Neuer Hertha-Trainer Korkut Dieser Mann ist ein Chamäleon – und wird für Bobic zum Risiko

Hertha will ein Großklub werden, nun hat sich Sportchef Fredi Bobic nach dem Rauswurf von Pál Dárdai für eine sehr kleine Lösung entschieden: den nie lange erfolgreichen und zuletzt arbeitslosen Tayfun Korkut. Warum?
Neuer Hertha-Trainer Tayfun Korkut: Ausgerechnet er soll nun ein Team übernehmen, das den eigenen überhöhten Ansprüchen sehr weit hinterherläuft?

Neuer Hertha-Trainer Tayfun Korkut: Ausgerechnet er soll nun ein Team übernehmen, das den eigenen überhöhten Ansprüchen sehr weit hinterherläuft?

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Jan-Philipp Burmann / dpa

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Am Ende dieses selbst für Hertha-BSC-Verhältnisse erstaunlichen Tages sagte Tayfun Korkut zwei Sätze, die das Unterfangen mit ihm als neuen Cheftrainer nicht mehr ganz so wunderlich erscheinen lassen.

Nicht mehr so, als hätte jemand den Twitteraccount des Berliner Bundesligisten gehackt, als dort um kurz nach zehn Uhr am Montagmorgen verkündet wurde, dass Trainer Pál Dárdai entlassen sei und Korkut sein Nachfolger bis Saisonende werde.

Gefragt nach seinem Konzept, um die nach ihrer Identität suchende Mannschaft vom Tabellenplatz 14 wegzuführen, sagte Korkut: »Man muss ein Stück weit ein Chamäleon werden als Trainer. Man muss schauen, was die Mannschaft braucht, sich an sie anpassen und ihr dann Unterstützung geben.«

Das sind ziemlich leise Töne für einen Verein, der vor allem für laute Ansagen bekannt ist.

Seit der Unternehmer Lars Windhorst 374 Millionen Euro investiert hat, versucht Hertha krampfhaft, aus der eigenen Piefigkeit herauszuwachsen und ein Großklub zu werden. Mit Korkut hat sich Herthas Sportgeschäftsführer Fredi Bobic nun aber für eine sehr kleine Lösung entschieden.

Seit mehr als drei Jahren war Korkut arbeitslos. Bei seinen Stationen zuvor in Hannover, Kaiserslautern, Leverkusen und Stuttgart hatte der 47-Jährige zudem nie dauerhaft Erfolg. Bei den letzten drei Klubs verweilte er nie länger als 22 Spiele. Ausgerechnet er also soll nun ein Team übernehmen, das den eigenen überhöhten Ansprüchen sehr weit hinterherläuft?

Sind sie jetzt endgültig verrückt geworden bei Hertha?

Herthas Geschäftsführer Sport, Fredi Bobic: »Ich hatte nicht das Gefühl, dass sich viele Dinge verbessert haben«

Herthas Geschäftsführer Sport, Fredi Bobic: »Ich hatte nicht das Gefühl, dass sich viele Dinge verbessert haben«

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Fredi Bobic ist ein besonnener Mann. Als er am Montag gefragt wurde, warum er sich ausgerechnet jetzt von Dárdai getrennt hat, zwei Tage nach einem 1:1 gegen Augsburg, bei dem sein Team bis in die 97. Minute noch geführt hatte, sagte Bobic: »Ein Sieg oder eine Niederlage waren hier nicht entscheidend. Hätten wir 1:0 gewonnen, wäre die Entscheidung genauso gefallen.« Es gäbe nun einmal Zeitpunkte, an denen man handeln müsse. »Der war jetzt gekommen.«

Mit dem Namen Korkut, so hört man im Klub, hat sich der 50-Jährige schon seit Wochen beschäftigt. Beide kennen sich aus gemeinsamen Stuttgarter Zeiten, als Korkut 2011 U19-Trainer wurde, war Bobic Sportdirektor beim VfB. Was anmutet wie eine Verzweiflungstat, ist bei genauerer Betrachtung eine wohl doch etwas besser überlegte Entscheidung. Wie gut sie ist, das muss sich noch zeigen. Aber dass Korkut nun bei Hertha ist und dass sich dieser Wechsel auf dem Trainerposten schon seit längerer Zeit anbahnte, ist erst einmal kein gutes Zeugnis für den scheidenden Pál Dárdai.

Einen ernsthaften Konflikt zwischen Trainer und Sportchef, wie es zwischenzeitlich mal hieß, hat es zwar nicht gegeben. Auch nicht, als sich Dárdai nach einem 0:5 in München öffentlich über sein Standing im Klub beschwerte  und danach von Bobic dafür kritisiert wurde.

Aber Bobic hatte vom ersten Tag der Geschäftsübernahme bei Hertha im Sommer Zweifel am Berliner Rekordspieler Dárdai. Vor der neuen Saison, so erfuhr der SPIEGEL, sollte eigentlich eine größere Lösung her. Weil der Kandidat aber nicht zu bekommen war, durfte Dárdai weitermachen. Er hatte Hertha Ende Januar zum zweiten Mal übernommen und das völlig auseinandergefallene und später sogar in Quarantäne befindliche Team noch zum Klassenerhalt geführt. Der Klub verdankte ihm viel.

Ende des Durchwurschtelns

Als sich Hertha in der neuen Saison aber präsentierte wie ein Verein der vielen Gesichter, als permanent changiert wurde zwischen guten Auftritten wie beim Sieg gegen Gladbach und dann wieder erschreckenden Partien wie dem 0:2 im Stadtderby gegen Union Berlin, stieg bei Bobic immer mehr die Überzeugung, dass es einen Neuanfang braucht.

Bobic sagte, er habe in den vergangenen Wochen Erkenntnisse gesammelt. »Wenn man Gespräche führt, dann weiß man: Okay, da kommt noch mehr, oder nichts mehr oder man wurschtelt sich so durch.«

Durchwurschteln wollte sich Bobic jetzt nicht mehr. »Ich hatte nicht das Gefühl, dass sich viele Dinge verbessert haben«, sagte er.

In bisher 13 Saisonspielen hat Hertha nur 13 Tore erzielt. Das lag freilich auch an den Abgängen Matheus Cunha, Doki Lukebakio und Jhon Córdoba im Sommer – drei der gefährlichsten Angreifer. Aber von Hertha wusste man nie, was man bekommt. Zudem besitzt das Team die zweitschlechteste Abwehr der Liga (27 Gegentore). Mittlerweile liegt es nur noch einen Punkt vor dem Relegationsplatz.

»Wir haben einfach keine Weiterentwicklung der Mannschaft wahrnehmen können«, heißt es in der Klubführung über Dárdai.

Ex-Hertha-Trainer Pál Dárdai

Ex-Hertha-Trainer Pál Dárdai

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Mit Korkut ist nun ein Trainer da, der aus Sicht von Bobic besonders über eine Kerneigenschaft verfügt: »Seine große Stärke ist, dass er sich an das anpassen kann, was er vorgefunden hat.« Ein Trainer-Chamäleon.

In Stuttgart hatte er damit 2018 Erfolg. Damals übernahm Korkut den VfB ebenfalls auf Platz 14, machte ihn dann aber zur zweitbesten Mannschaft der Rückrunde und verpasste die Qualifikation zur Europa League nur knapp. Doch nach sieben Spielen in der neuen Saison und einem Ausscheiden im Pokal musste er gehen.

Schlechter lief es dafür bei Bayer Leverkusen. Im März 2017 übernahm Korkut das Team, holte aber nur zwei Siege aus elf Spielen. Bayer stand am Ende mit Platz zwölf noch desaströser da als vor Korkut.

Befreundet mit Ex-Bundestrainer Löw

Seit dem Ende in Stuttgart hat sich Korkut vornehmlich um seine drei Kinder gekümmert, sich Spiele angesehen und Kontakte gepflegt: unter anderem zu Bobic und dem ehemaligen Bundestrainer Joachim Löw. Beide verbindet eine Freundschaft, beide haben auch denselben Berater.

Löw wäre ja auch auf dem Markt gewesen, aber bei Hertha war er keine Überlegung, so hört man.

Eine große Lösung wie Löw, um all die Träume vom Europapokal zu verwirklichen, soll Korkut bei Hertha gar nicht sein. Bobic ist bewusst, dass die Berliner von diesem Ziel noch viel zu weit entfernt sind. Mit Korkut aber will er zumindest einen kleinen Schritt nach vorn machen. »Es geht darum, aus dem, was wir haben, das Optimale herauszuholen«, sagte der Sportgeschäftsführer.

Das größte Risiko trägt freilich Bobic selbst. Nach seiner erfolgreichen Zeit in Frankfurt genießt er bisher in der Branche und auch bei Hertha einen tadellosen Ruf. Geht die Sache mit Korkut allerdings schief, ist Bobic schwer beschädigt.

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