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Manchester-United-Kinofilm Klassentreffen mit dem "Lackaffen" Beckham

Sie prägten ein ganzes Fußball-Jahrzehnt in England: David Beckham, Paul Scholes und Co. bildeten die legendäre "Klasse von 92" bei Manchester United. Sie bejubelten Titel in Liga und Champions League. Jetzt feiern sie ein spektakuläres Comeback - im Kino.
Von Carsten Germann

Paul Scholes war skeptisch. Ein Kinofilm über ihn und seine Weggefährten, die als "Klasse von 1992" berühmt gewordenen Superstars von Manchester United - war das wirklich eine gute Idee? Er hatte Bedenken.

"Paul fragte mich, ob wir tatsächlich einen Film machen wollen und ob er auch zur Premiere kommen müsse", sagt Regisseur Gabe Turner SPIEGEL ONLINE: "Er weigerte sich zuerst hartnäckig." Die Zweifel des schüchternen Scholes verflogen jedoch, als sich die Gruppe im Juli zu den Dreharbeiten des Films "The Class of 92" in Manchester traf. Alle waren sie gekommen: David Beckham, Nicky Butt, Ryan Giggs und die Brüder Gary und Phil Neville. Und die Laune war von Beginn an bestens.

An Schauplätzen wie dem Old-Trafford-Stadion oder dem ehemaligem United-Trainingsgelände "The Cliff" in Broughton entstand in nur wenigen Wochen der Dokumentarfilm, der die Geschichte der jungen Kicker von Manchester United erzählt, deren Siegeszug vor 21 Jahren mit dem Gewinn des englischen Jugendpokals gegen Crystal Palace begann. Das war United zuletzt 1964 gelungen, damals noch mit George Best.

Uniteds schottischer Coach Alex Ferguson, damals 50 Jahre alt, integrierte Scholes, Beckham und Co. in den wieder aufstrebenden Traditionsclub aus Manchester und entwickelte ihn so zum Branchenriesen der neu gegründeten englischen Premier League. "Sie haben diese Liga zu dem gemacht, was sie heute ist", sagt Turner.

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The Class of 92: Beckham, Giggs, Scholes und Co.

Foto: Gary M. Prior / Getty Images

Die Jungen waren das Herz der überragenden United-Mannschaft der neunziger Jahre, die vier Meistertitel und zwei Pokalsiege holte, ehe sie sich 1999 durch das historische Triple aus Gewinn der Premier League, dem englischen Pokal und Champions League selbst krönte. Das Finale gegen den FC Bayern München (2:1) in Barcelona und der Empfang in Manchester durch 500.000 Fans bilden auch den emotionalen Höhepunkt des Films.

Überhaupt lebt der Film von seinen hoch emotionalen Aufnahmen. Dazu gehören zweifellos die Jubelszenen nach Ryan Giggs' Slalom-Tor im Pokal-Halbfinale gegen den FC Arsenal 1999. Der Waliser, als Einziger aus dem Sextett noch heute aktiv, setzte vor diesem Treffer zu einem Solo über mehr als 60 Meter an. Vier Arsenal-Spieler taumelten ins Leere, und Giggs vollendete aus 16 Metern ins linke obere Eck.

Das Erfolgsgeheimnis der Truppe? Jugendliche Unbekümmertheit, gepaart mit exzellenten fußballerischen Fähigkeiten - und ein fast blindes Verständnis auf- und außerhalb des Rasens. "Wir spielten tollen Fußball, hatten Spaß und liebten Manchester United", sagt Beckham. Eifersüchteleien, so der Superstar, habe es untereinander nie gegeben. Kritiker wie der Ex-Liverpooler Alan Hansen, der der jungen Truppe als BBC-Experte kaum eine Chance gab ("Mit Kindern kannst du nichts gewinnen"), verstummten schnell.

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Scholes, Beckham und Co. sorgten mit United für Aufbruchstimmung im englischen Fußball. "Diese Jungs waren Teil einer massiven, aber lautlosen Revolution in diesem Land", sagt Regisseur Turner. Während Bands wie Oasis oder Take That für einen neuen Zeitgeist in Großbritannien standen und Tony Blairs New Labour 1997 einen politischen Umbruch symbolisierte, lieferten Beckham und Co. die fußballerischen Erfolge. "Die Musik, die Politik, aber auch der Fußball haben sich verändert", beschreibt Phil Neville im Film die bewegten Neunziger.

Auf dem "Cliff", wo vor 22 Jahren alles begann, laufen Beckham, Neville und Co. - immer noch gut in Form - in roten Trikots von damals auf. In hellblau-weißen Ausweichtrikots sind auch die Spieler des Jugendteams zu sehen, die es später nicht geschafft haben. Etwa Robbie Savage, der Waliser musste den Club 1994 verlassen, Raphael Burke bereits 1993. Er arbeitete später auf einem Obst- und Gemüsemarkt. Savage ist heute als TV-Experte tätig.

Ganz anders die sechs Superstars, die von den Machern der Dokumentation als "Jungs aus der Arbeiterklasse" stilisiert werden. Butt kommt aus Manchester, die Nevilles und Scholes aus den tristen Industrieorten Bury und Salford. Der stille David Beckham wächst in der Londoner Vorstadt Leytonstone auf und ist der Truppe um Anführer Gary Neville zunächst suspekt, er hält den begnadeten Linksfuß für den "Lackaffen aus London". Doch beide freunden sich schnell an.

Vier aus der "Klasse von 92" haben ihr die Geschichten ihres weitgehend öffentlichen Lebens noch während ihrer aktiven Karriere in Büchern niederschrieben. Warum also dieser Film? "Es gibt immer noch genügend neuen Stoff über sie", sagt Turner. Zum Beispiel bislang unveröffentlichte Fußballszenen aus den Anfangsjahren - und Einblicke, wie sie miteinander umgehen: Wenn die sechs mit einem Glas Rotwein beim Abendessen sitzen, scherzen sie immer noch im Manchester-Dialekt.

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