

Am Ende eines bewegten Abends saß Mauricio Pochettino im Pressesaal des neuen Stadions, der mit seinen Ledersesseln riecht wie das Innere eines Neuwagens, und sprach über Druck. Natürlich, sagte der argentinische Trainer von Tottenham Hotspur: "Es gab ein bisschen Druck. Aber unsere Leistung war gut. Es fängt schon an, sich nach Zuhause anzufühlen."
Sein Klub hatte mit der Partie gegen Crystal Palace (2:0) endlich sein rund eine Milliarde Pfund teures Stadion eröffnet, mit fast einer kompletten Saison Verspätung. Es wurde nur leicht versetzt zu der Stelle errichtet, an der bis 2017 die White Hart Lane gestanden hatte. Der Anstoßpunkt der alten Spielstätte ist im Boden des South Stand der neuen Arena markiert.
Der Abend wurde als große Heimkehr inszeniert. "Welcome Home" stand auf Bannern an den Laternenmasten an der Tottenham High Road, an der die Arena liegt wie ein riesiges Raumschiff, das in dem dicht besiedelten Viertel gelandet ist. "Welcome Home" leuchtete es von den Videowänden an der Fassade, als die Zuschauer vor dem Anpfiff mit schnellen Schritten durch den plötzlich einsetzenden Schneeregen zu der neuen Spielstätte strömten. "Welcome Home" stand auf Zehntausenden blauweißen Fahnen, die der Verein im Stadion hatte verteilen lassen.
"Solche Momente behält man für immer im Herzen"
"Es gab ein bisschen Druck": Nicht nur den Druck, den jede Premiere mit sich bringt. Nicht nur den Druck, der sich in der langen Wartezeit aufgebaut hatte, sondern auch den sportlichen Druck: Ins Eröffnungsspiel gingen die Spurs mit der schlechtesten Serie, die sie in fünf Jahren unter Pochettino je erlebt hatten: vier Niederlagen aus fünf Premier-League-Spielen. Nach einer mäßigen ersten Hälfte gegen Crystal Palace gelang die Eröffnung aber durch zwei Tore im zweiten Durchgang. Tottenham rückte wieder auf den dritten Platz vor.
Bei der Eröffnungszeremonie vor dem Anpfiff waren zuvor auf den riesigen Anzeigetafeln in den vier Ecken des Stadions Bilder von der alten White Hart Lane gezeigt worden, Chöre traten auf, ein Feuerwerk erhellte den grauen Himmel über Nordlondon. Die Gesänge der Fans wurden mit besonderer Euphorie vorgetragen nach der Heimkehr aus dem Exil im Wembley-Stadion nach fast zwei Saisons. Nach der Partie sprach Trainer Pochettino davon, dass er "so stolz und so glücklich" sei: "Solche Momente behält man für immer im Herzen und in den Erinnerungen."
Seine Begeisterung war verständlich. Das neue Stadion mit Platz für mehr als 62.000 Zuschauer ist ein Prachtbau, der sich mit den bedeutendsten Arenen Europas messen kann. Die Zuschauer sind nah am Spielfeld, die Ränge sind steil. So fühlt sich die Spielstätte trotz ihrer Größe kompakt an. Der South Stand soll die englische Variante der Dortmunder Südtribüne sein. Hier entsteht die Stimmung.
Der Klub will einer der größten der Welt werden
Die Akustik des Stadions ist herausragend. Es mag nicht so laut sein wie zum Beispiel die Anfield Road in Liverpool an guten Tagen, dafür klingt es anmutiger und voller, wenn die Zuschauer ihr langgezogenes "Ooooooooh when the Spurs... gooooooo marching in" singen. Die Arena ist ein zentraler Baustein in Tottenhams Plan, zu "einem der größten Klubs der Welt" (Vorstand Daniel Levy) aufzusteigen, und hat beste Voraussetzungen, eine Kultstätte des modernen Fußballs zu werden.
Allerdings wurde gegen Crystal Palace auch ersichtlich, dass das Stadion allein noch keine Stimmung erzeugt. Wenn auf dem Rasen nichts passierte, war es oft auch auf den Rängen still. Wie in jeder anderen Spielstätte der Premier League waren zeitweise nur die Gästefans zu hören. "Is this the Emirates?", höhnten sie nach einer knappen halben Stunde, als Anspielung auf das als nicht besonders mitreißend bekannte Ambiente im Stadion des Lokalrivalen FC Arsenal.
Beim Abpfiff blieben größere Feierlichkeiten aus. Tottenhams Fans jubelten kurz, schwenkten noch einmal ihre Fahnen und verließen die neue Heimat zügig.
