Nationalspieler Toni Kroos Der Schlüssel hat nicht gepasst

Toni Kroos ist der beste Fußballer in der Nationalelf. Er hat die Probleme innerhalb des Teams früh erkannt - und konnte das WM-Aus doch nicht verhindern. Für die Bewertung seiner Karriere ist das nicht unwichtig.
Toni Kroos nach dem Aus

Toni Kroos nach dem Aus

Foto: Ina Fassbender/ dpa

Im Rückblick schrumpft die Karriere von vielen bedeutenden deutschen Nationalspielern im Nachhinein auf ein Spiel, ein Tor, einen Moment zusammen. Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen, Gerd Müllers Siegtor im WM-Finale gegen die Niederlande 1974, Toni Schumachers Knock-out gegen Patrick Battiston, Andreas Brehmes Elfmeter 1990, Stefan Effenbergs Mittelfinger, Mario Götzes Final-Treffer gegen Argentinien vor vier Jahren.

Bei Toni Kroos ist das nicht so einfach.

Um die Geschichte von Kroos in der deutschen Nationalmannschaft zu erzählen, muss vorab eines klargestellt werden: Der Mittelfeldspieler von Real Madrid ist einer der wenigen Weltklasse-Spieler im Kader von Bundestrainer Joachim Löw. Manuel Neuer gehört dazu, in Bestform und bei absoluter Fitness auch Jérôme Boateng, Timo Werner kann es in Zukunft mal werden. Dann hört es schon auf. Kroos musste sich immer viel Kritik anhören, er sei lauffaul, langsam und nur querpassend. Aber wer das glaubt, hält auch Körpersprache für ein entscheidendes Kriterium bei der Bewertung von Fußballern.

86 Länderspiele, drei Schlaglichter

Kroos ist 28 Jahre alt, deshalb wäre es sehr überraschend, sollte er nach dem epochalen Vorrundenaus bei der WM 2018 seine Karriere beenden. Irgendwann in der Zukunft wird Kroos es tun müssen, und dann werden die Beobachter es schwer haben, diesen einen Moment, der alles überstrahlt, zu benennen. 2010 begann Kroos' DFB-Karriere, seitdem hat er 86 Länderspiele bestritten, in der Regel als Taktgeber mit außerordentlichen Passquoten.

Zunächst blieb das EM-Halbfinale 2012 im Gedächtnis. Kroos musste, entgegen seiner Spielweise und aus taktischen Gründen, den Bewacher von Italiens Spielmacher Andrea Pirlo mimen. Deutschland verlor 1:2, auch weil Löw von seiner Spielweise abwich. Und Kroos war das Gesicht des Misserfolgs. Dann kam zwei Jahre später das sagenhafte WM-Halbfinale gegen Brasilien. Kroos erzielte zwei Tore und war das heiße Messer, das durch die Butter-Abwehr der Seleção glitt. Nun ist es 2018, und Kroos erzielte im zweiten Gruppenspiel gegen Schweden das Siegtor in der 95. Minute. Ein Jahrhunderttor, hieß es tagelang. Übrig bleibt ein Kater, der Fußball-Deutschland noch Tage, Wochen oder gar Monate beschäftigen wird.

Kroos (ganz links) trifft gegen Schweden

Kroos (ganz links) trifft gegen Schweden

Foto: Sergei Grits/ dpa

Kroos' ruhmreiche Vereinskarriere nahm nach den Jugendstationen beim Greifswalder SC und bei Hansa Rostock beim FC Bayern Fahrt auf. Nach einem Leihjahr bei Bayer Leverkusen entwickelte er sich in München seit 2010 zu einem Schlüsselspieler, wurde 2013 unter Mentor Jupp Heynckes Champions-League-Sieger - und verließ den Verein ein Jahr später Richtung Real Madrid. Für eine Ablöse von 25 Millionen Euro. Bei Real freuen sie sich noch heute über dieses Sonderangebot.

In München trauten Kroos die Verantwortlichen um Uli Hoeneß, zu dem Zeitpunkt mit anderen Millionenbeträgen beschäftigt, nicht den Sprung zum Führungsspieler zu. Deshalb wurde ihm auch nicht das Gehalt eines solchen Führungsspielers angeboten, und Real griff begeistert zu. Die Diskussion um fehlende Qualitäten als Leader begleitet Kroos schon lange, dabei sieht er sich einfach nur nicht als Person des öffentlichen Lebens und zieht sich lieber ins Private zurück.

In Madrid ist das kein Problem, da sind die Schatten von Cristiano Ronaldo, Sergio Ramos oder Gareth Bale so lang, dass Kroos sich gar nicht in der Öffentlichkeit sonnen muss. In der Nationalmannschaft ist das seit dem seichten Umbruch 2014 anders. Und Kroos hat die Rolle als Führungsspieler angenommen.

Kroos wird zum Schlüsselspieler

Das erste Ausrufezeichen setzte er im vergangenen März, als er nach der 0:1-Niederlage gegen Brasilien in Berlin die um ihre WM-Chance kämpfenden Ersatzspieler kritisierte. "Einige hatten heute die Chance, sich zu zeigen", sagte Kroos damals - und hätten sie einfach nicht genutzt. Einige Wochen später, die DFB-Elf weilte zur Vorbereitung auf Russland in Südtirol, sagte Kroos bemerkenswerte Sätze, die hätten aufhorchen lassen sollen: "Wir müssen wie 2014 in Brasilien das Gefühl entwickeln, eine Einheit zu sein", sagte Kroos dem SPIEGEL in Eppan. "Ganz wichtig ist, dass wir mit absoluter Hingabe verteidigen. Wir müssen wieder dahinkommen, dass unsere Gegner wieder sagen, oha, das sind die Deutschen, die sind sehr unangenehm zu spielen, weil die immer alle zusammen verteidigen." Die Probleme der DFB-Elf waren bekannt, Mats Hummels äußerte ähnliche Kritik, und doch siegte der Gedanke, am Ende werde es schon funktionieren. Wie immer. Das darf auch als Selbstkritik verstanden werden.

Was man Kroos nicht nehmen kann: Er ist Weltmeister 2014. Er ist aber auch der Schlüsselspieler der schlechtesten deutschen WM-Elf der Geschichte.

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