Stürmer Kuranyi Stresstest für den König a.D.
Es ist gerade mal zweieinhalb Jahre her, da war Kevin Kuranyi ein König. Er bildete mit Miroslav Klose den sogenannten K&K-Sturm, eine Angriffsmonarchie, die Furcht und Schrecken in gegnerischen Strafräumen verbreitete. Scheinbar.
Es folgte eine Formschwäche, dann die Nominierung des WM-Kaders durch Jürgen Klinsmann -und der König war nicht mehr dabei. Aus dem Amt gejagt vom unumschränkten Herrscher beim DFB, ersetzt durch Lukas Podolski. Einen jungen Kölner, den die Zeitungen "Prinz Poldi" nannten.
Der König schmollte, und irgendwann geriet er in Vergessenheit.
Jetzt sitzt Kevin Kuranyi, lange Haare, kurzer Bart, vor den Journalisten und sagt, er habe sich zurückgekämpft. Das klingt ein bisschen stolz - aber auch unwillig. Kuranyi will nicht mehr reden über die größte Enttäuschung seines Fußballerlebens, deren Folgen er später umdeutete in eine Art Katharsis. Die 15 Tore in der vergangenen Saison; die Tatsache, dass er vor der EM 2008 nie zur Debatte stand. Kuranyi ist jetzt froh, "Teil dieser Mannschaft zu sein". Und er will helfen, "mit allem, was ich habe".
Die Frage ist nur, ob er auch darf. Und ob sich so viel verändert hat seit 2006.
Klose, der zweimalige WM-Torschützenkönig, regiert immer noch unumstritten. Er hat gegen Weißrussland getroffen, in der Schweiz und in Österreich. Der 30-Jährige hat für Bayern München in der Bundesliga weniger Tore geschossen (zehn) als Kuranyi für Schalke, aber die Nationalmannschaft ist ein Reich, das auch ein formschwacher Klose anscheinend mühelos verteidigt.
Podolski hatte eine schwache Bundesligasaison, an Toren gemessen. Fünf Treffer nur, aber drei davon in den letzten drei Spielen. Gegen Weißrussland hat der Prinz assistiert zum Führungstor, seine Quote in der DFB-Elf ist so gut, dass er immer ein natürlicher Kandidat für die Position neben Klose ist.
Und dann ist da auch noch Mario Gomez. Einen "perfekten Stürmer" nennt ihn Teammanager Oliver Bierhoff, und der Stuttgarter gilt als Mann der Zukunft, nachdem er in seinen vergangenen zwei Spielen drei Treffer für Deutschland erzielt hat. Und 19 in der Bundesliga - vier mehr als Kuranyi.
Hans Flick, der Assistent, sitzt auch dort oben auf dem Podium, und als er gefragt wird, wer denn die größten Chancen auf den Platz neben Klose habe, Gomez oder Kuranyi, wird Flick zum Diplomaten. Man habe fünf gute Stürmer, man wolle sich noch nicht festlegen, mit der Qualität sei man sehr zufrieden. Was man eben so sagt, wenn man eine Illusion erhalten will. Die, dass kein Angreifer seinen Platz sicher hat. In dieser Diktion müsste auch Klose zittern, und Oliver Neuville dürfte von der Startelf gegen Polen träumen. Aber wer glaubt das schon?
Kevin Kuranyi, 26, hat alles, was ein guter Stürmer braucht. Er kann köpfen, plaziert schießen und im entscheidenden Moment da stehen, wo der Ball ist. Er kann sogar überraschende Pässe spielen. Kuranyi hat alles, was ein guter Stürmer braucht - aber er hat von allem nicht genug. Gomez ist schneller, athletischer und torgefährlicher. Podolski ist schneller, sein Schuss plazierter, seine Unbekümmertheit ein Trumpf. Und Klose? In der Luft ohne Konkurrenz, wendig, schnell, torgefährlich und mit der Erfahrung von zwei Weltmeisterschaften. Kuranyi ist - irgendwo dazwischen.
Es hat sich nicht so viel verändert seit 2006. Kuranyi ist jetzt zwar mittendrin, aber doch nicht wirklich dabei.
Am Abend, wenn die DFB-Elf gegen Serbien in Gelsenkirchen aufläuft (17.30 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE), wird er seine Chance von Beginn an bekommen. Neben ihm Gomez, zwei Konkurrenten um einen Platz. Zuletzt spielten Kuranyi und Gomez in Irland von Beginn an zusammen - das Spiel endete 0:0. Sein letztes Tor erzielte er beim 2:1 in London gegen England, im August 2007. Fünf Spiele ohne Treffer - in dieser Mannschaft können sich das nur wenige erlauben. Kuranyi gehört nicht dazu.
