Torwart-Querelen beim FC Bayern Die Kraft-Probe

Bayern-Trainer Louis van Gaal riskiert erneut Machtspielchen mit der Führungsspitze des Vereins. Im Alleingang tauscht er den bewährten Torwart Hans-Jörg Butt gegen den unerfahrenen Thomas Kraft aus. Tatsächlich bringt der Coach die Münchner aber in eine komfortable Position.
Von Jan Reschke
Torhüter Butt (l.) und Kraft (r.): Vertauschte Rollen

Torhüter Butt (l.) und Kraft (r.): Vertauschte Rollen

Foto: Andreas Gebert/ dpa

Zuletzt herrschte im sonnigen Wintertrainingslager in Katar trotz verkorkster Hinrunde scheinbar wieder beste Laune beim FC Bayern. So erklärte Franck Ribéry nach einigen verbalen Scharmützeln mit Trainer Louis van Gaal, wieder mit Spaß bei der Sache zu sein. Der lange verletzte und vermisste Flügelmann Arjen Robben trainierte eifrig mit der Mannschaft. Das gesamte Team strotzt offenbar geradezu vor Tatendrang, in der Liga noch einmal richtig anzugreifen.

Doch das Idyll hielt nur wenige Tage. Schuld daran ist der zuweilen äußerst eigenwillige van Gaal. Völlig überraschend und ohne Not hatte er nach Informationen der "Bild"-Zeitung dem bisherigen Stammtorwart Hans-Jörg Butt mitgeteilt, in der Rückrunde auf den unerfahrenen Thomas Kraft setzen zu wollen.

Ein Affront, nicht nur gegen Butt, der sich in dieser Saison keine größeren Fehler hat zuschulden kommen lassen und zuverlässig seine Leistung gebracht hat. Sondern auch gegen die Führungsetage des FC Bayern. Denn van Gaal soll den Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge, Stellvertreter Karl Hopfner und Manager Christian Nerlinger erst informiert haben, nachdem er den Torleuten seinen Entschluss mitgeteilt hatte.

Verhältnis des Trainers zu den Führungskräften schon länger belastet

Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" soll Nerlinger, der sich vereinsintern schon häufiger als Fürsprecher van Gaals hervorgetan hat, schockiert auf die Mitteilung reagiert haben. Das Verhältnis des Trainers zu den Führungskräften des Clubs ist schon länger belastet. Erst im Herbst beschwerte sich Präsident Uli Hoeneß über die Beratungsresistenz van Gaals. Seinen jetzigen Entschluss hat der Coach erneut ohne Rücksprache gefällt.

Öffentlich zeigte sich der Niederländer noch zurückhaltend, was einen möglichen Torwartwechsel angeht: "Das werden wir abwarten, weil ich das jetzt noch nicht sagen werde." Doch beim Trainingsspiel stand Kraft bereits im Tor des A-Teams. Für Torjäger Mario Gomez ist das "sicherlich ein Zeichen". Am Samstag im Testspiel gegen den katarischen Erstligisten Al-Wakrah sollen beide Torhüter zum Einsatz kommen, kündigte van Gaal an.

"Weitreichende Konsequenzen"

Nach Informationen der "SZ" will Manager Nerlinger den Wechsel aber keinesfalls mittragen. Es heißt, van Gaal riskiere mit dem Alleingang "sogar weitreichende Konsequenzen". Das lässt sich als Drohung verstehen: Entweder van Gaal stellt Butt ins Tor - oder sein Job ist nicht mehr sicher.

Mal abgesehen von der Befindlichkeit Butts, der sich bislang zu seiner Situation nicht geäußert hat, ist der Wechsel auch aus Sicht der Bayern-Führung extrem ärgerlich. Immer noch diskutiert wird schließlich ein möglicher Transfer von Nationalkeeper Manuel Neuer zum deutschen Rekordmeister, der durch das Torwarttheater sicherlich nicht einfacher zu bewerkstelligen sein wird.

Doch an sich sollten die Bayern-Bosse ihrem Trainer dankbar sein. Mit dem Wechsel von Butt zu Kraft manövriert van Gaal die Bayern in vielerlei Hinsicht in eine dankbare Position. Aus mehreren Gründen:

  • Der FC Bayern könnte viel Geld sparen. Wenn Kraft die Erwartungen erfüllt - und davon dürfte sich van Gaal in seiner Amtszeit bei den Bayern hinreichend überzeugt haben - wäre der Club nicht darauf angewiesen, Millionen Euro für einen neuen Torwart auszugeben.
  • Neuer gerät unter Zugzwang: Es würde Zeit für ein klares Bekenntnis, für welchen Club er künftig auflaufen will. Das würde für die beteiligten Clubs die Planungen erleichtern.
  • Sollte Kraft die Erwartungen nicht erfüllen, hat van Gaal noch in einem frühen Stadium der Rückrunde die Möglichkeit, doch wieder auf Butt setzen.
  • Anders als noch beim missglückten Übergang von Oliver Kahn zu Michael Rensing würden sich dem Club durch den Wechsel mehr Optionen bieten und genügend Zeit gewonnen werden, einen geeigneten Nachfolger zu finden.
  • Butt ist bereits 36 Jahre alt. Sein Vertrag endet ohnehin im Sommer. Und selbst ein beleidigter Butt auf der Bank dürfte sich mit öffentlichen Forderungen zurückhalten, will er doch im Anschluss an seine Karriere als Jugendkoordinator der Bayern arbeiten und keineswegs als unbequem gelten.
  • Der mögliche Wechsel zu Kraft geschieht zu einem äußerst günstigen Zeitpunkt. Die Meisterschaft ist bei 14 Punkten Rückstand zu Tabellenführer Borussia Dortmundohnehin schon abgeschrieben, die Qualifikation für die Champions League sollte auch mit Kraft mühelos gelingen.

Doch die machtbewusste Münchner Führungsriege sieht die Problematik wohl aus einer ganz anderen Warte. Auf eine einfach Formel gebracht könnte es dort heißen: Torwart oder Trainer.

Mit Material vom sid
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