kicker.tv

Nationalspieler Thomas Müller "Die Italiener sind die fairsten Sportsmänner überhaupt"

Viele Fußballer fürchten die Italiener als Gegner, Thomas Müller freut sich auf das Spiel. Hier verrät er, was er an den Azzurri schätzt und warum es ihm egal ist, dass er noch nicht getroffen hat.

SPIEGEL ONLINE: Thomas Müller, am Samstag geht es im Viertelfinale gegen den alten Rivalen Italien. Häufig war in den vergangenen Tagen zu hören: Bloß nicht gegen die Italiener. Was ist mit Ihnen?

Müller: Bei mir ist es ganz anders. Ich mag die Spiele gegen italienische Mannschaften, für mich sind das die fairsten Sportsmänner überhaupt.

SPIEGEL ONLINE: Wie bitte?

Müller: Ja, wirklich, ich halte mich nicht an die Italien-Klischees, sondern eher an das, was ich selbst erfahre und beobachte. Auf dem Platz sind das einfach gute Typen. Freundlich, fair, und wenn es mal gerumpelt hat, dann wird einem wieder aufgeholfen. Ich habe die gerne.

SPIEGEL ONLINE: Aber all das Zeitspiel, das theatralische Sich-Fallenlassen?

Müller: Ach, Gott, wenn wir in der 88. Minute 1:0 führen, dann sprinte ich auch nicht im vollen Tempo zur Seitenlinie, um den Einwurf auszuführen. Das erwarte ich dann von mir und von meiner Mannschaft, dass sie dann auch ein bisschen clever spielt.

SPIEGEL ONLINE: Und? Werden Sie in der 88. Minute 1:0 führen?

Müller: Tja, keine Ahnung, ich bin eigentlich ganz zuversichtlich. Die Italiener spielen schon ein sehr starkes Turnier, aber wir haben auch unsere Chance. Wenn wir früh pressen, dann haben wir Möglichkeiten in der Balleroberung, da werden wir unsere Räume bekommen. Außerdem: Gegen die Spanier waren die Italiener schon sehr gut, aber gegen Belgien zum Beispiel habe ich sie nicht so stark gesehen, wie sie anschließend beschrieben wurden.

SPIEGEL ONLINE: Die Italiener werden immer als Meister der Verteidigung bezeichnet. Hier bei der EM überzeugen Sie aber auch offensiv. Hat Sie das erstaunt?

Müller: Das ist auch so ein Italien-Klischee. Es hat ja nie gestimmt, dass die Italiener nur Abwehr können. So einer wie Andrea Pirlo war ja auch eher ein feines Füßchen als von der Abteilung Rasierklinge. Jedes Team, das hier bei der EM gewinnen will, muss irgendwann nach vorne kommen. Die Italiener genauso wie wir.

SPIEGEL ONLINE: Ein Müller-Tor könnte dabei nicht schaden.

Müller: Ich mache mir darüber gar nicht so viele Gedanken wie die Öffentlichkeit. Dass ich bisher bei der EM noch nicht getroffen habe, das nagt nicht an mir, ganz ehrlich. Wenn wir Erfolg haben, macht mir das großen Spaß auf dem Platz. Ich bin da ganz entspannt.

SPIEGEL ONLINE: Und das sollen wir glauben?

Müller: Ja, ich setze mir ohnehin nie eine persönliche Tormarke. Und gegen Nordirland war ich schon ein paar Mal ganz nah dran. Wäre einer von den Bällen reingegangen, würde heute kein Mensch über das Thema sprechen.

SPIEGEL ONLINE: Komisch ist es aber doch, bei zwei WM-Turnieren haben Sie zehn Mal getroffen, in bisher neun EM-Spielen noch gar nicht.

Müller: Was soll ich dazu sagen? Das Eine hat mit dem Anderen einfach nichts zu tun. Jedes Spiel zählt für sich, und was irgendeine Statistik aus der Vergangenheit sagt, hat für die Gegenwart oder Zukunft gar keinen Wert. Dass ich in der Champions League in dieser Saison gegen Juventus Turin getroffen habe, dafür kann ich mir doch hier nichts kaufen. Kein Spieler kann sich auf den Leistungen der Vergangenheit ausruhen. Man muss sich immer wieder neu beweisen. Daher halte ich das auch mit dem Angstgegner Italien für Unsinn.

SPIEGEL ONLINE: Gegen den Deutschland beim Turnier noch niemals gewonnen hat.

Müller: Genau. Aber das ist eben die Vergangenheit. Mit dem Spiel am Samstag hat das gar nichts zu tun.

Das Gespräch führte Peter Ahrens, es entstand in einer gemeinsamen Poolrunde mit anderen Kollegen.

Thomas Müller im Video: "Mich interessiert das nicht so"

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren