Spekulation um Podolski Prinzen-Dämmerung in Köln
Trainer Ståle Solbakken sprach minutenlang. Sportdirektor Volker Finke wurden etliche Mikrofone unter die Nase gehalten. Mannschaftskapitän Pedro Geromel, Ex-Kapitän Milivoje Novakovic und sogar der ehemalige Trainer Christoph Daum nahmen an der Diskussion teil. Dabei ging es keineswegs um den ersten Punktgewinn des 1. FC Köln in dieser Saison. Es ging vielmehr um einen Spieler, der an diesem ersten kleinen Erfolg überhaupt nicht beteiligt war.
Lukas Podolski, deutscher Nationalspieler und Kölner Fußballikone, saß nämlich beim 1:1 gegen Kaiserslautern mit einem grippalen Infekt auf der Tribüne und sah, wie seine Kollegen auftrumpften. Dass am kommenden Morgen ein angebliches Interesse Galatasaray Istanbuls am deutschen Stürmer solchen Wirbel verursachte, passte eigentlich ins Bild. Denn Podolskis sportliche Schlagzeilen geraten derzeit in den Hintergrund.
Statt über seine Tore diskutiert Deutschland nämlich aktuell viel intensiver über Podolskis Entmachtung als Kapitän, seinen großen Einfluss im Club und eine mögliche Aussortierung im Nationalteam. Gute Spiele gab es von Podolski zuletzt kaum und das, obwohl er in der vergangenen Rückrunde mit neun Treffern ein Garant für den Klassenerhalt der Kölner war.
Noch kein Freund des neuen Spielsystems
Doch die neue Saison hat für den 90-fachen Nationalspieler noch nicht richtig angefangen. Neben den negativen sportlichen Schlagzeilen plagen Podolski seine chronisch zugeschwollenen Nebenhöhlen, die er im Winter operieren lassen muss. Und natürlich das neue Spielsystem Solbakkens. Aus dem Kölner Trainerteam ist zu hören, dass Podolski die neuen Anforderungen des Norwegers noch nicht verstanden hat. Dass er weder bereit ist, als Stürmer gleichzeitig der erste Verteidiger zu sein, noch sich am rotierenden Verschiebeprozess zu beteiligen, bei dem jede Schnittstelle zwischen zwei gegnerischen Angreifern durch einen FC-Spieler besetzt sein soll.

Lukas Podolski: Das Club-Denkmal bröckelt
Und tatsächlich demonstrierte das Spiel der Kölner gegen den 1. FC Kaiserslautern, dass einige andere FC-Akteure Solbakkens Ideen deutlich besser verinnerlicht haben. Podolskis Vertretung etwa, der Kroate Mato Jajalo. Der 23-jährige gelernte Mittelfeldspieler zeigte als Podolski-Ersatz eine starke Partie gegen die Pfälzer. Er erzielte einen Treffer selbst, hätte sogar noch zwei weitere machen können. Zudem gewann er 37 Prozent seiner Zweikämpfe, für einen Offensivmann ein ordentlicher Wert, und lief knapp zwölf Kilometer.
Gerade die Laufleistung erfreute Solbakken. Denn der 43-Jährige fordert das Kilometerfressen als Grundlage seines Systems vehement ein. Und ist dementsprechend über Podolskis bisherige Saisonleistungen weitaus weniger erfreut. Der Nationalspieler ist in der aktuellen Spielzeit im Schnitt lediglich zwischen neun und zehn Kilometern pro Partie unterwegs, liegt bei seinen siegreichen Zweikämpfen bei nur 28 Prozent.
Mangelnde Laufbereitschaft als Schwäche
Dies ist nicht wirklich überraschend. Podolski, der schuss- und konterstarke 26-Jährige, war noch nie ein Laufwunder. Immer wieder gab es auch über dieses Thema Diskussionen im Nationalteam, während der WM 2006 handelte sich der Kölner deswegen sogar einen Rüffel seines ehemaligen Sturmpartners Miroslav Klose ein.
Bei Bayern München monierte einst auch Felix Magath die zu geringe Bewegungsfreude Podolskis. Doch dass der Hochveranlagte, der beinahe so eine lokale Größe ist wie der Kölner Dom, im eigenen Club deshalb sportliche Probleme bekommen könnte, galt bislang als höchst unwahrscheinlich. Podolskis Wort und Stellenwert waren eigentlich unantastbar rund um das Geißbockheim.
Solbakken kümmert so etwas bislang wenig. Genauso wie Sportchef Volker Finke ist der Coach ein Verfechter flacher Hierarchien. Unter Solbakken ist das System der Star, und jeder Spieler muss sich diesem unterordnen. "Lukas arbeitet bislang, so gut es geht, mit. Er ist ein wichtiger Spieler für uns", sagt Solbakken.
Solbakken lächelt beim Thema Podolski nur
Ob es bei Podolski leistungsmäßig und insbesondere in der Umsetzung des Solbakkschen Systems noch Luft nach oben gibt, beantwortet der Trainer nicht. Er lächelt nur. Er weiß, dass jedes Wort über Podolski von allen Seiten interpretiert wird.
Doch falls sich Podolski in den kommenden Spielen nicht an die strikten Direktionen des Trainers hält, wird Solbakken nicht davor zurückschrecken, mit seinen Taten für Gesprächsstoff zu sorgen. Jemand, der dem Stadtidol aus inhaltlichen Gründen die Kapitänsbinde abnimmt, der schreckt auch nicht davor zurück, einen Ausnahmespieler auf die Bank zu setzen, wenn dieser nicht ins System passt.
Für Podolski geht es dadurch derzeit um sehr viel. Denn eine Schwäche im Verein könnte schnell zu einem Positionsverlust im Nationalteam führen. Dort warten mit André Schürrle und Mario Götze zwei Spieler, die derzeit schon Ansprüche auf einen Stammplatz in der deutschen Eliteauswahl stellen können. In Anbetracht der Tatsache, dass Podolski seit ewiger Zeit die Europameisterschaft im kommenden Sommer in seinem Geburtsland Polen als eines seiner großen Karriereziele ausgibt, bekommt dieses Szenario noch zusätzliche Brisanz.
Vielleicht beteiligt sich der FC-Stürmer deshalb nicht an den Gerüchten zum Wechsel in die Türkei. Ein offizielles Dementi dazu gibt es weder von Podolski noch von seinem Berater.