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Vuvuzelas: Tröten bis zur Schmerzgrenze

Foto: KIM KYUNG-HOON/ REUTERS

Südafrikas WM-Auftakt Viel Lärm um wenig

Das Tröten der Vuvuzelas war das Grundgeräusch des Eröffnungsspiels. Und eine der Ursachen, warum die Partie nicht so richtig in Gang kommen wollte. Aber Kritik an der Dauerbeschallung verbitten sich die Afrikaner.

Für europäische Ohren war die 55. Minute des WM-Eröffnungsspiels zwischen Südafrika und Mexiko ein Segen. Als der von Siphiwe Tshabalala getretene Ball auf den Winkel des Tores der Mexikaner zuflog, da verstummte das Dauergetöse der Vuvuzelas für einen kurzen erholsamen Augenblick. Das vertraute Geräusch eines Torjubels schwoll an und wurde zu einem ausgewachsenen Schrei größter Freude. Südafrika führte 1:0, und der Jubel mag vielleicht noch ein paar Dezibel lauter gewesen sein als all das Getröte davor und danach. Dennoch war es ein Moment der akustischen Erholung.

Und es war einer der wenigen Augenblicke dieses Nachmittags, in dem das Publikum wirklich heftig auf das Spiel reagierte. Denn das Vuvuzela-Geblase ist nicht nur anstrengend fürs Trommelfell, sondern es verhindert auch jenes wunderbare Phänomen, das in Deutschland mit dem Bild vom überspringenden Funken beschrieben wird.

In afrikanischen Stadien gibt es nur selten diese magische Wechselwirkung zwischen Sportlern und Publikum, weil Fußballspiele fast immer eingehüllt sind in ein monotones Getrommel und den ununterbrochenen Ton der Plastiktröte. Schon beim Confed-Cup vor einem Jahr war das Instrument zu einem Dauerthema für die europäischen Besucher geworden.

Das Tröten schadet dem Spielfluss

Denn es ist nicht nur der eindringliche Sound, der anstrengt, zudem liegt nach dem Eröffnungsspiel auch der Verdacht nahe, dass der monotone Geräuschteppich einen wenig konstruktiven Einfluss auf das Spiel ausübt. Beiden Teams war das Bemühen durchaus anzumerken, sie spielten nach vorne - aber sowohl Mexikaner als auch Südafrikaner waren die Begrenztheiten ihres Spiels anzusehen. Hier spielten zwei Mannschaften, denen man ein relativ schnelles Ende ihrer Titelträume voraussagen kann.

Teams wie Mexiko brauchen Unterstützung von außen. Die Vuvuzelas sind das nicht.

Das Phänomen, dass eine Mannschaft besser wird, dass das Publikum mitgeht und so in einer Art Ping-Pong Effekt dramaturgische Wendepunkte entstehen, das lässt die Vuvuzela nicht zu. Fifa-Präsident Sepp Blatter hatte wegen der Vielzahl der Nachteile über ein Verbot der Dinger nachgedacht, schließlich nervt die Dauerbeschallung nicht nur viele Stadionbesucher, sondern auch die zahllosen Menschen in aller Welt, die die Spiele im Fernsehen verfolgen. Und die sind für den Weltverband noch viel wichtiger als das Stadionvolk. Aber mit einem Verbot hätte man die Afrikaner schwer beleidigt.

Kritik wird als Angriff auf die Kultur empfunden

Denn jede Kritik an der Trompete wird am Kap sofort als europäischer Angriff auf die eigene Fußball-Kultur empfunden. Im Extremfall gelten Gegner des Geräts als verkappte Rassisten, die kein Verständnis für Afrikas kulturelle Eigenart hätten. Dabei ist die Vuvuzela, die von den Deutschen scherzhaft als "Uwe Seelers" bezeichnet wird, keineswegs ein Instrument mit langer Tradition. Weder in Form noch Lautstärke hat die Vuvuzela viel mit dem traditionellen Kudu-Horn zu tun, es ist daher absurd, eine vor ein paar Jahren aus Amerika importierte und erst seit kurzem industriell hergestellte Plastiktröte zum afrikanischen Kulturgut zu verklären.

Aber die Südafrikaner lieben es, und deshalb fühlen die Fußballer vom Kap sich auch sehr wohl in der akustischen Umgebung dieser WM. "Wir haben in diesem Spiel gut aufgetankt, uns Selbstbewusstsein für das weitere Turnier geholt. Jetzt denken wir nur an unser nächstes Spiel", sagte Torschütze Tshabalala nach der Partie mit Blick auf den kommenden Gegner Uruguay. Wenn Europäer und Südamerikaner genervt auf die Tröte reagieren, dann ergibt sich vielleicht tatsächlich ein Heimvorteil für die Teilnehmer vom afrikanischen Kontinent. Obwohl den wohl weniger die Südafrikaner nutzen dürften als die weit stärker einzuschätzenden Teams von der Elfenbeinküste oder aus Ghana.

Alle anderen müssen sich mit der Vuvuzela anfreunden, denn wer sich in diesen WM-Wochen in Südafrika aufhält, der wacht mit einem "Tuuuut" auf, und der schläft mit einem "Tuuut" ein. Überall und zu jeder Tages- und Nachtzeit ist das Geräusch zu hören. Wahrscheinlich hilft da nur eins: Man kauft sich selber so ein Ding und trötet mit. Denn Krach, den man selber macht, ist bekanntlich nur halb so schlimm.

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