Die Eröffnung ist gelungen. Crystal Palace war ein dankbarer Gegner, den die Mannschaft wohl auch unter Ausschluss der Öffentlichkeit besiegt hätte. Am Dienstag (21 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE; TV Sky) ist Manchester City im Viertelfinalhinspiel der Champions League zu Gast im Norden Londons. Die Champions League, das ist der Maßstab für den sportlichen und auch für den finanziellen Erfolg des Klubs.
Die Voraussetzungen dafür sind gut: Am Tag nach dem Spiel veröffentlichte Tottenham seine Geschäftszahlen der Vorsaison. Der Gewinn betrug demnach 2017/2018 113 Millionen Pfund nach Steuern. Das entspricht 132 Millionen Euro - und ist der größte Profit, den je ein Fußballklub auf der Welt gemacht hat.
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Macht auch aus der Ferne eine gute Figur, das Tottenham-Hotspur-Stadion. Ursprünglich sollte es schon im September 2018 eingeweiht werden, doch irgendwie kam immer irgendwas dazwischen. Probleme bei den Bauarbeiten, Mängel beim Brandschutz, Berliner kennen das.
Am Mittwochabend war es dann so weit: Mit dem Premier-League-Spiel gegen Crystal Palace wurde das Tottenham-Hotspur-Stadion auch offiziell eingeweiht.
Und die neue Heimat der Spurs, sie hat einiges zu bieten. Sie beherbergt 62.062 Zuschauer, hat eine eigene Brauerei und die längste Bar Englands.
War aber auch nicht ganz billig, der Spaß: Britische Medien berichten, die Kosten beliefen sich auf über eine Milliarde Pfund.
Da wurde natürlich auch an den Effekten nicht gespart. Schon bevor die Premieren-Partie gegen Crystal Palace angepfiffen wurde, leuchtete das Stadion feierlich.
Die Fans schienen sich jedenfalls zu freuen, dass ihr Klub nach fast zwei Jahren im Wembley-Stadion an die White Hart Lane zurückkehrt. Denn auf dem Grund der alten Arena wurde nun die neue errichtet.
Auf den Fahnen, die die Tottenham-Anhänger schwenkten, stand: "Welcome Home".
Natürlich hat auch der goldene Hahn, das Wappentier von Tottenham, einen Platz gefunden. Er thront auf dem Dach der Arena.
Bei manchem Fan flossen Tränen. Ob es die Erinnerungen an die alte White Hart Lane waren oder doch die Freude über die neue Heimat?
Fußball wurde dann auch noch gespielt. Und wie: Tottenham gewann 2:0, hier jubelt Heung-min Son, nachdem er das erste Pflichtspieltor im neuen Stadion erzielt hat.
Wembley-Stadion
Heimstätte von: Englands Nationalmannschaft
Eröffnung: 17. März 2007
Zuschauerkapazität: 90.000 Plätze
Camp Nou
Heimstätte von: FC Barcelona
Eröffnung: 24. September 1957
Zuschauerkapazität: 96.636 Plätze (international)
Estádio da Luz
Heimstätte von: Benfica Lissabon
Eröffnung: 25. Oktober 2003
Zuschauerkapazität: 65.647 Plätze
Olympiastadion Kiew
Heimstätte von: Dynamo Kiew
Eröffnung: 12. August 1923 / 8. Oktober 2011 (nach Umbau)
Zuschauerkapazität: 70.050 Plätze
Estadio Santiago Bernabéu
Heimstätte von: Real Madrid
Eröffnung: 14. Dezember 1947
Zuschauerkapazität: 85.454 Plätze
Friends Arena (Stockholm)
Heimstätte von: AIK Solna
Eröffnung: 27. Oktober 2012
Zuschauerkapazität: 51.060 Plätze
Allianz Arena
Heimstätte von: Bayern München, 1860 München
Eröffnung: 30. Mai 2005
Zuschauerkapazität: 67.812 Plätze (international)
Atatürk-Olympiastadion (Istanbul)
Heimstätte von: Istanbul Büyükşehir Belediyespor
Eröffnung: 31. Juli 2002
Zuschauerkapazität: 76.092 Plätze
Amsterdam Arena
Heimstätte von: Ajax Amsterdam
Eröffnung: 14. August 1996
Zuschauerkapazität: 52.960 Plätze
Olympiastadion Berlin
Heimstätte von: Hertha BSC
Eröffnung: 1. August 1936
Zuschauerkapazität: 74.244 Plätze
Giuseppe-Meazza-Stadion (San-Siro-Stadion)
Heimstätte von: Inter Mailand, AC Mailand
Eröffnung: 19. September 1926
Zuschauerkapazität: 82.955 Plätze
Stade de France (Paris)
Heimstätte von: -
Eröffnung: 28. Januar 1998
Zuschauerkapazität: 81.338 Plätze
Ernst-Happel-Stadion (Wien)
Heimstätte von: -
Eröffnung: 11. Juli 1931
Zuschauerkapazität: 50.865 Plätze
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