Qualifikation für die K.o.-Runde verpasste, forderte Aufklärung: "Ein 7:1 kommt auf diesem Niveau normalerweise nicht vor. Die Uefa muss die Sache untersuchen." Am Donnerstagmorgen gab ein Sprecher der französischen Wettkontrollbehörde bekannt, man werde "die Quoten für das Spiel überprüfen". Uefa-Präsident Michel Platini sagte: "Ich habe keine Zweifel am korrekten Ablauf des Spiels."

Auffälligkeiten werden dabei jedoch wohl nicht festgestellt werden. Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE gab es weder auf dem legalen asiatischen Wettmarkt eine grobe Veränderung der Quote, noch irgendwelche Auffälligkeiten im europäischen Sektor. "Die Uefa wird den Fall bewerten. Bislang haben wir aber keine Anhaltspunkte für eine Unregelmäßigkeit", sagte ein Uefa-Mitarbeiter SPIEGEL ONLINE.

1,4 Millionen-Euro aus dem asiatischen Wettmarkt

Zudem verwies er auf ein Wett-Kontrollsystem des Verbandes, das bei diesem Spiel keine größeren Quoten-Schwankungen feststellte. "Lediglich beim 1:4 gab es einige höhere Einsätze auf Lyon, aber das ist normal. Profi-Wetter nutzen solche Spielstände aus, da manche Buchmacher es bei Ausreißer-Spielen dieser Art verpassen, ihre Quoten schnell genug nach unten zu korrigieren." Generell sollen bei dieser Partie aber kaum größere Geldbeträge gesetzt worden sein, die meisten davon seien sogar auf Zagreb platziert worden.

Ein Interpol-Mann, der sehr eng mit der Fifa zusammenarbeitet, verweist hingegen darauf, dass der Wettmarkt nicht immer alleine ausschlaggebend für einen Spielbetrug sein muss: "Wir wissen, dass es in den Balkanstaaten einige problematische Banden gibt, die die Spiele ihrer Mannschaften auf direktem Weg an andere Vereine verkaufen. Diese Manipulationen laufen nicht über den Wettmarkt."

Dies wollte er jedoch ausdrücklich weder Lyon noch Zagreb unterstellen. Wobei sich gerade die Verantwortlichen von Dinamo Zagreb mit Verdachtsmomenten bei vermeintlichen Spielmanipulationen auskennen: Als im Herbst 2010 im Bochumer Landgericht gegen den mehrfach wegen Spielmanipulation verurteilten Ante Sapina und Kumpanen wegen Wett- und Spielbetrugs prozessiert wurde, stand auch eine Begegnung von Dinamo unter Verdacht. Doch eine Beteiligung am 3:0-Sieg im Pokalfinale über Hajduk Split, mit dem Sapina in Asien laut der kroatischen Zeitung "Sportske Novosti" 1,4 Millionen Euro gewonnen haben soll, wurde den Wettmanipulatoren niemals nachgewiesen, der Vorwurf fand sich nach mehrmonatigen Ermittlungen nicht einmal mehr in der Anklageschrift wieder.

Bereits damals stritt Dinamo-Präsident Zdravko Mamic jegliche Beteiligung an dem Wettbetrug ab und nannte die Vorwürfe "Lügen und Unsinn". Warum allerdings sein Bruder in Kontakt zu Sapina stand, wie es die Bochumer Ermittler damals festhielten, hat der Präsident bis heute nicht erklärt.

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