Trainersuche beim FC Bayern Der Verein bin ich - Nein, ich!

Karl-Heinz Rummenigge (l.) und der scheidende Uli Hoeneß: Ihre Machtspielchen haben den FC Bayern gelähmt
Foto: Alexander Hassenstein / Getty ImagesBei Aussagen von Karl-Heinz Rummenigge fällt es meist leicht, zwischen den Zeilen zu lesen. Das ist bei seinen Abschiedsworten an den scheidenden Trainer nicht anders: "Ich möchte mich im Namen des FC Bayern bei Niko Kovac für seine Arbeit, besonders für den Gewinn des Doubles in der vergangenen Saison bedanken", so wurde der Vorstandschef des FC Bayern am Sonntagabend zitiert. Mit anderen Worten: eigentlich für nichts anderes als für das Double.
Das bedeutet im Umkehrschluss: Kovac musste oder wollte gehen, weil mit ihm voraussichtlich keine Titel mehr zu gewinnen sind. Und es bedeutet weiterhin: Der Nachfolger sollte vor allem ein Titelgarant sein. Um was sollte es auch sonst gehen beim FC Bayern?
Rummenigges erste Wahl wäre eigentlich Tuchel
Wovon hängt es Anfang November 2019 ab, wer der nächste Trainer beim FC Bayern München wird? Kann Karl-Heinz Rummenigge jetzt schon durchstarten in Sachen Alleinherrschaft? Oder greift der in nicht einmal zwei Wochen scheidende Uli Hoeneß noch einmal ein? Seinen eigenen Nachfolger hat Hoeneß in Herbert Hainer schon installiert. Aber wie wichtig ist es dem Präsidenten, vor seinem großen Abschied am 15. November in der Olympiahalle noch einmal ein Zeichen zu setzen? Oder noch besser: genau an diesem Abend einen Nachfolger aus dem Hut zu zaubern, einer, der die zurzeit durchaus aufgebrachten Fans befriedet?
Die Machtspielchen zwischen Rummenigge und Hoeneß waren lange Zeit ausschlaggebend für die Ausrichtung des Vereins. Jetzt verändern sich gerade die Spielregeln. Und so gibt es verschiedene Szenarien, von denen sich in den kommenden Tagen eines herauskristallisieren wird.
Losgelöst von all den Fragen, wer überhaupt gerade auf dem Markt ist, losgelöst von der Frage, wie viel die Verpflichtung kostet, und vor allem losgelöst von Uli Hoeneß: Wen würde Karl-Heinz Rummenigge als erstes anrufen? Es wäre wahrscheinlich Thomas Tuchel. Erstens war es Hoeneß, der sich 2018 gegen diesen Einkauf ausgesprochen hatte, und Hoeneß ist bald weg. Zweitens steht Tuchel bei Paris Saint-Germain immer wieder in der Kritik, angeblich auch bei den Spielern. Er könnte offen sein für neue Angebote - selbst dann, wenn diese finanziell weniger einträglich sind. Tuchel wäre aus Rummenigges Sicht der beste Titelgarant.
Wen würde Hoeneß anrufen? Wohl kaum Jupp Heynckes, auch wenn dieses Szenario in den sozialen Medien gerade Hochkonjunktur hat. Die Frage ist nur, wer ihm sonst noch einfällt. Das letzte Mal war es ja Niko Kovac. Es müsste auf jeden Fall jemand sein, der die Klub-Maxime "mia san mia" ausstrahlt. Einer, der dafür sorgt, dass dem FC Bayern nicht die Identifikationsfiguren ausgehen, jetzt, da die größte Identifikationsfigur vor dem Abschied steht. Es müsste jemand sein wie Mark van Bommel, zur Not ginge auch noch der ehemalige U23-Spieler Ralph Hasenhüttl, der aktuell beim FC Southampton unter Vertrag steht.
Erik ten Hag von Ajax wäre eine gemeinsame Lösung
Aus dem eigenen Leistungszentrum, auf das Hoeneß stolz ist, bietet sich aktuell niemand an, aufgrund mangelnder Erfahrung. Sein Neffe Sebastian Hoeneß zum Beispiel hat mit der U23 gerade seine erste Männermannschaft übernommen. Der 137-fache Nationalspieler Miroslav Klose trainiert die U17, hat aber nur die A-Lizenz. Eine Beförderung zur U19 lehnte Klose im Sommer ab, weil er sich dafür noch nicht bereit sah.
Es ist natürlich auch noch möglich, dass sich die beiden noch einmal zusammenraufen und eine gemeinsame Lösung finden. Dann könnte die Wahl auf Erik ten Hag fallen. Rummenigge mag ihn, weil er international anerkannt schönen Fußball spielen lässt und es mit Ajax Amsterdam, einem krassen Außenseiter, schon bis ins Halbfinale der Champions League geschafft hat. Hoeneß mag ihn, weil er ja irgendwie auch zur Bayern-Familie gehört. Von 2013 bis 2015 trainierte der heute 49-Jährige die U23. Laut Sky sollen die Bayern bereits Kontakt zu ten Hag aufgenommen haben, der aber erst nach der aktuellen Saison zu haben wäre.
Die besagten Machtspielchen, die zuletzt auch in Fettnäpfchen endeten, führen mittlerweile aber auch zu der Frage: Bekommt der Verein eigentlich noch den Trainer, den er haben will? So wie Rummenigge mit Kovac umgegangen ist, wird sich jeder Kandidat vorher ganz genau überlegen, ob er nach München ziehen will. Wenn Kovac nun zum Vorwurf gemacht wird, dass er die Mannschaft zu sehr in die Pflicht genommen und gleichzeitig zu wenig Selbstkritik geübt hat, dann gilt dasselbe für Rummenigge. Er hatte einmal vom jungen Coach sogar den Champions-League-Titel gefordert und gleichzeitig den Umbruch. Er hat ihn in diesem ambitionierten Unterfangen aber kaum unterstützt.
Interimstrainer Flick könnte länger bleiben
Ebenfalls möglich: Sportdirektor Hasan Salihamidzic tut einen Trainer auf, der beiden gefällt, dieser wird sofort verpflichtet. Das darf aber als unwahrscheinlich gelten.
Sehr viel wahrscheinlicher: Interimstrainer Hansi Flick bleibt Trainer. Dazu müsste er "nur" in den kommenden Tagen einen emotionalen Turnaround schaffen und nach Möglichkeit auch noch gegen Olympiakos Piräus am Mittwoch (18.55 Uhr/Liveticker SPIEGEL, TV: Sky) und vor allem gegen Borussia Dortmund am Samstagabend gewinnen.
Sollte er dann die Bayern auch noch bis zur Winterpause wieder an die Spitze der Bundesliga-Tabelle führen, dann könnte die Bayern-Führung gleichzeitig auch noch kaschieren, dass sie momentan eigentlich gar nicht die Muße hat, eine Entscheidung mit Weitblick zu treffen, eine Entscheidung, die allein auf sportlichen Kriterien fußt. Denn das größte Problem für den Verein ist nicht, dass es so wenige mögliche Trainer gibt. Sondern dass es sehr wenige Trainer gibt, bei denen nicht in kürzester Zeit das komplette Spielsystem umgekrempelt werden müsste.