Nur ein Tor gegen Serbien in Gelsenkirchen würde seine Position verbessern. Doch es geht alles so schnell im Fußball, und wenn das einer weiß, dann Kuranyi. Vielleicht käme dann sogar die Monarchie zurück, Klose und Kuranyi, K&K.
Dafür ist der König a.D. schließlich zurückgekommen.
Gegner Serbien - Trainer unter Beschuss
Deutschland muss Miroslav Djukic wie das Paradies vorkommen. Es ist zwar nicht überliefert, dass der Trainer der Serben die Presse hierzulande nach dem 2:2 gegen Weißrussland verfolgt hat, aber die eigene liest er sicher. Dort wurde der Nationalcoach zuletzt als "Loser" bezeichnet, was noch ein freundliches Wort in Richtung Djukics war. Und warum das alles? Der Mann hat noch kein Spiel gewinnen können.
Er ist seit vier Partien im Amt, in Worten: vier.
Die fünfte findet nun in Gelsenkirchen statt, und der 42-Jährige steht gegen EM-Teilnehmer Deutschland schon derart unter Druck, dass sein Traum, die Mannschaft zur WM 2010 zu führen, vorbei sein kann, bevor die Qualifikation begonnen hat. Die Chancen dort stünden gar nicht schlecht, Gruppengegner sind Frankreich, Rumänien, Litauen, Österreich und die Färöer. Machbar wäre das durchaus - wenn man Djukic denn lässt.
"Wir wissen, was uns gegen Deutschland erwartet. Das ist eine sehr starke Mannschaft. Wir wollen mutig ins Match gehen und unser Bestes geben. Dieses Spiel wird uns zeigen, wo wir stehen", sagt Djukic. Und auch wenn die serbische Presse den Eindruck vermittelt, das Team stehe vor dem Abgrund: Diese Mannschaft kann der deutschen sehr wohl gefährlich werden.
Vor allem auf die gegen Weißrussland wacklige DFB-Abwehr wartet eine unangenehme Aufgabe. Sie spielt bei Hertha BSC und heißt Marko Pantelic. Pünktlich zum Spiel gegen Deutschland trifft der Angreifer auch in der Nationalmannschaft wieder, wo er zuvor mehr als 700 Minuten ohne Tor geblieben war. Sowohl am vergangenen Samstag gegen Irland (1:1) und auch gegen Russland (1:2) erzielte der Bundesligaprofi einen Treffer.
Wer nun aber glaubt, der Serbe würde vor dem Spiel gegen den DFB große Töne spucken, der irrt. Pantelic spricht wie er spielt: Er gibt den Harmlosen. "Ich habe großen Respekt vor Deutschland, und ich liebe dieses Land. Aber dieses Spiel hat für uns eine nicht allzu große Bedeutung, es ist uns relativ egal, wie es ausgeht." Sein Land habe die EM verpasst, "deshalb ist unser Ziel schon jetzt die WM 2010 in Südafrika." Wer glaubt, Pantelic käme deshalb mit seinen Kollegen nur auf ein Bier in der Veltins-Arena vorbei, irrt aber. "Wir werden ein gutes Spiel zeigen", kündigt der 29-Jährige an.
In Serbiens 4-4-2-System wird am Abend aber der wichtigste Mann fehlen. Kapitän Dejan Stankovic von Inter Mailand ist verletzt.
Deutschland - Serbien Sa. 17.30 Uhr in Gelsenkirchen
Schiedsrichter: Fautrel (Frankreich)
Deutschland: Lehmann (FC Arsenal, 38 Jahre/54 Länderspiele) - Lahm (FC Bayern, 24/40), Mertesacker (Bremen, 23/42), Metzelder (Real Madrid, 27/40), Jansen (FC Bayern, 22/21) - Fritz (Bremen, 27/13), Ballack (FC Chelsea, 31/80), Frings (Bremen, 31/71), Schweinsteiger (FC Bayern, 23/50) - Gomez (Stuttgart, 22/9), Kuranyi (Schalke, 26/46)
Serbien: Stojkovic (Sporting Lissabon, 24/17) - Rukavina (
Dortmund, 24/11), Ivanovic (FC Chelsea, 24/12), Vidic (Manchester
United, 26/30) - Dragutinovic (FC Sevilla, 32/40) - Jankovic (
Palermo, 24/14), Kuzmanovic (Florenz, 20/11), Babovic (
Nantes, 21/4), Smiljanic (Espanyol Barcelona, 21/5) - Sasa Ilic (
Salzburg, 30/39), Pantelic (Hertha BSC, 29/17)