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Real-Stars Kroos und Khedira Weltmeister im Fahrstuhl

Ein Pflichtspiel - und schon wird Toni Kroos bei Real Madrid gefeiert. Der Ex-Münchner sollte sich auf die Jubel-Schlagzeilen nicht zu viel einbilden: Khedira dient als warnendes Beispiel.

Wenn Toni Kroos schlau ist, sollte er in diesen Tagen das intensive Gespräch mit seinem Team- und Nationalelf-Kollegen Sami Khedira suchen. Solange das noch möglich ist. Dann könnte der von München nach Madrid gewechselte Nationalspieler aus erster Hand erfahren, wie es ist, das Profi-Dasein bei Real Madrid. Irgendwo zwischen gefeiert und abgeschoben werden.

Das sind die Pole, die die Weltmeister Kroos und Khedira zurzeit beim spanischen Rekordmeister besetzen. Der Ex-Münchner wird nach fünf Trainingstagen und einem Pflichtspiel bereits als der neue Taktgeber bei Real bejubelt, der frühere Stuttgarter hingegen gilt als einer, der nicht mehr dringlich gebraucht wird. Sein Weggang in den kommenden Tagen scheint mittlerweile fast schon beschlossene Sache zu sein.

Am Dienstag beim Supercup von Cardiff zwischen Real und dem FC Sevilla (2:0) hat Kroos sein Debüt im weißen Trikot der Spanier gegeben. Es war ein überlegener, von Souveränität getragener Auftritt, Kroos verteilte die Bälle umsichtig, hat seine Rolle als Zuspieler für die offensiven Rennpferde Karim Benzema, Gareth Bale, James Rodríguez und Cristiano Ronaldo augenscheinlich bereits angenommen. "Bei ihm sieht alles so grotesk leicht aus", feierte ihn der frühere englische Fußballstar und jetzige BBC-Experte Gary Lineker via Twitter. Real Madrid hat ab sofort einen neuen Mittelfeldstar.

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Supercup-Sieger: Kroos bejubelt, Khedira bedröppelt

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Ein alter Mittelfeldstar durfte sich das alles von der Tribüne aus anschauen. Für Sami Khedira war kein Platz im Kader. Für einen, der im Champions-League-Endspiel im Mai noch in der Startformation gestanden hatte, obwohl er damals noch lange nicht im Vollbesitz seiner Kräfte war, der mit dem Weltmeistertitel nach Madrid zurückgekehrt ist, der vier Jahre lang als Stütze im defensiven Mittelfeld galt. Aber bei den europäischen Topvereinen mit ihren opulenten Kadern gibt es kein vererbbares Wohnrecht mehr, bei Real gibt es das am allerwenigsten.

Khedira war nach der WM 2010 in Südafrika nach Madrid gewechselt, er kam auf besonderen Wunsch des damaligen Trainers José Mourinho, er kam zudem nicht alleine. Mit ihm wechselte Mesut Özil aus der Bundesliga in die Primera Division. Özil war eine Zeit lang das Mastermind im Mittelfeld, seine Pässe verwandelte Ronaldo zu Toren, er war eine Art Kroos-Vorgänger.

Aber irgendwann war Mourinho nicht mehr da, der neue Coach Carlo Ancelotti wollte unbedingt den Waliser Gareth Bale verpflichten, im Mittelfeld setzte er auf den Kroaten Luka Modric. Özil, der Passgeber, der Fädenzieher im Mittelfeld, wurde plötzlich nur noch als Investition gebraucht, nicht mehr auf dem Platz.

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Toni Kroos: Ein Mann für die Mitte

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Für 50 Millionen Euro verkaufte man ihn an den FC Arsenal, ein paar höhnische Worte als Nachruf gab es von der Real-freundlichen Presse obendrein. Als wäre er nur eine vernachlässigenswerte Fußnote in der Real-Geschichte gewesen. Es gibt nur wenige Spieler, die es auf Dauer bis in die Herzen der Real-Anhänger schaffen. Raùl, Iker Casillas, Zinedine Zidane. Sergio Ramos und Ronaldo dürften mittlerweile auch dazugehören.

Als eine Fahrstuhlmannschaft wird normalerweise ein Team bezeichnet, das sich ständig zwischen Auf- und Abstieg hin und her bewegt. Real Madrid ist in einem anderen Sinn auch ein Fahrstuhlteam. Hier sitzen die Stars im Fahrstuhl. Es geht rauf, und es geht wieder runter. So viele haben diese Erfahrung gemacht. Von Káka bis David Beckham.

Für Kroos fängt das Kapitel Real Madrid erst an, es ist gut angefangen, er befindet sich im Fahrstuhl nach oben. Die spanischen Medien feiern ihn, Trainer Carlo Ancelotti hat sich nach dem Spiel anerkennend über ihn geäußert: "Kroos und James sind sehr wichtig für das Team, sie verbessern die Mannschaft." Es sieht danach aus, als könnte der Münchner einen der begehrten Stammplätze im Mittelfeld erhalten. Vorerst. Bei Real Madrid ist alles vorerst.

Khedira und Özil haben diese Tage, diese Jubel-Schlagzeilen auch gehabt und genossen. Aber irgendwann war der nächste Superstar wichtiger. Es ist der ewige Real-Kreislauf, nach Özil erfährt das jetzt wohl Khedira, und Kroos wäre gut beraten, sich immer daran zu erinnern.

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