Stürmerhoffnung Banach Tod eines Torjägers
Jörg Berger bekommt noch heute einen Kloß im Hals, wenn er an den 17. November 1991 denkt. Es war ein trüber, ungemütlicher Herbstmorgen, kurz nach elf. Das Sonntagstraining beim 1. FC Köln war fast beendet, nur Auslaufen stand noch auf dem Programm. Berger, damals Trainer des Bundesligisten, stand abseits des Trainingsplatzes am Geißbockheim, als plötzlich ein Polizeibeamter auftauchte. Der kam auf den Coach zu und fragte, ob sein Stürmer Maurice Banach zum Training erschienen sei. Als Berger dies verneinte, eröffnete ihm der Polizist, dass der 24-Jährige auf der Fahrt zum Training wahrscheinlich tödlich verunglückt sei. Banach war nach Angaben der Polizei auf der Autobahn Wuppertal-Köln bei Remscheid auf der Überholspur von der Fahrbahn abgekommen. Der blaue Opel Omega prallte gegen einen Brückenpfeiler und ging in Flammen auf. Banach war sofort tot. Den Rettungsmannschaften vor Ort bot sich ein Bild des Grauens: Fahrzeug und Fahrer verbrannten fast bis zur Unkenntlichkeit. Es dauerte mehrere Stunden, bis Banach identifiziert war. Er hinterließ seine Ehefrau Claudia und zwei kleine Söhne, damals drei Jahre und neun Monate alt.
"Ich konnte nichts mehr denken, war fassunglos, musste erstmal in die Kabine und mich sammeln", erzählt Berger heute. Erst nach 20 Minuten sei er vor die Mannschaft getreten und habe den Spielern berichtet, dass Banach bei einem schweren Autounfall ums Leben gekommen sei. Seine Mannschaftskameraden brachen in Tränen aus. Es herrschte minutenlang Stille in der Kabine, keiner fuhr nach Hause. Berger: "Es war schrecklich, ein absoluter Schockzustand." Das anstehende Bundesligaspiel gegen Dynamo Dresden sagte der Club ab. Nicht nur die Kölner, sondern die gesamte Bundesliga und eine ganze Fußballnation waren wie gelähmt. Banach galt als einer der hoffnungsvollsten Nachwuchsstürmer, er war auf dem Sprung in die Nationalelf. Beim Länderspiel der deutschen Mannschaft drei Tage später in Brüssel gegen Belgien (1:0) wurde eine Schweigeminute für ihn abgehalten.
Tödliche Fahrt nach Köln
Die Umstände des Unfalls konnten nie ganz aufgeklärt werden. Die Sicht war frei, die Fahrbahn trocken, auch ein Fremdverschulden schloss die Polizei aus. Zunächst vermutete man einen Reifendefekt oder einen Fahrfehler. Mehrere Unfallzeugen sprachen übereinstimmend von überhöhter Geschwindigkeit. Zudem legte die rechtsmedizinische Untersuchung einen bösen Verdacht nahe: Banach hatte anscheinend mehr als ein Promille Restalkohol im Blut. Er soll am Abend zuvor mit seiner Frau eine Karnevalsveranstaltung in seiner Heimatstadt Münster besucht haben. Am nächsten Morgen war er früh um halb acht ins Auto gestiegen, um sich auf die anderthalbstündige Fahrt nach Köln zu machen. Wie Kölner Zeitungen meldeten, zweifelten Banachs Familie und sein Berater die ermittelten Blutalkoholwerte später gerichtlich an mit Erfolg.
Nicht nur bei den FC-Fans ist der 1,85 Meter große Stürmer bis heute unvergessen. Banach war ein typischer Straßenfußballer, früh verpassten ihm seine Kumpels auf dem Schulhof den Spitznamen "Mucki". Auf roter Asche lernte er beim Oberligisten Preußen Münster das Toreschießen, wechselte schon als C-Jugendlicher zu Borussia Dortmund. 1985 erhielt er als 17-Jähriger einen Profivertrag beim BVB und schaute sich bei den schlitzohrigen Stürmern Frank Mill und Norbert Dickel alle Tricks ab. Bei den Schwarzgelben kam er jedoch in zwei Profijahren nur auf 14 Bundesligaeinsätze und zwei Tore. Daher wechselte Banach zum Reviernachbarn Wattenscheid 09 in die zweite Liga. Hier gelang ihm der Durchbruch, Banach wurde 1990 mit 22 Treffern Torschützenkönig.
Stimmungsmacher beim FC
Im Sommer 1990 holte ihn der 1. FC Köln dann zurück in die Eliteklasse, wo er sich sofort eingewöhnte. "Er war bei allen sehr beliebt und wurde schnell zum Stimmungsmacher", erinnert sich Falko Götz. Der Trainer von Hertha BSC war damals Abwehrspieler in Köln. Bei den Geißböcken schoss Banach im ersten Jahr bereits 14 Treffer. Im der folgenden Saison hatte er nach 18 Spieltagen schon zehn Mal getroffen und war damit zweitbester Schütze in der Bundesliga. Seine letzten beiden Tore erzielte der Stürmer am 9. November 1991 im heimischen Müngersdorfer Stadion beim 4:1-Sieg gegen Fortuna Düsseldorf.
Banach galt als ein "Knipser", der wenige Chancen für seine Tore brauchte. "Unser großer Hoffnungsträger war nicht Pierre Littbarski, nicht Horst Heldt, es war Mucki", erinnert sich Trainer Berger. Er hatte frühzeitig darauf gedrängt, dass Banach seinen Vertrag am Rhein verlängert. Sportdirektor Udo Lattek sorgte schließlich dafür, dass der schlaksige Angreifer für drei weitere Jahre unterschrieb. Banachs Zukunft war gesichert, er schoss Tore am Fließband, wurde von den Fans geliebt - und der Bundestrainer war längst auf das Supertalent aufmerksam geworden.
"Ehrgeizig, aber nie verkrampft"
Berti Vogts hatte Banach schon mit 15 Jahren in der Westfalenauswahl spielen sehen: "Ich habe sofort gespürt, der ist etwas Besonderes." Später trainierte er ihn in der U-21-Auswahl. Der ehemalige Nationalcoach ist sicher: Banach würde heute in der Bundesliga geliebt werden. Dabei hatte es der gebürtige Münsteraner als Farbiger nie leicht. Sein Vater, ein amerikanischer Soldat, verließ die Familie früh. Banach aber schien laut damaligen Zeitungsberichten darüber nicht verbittert zu sein, verspürte nie das Bedürfnis, seinen Erzeuger kennen zu lernen. "Er war ehrgeizig, aber auf dem Spielfeld nie verkrampft. Mit seiner positiven Art hat er viele angesteckt", lobt Vogts.
Das haben auch die Anhänger der Geißböcke nicht vergessen. Anderthalb Jahrzehnte nach seinem Tod ist Banach zum Mythos geworden. Für viele war er ein Genie, das sich nahtlos einreiht in die Riege legendärer FC-Stürmer wie Dieter Müller, Toni Polster und Lukas Podolski. Hört man sich bei den Fans in Köln um, schaut man in die Internetforen, dann fällt auf wie präsent Maurice Banach dort ist. Inmitten der aktuellen Zweitliga-Themen erinnern die Fans an seinen Geburtstag, tauschen Videos mit spektakulären Banach-Toren aus oder singen überschwängliche Loblieder auf den Goalgetter. "In der Kathedrale meines Herzens wird ewig eine Kerze für Mucki brennen!", schreibt Tim aus Frechen. Manche erinnern sich auch noch an den seltsamen Samstagnachmittag zwei Wochen nach Banachs Tod. Köln gewann das Bundesligaspiel gegen den VfL Bochum mit 1:0, aber kaum einer traute sich zu jubeln. Es war wie eine Beerdigung, mitten im Stadion.