Fifa-Urteil Wie es in Köln nach der Transfersperre weitergeht

Der Transfer von Nachwuchsangreifer Jaka Cuber Potocnik (Mitte) sorgt beim 1. FC Köln derzeit für mächtig Ärger
Foto:Herbert Bucco / IMAGO / Herbert Bucco
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In der vergangenen Sommertransferperiode arbeitete der 1. FC Köln fleißig an seinem Kader. Es kamen unter anderem Linton Maina von Hannover 96, Luca Kilian vom FSV Mainz 05 und Angreifer Steffen Tigges aus Dortmund. Dieses Jahr könnte es für Geschäftsführer Christian Keller deutlich ruhiger werden. Der Fußball-Weltverband Fifa verkündete am Mittwochabend, dass der 1. FC Köln wegen der Verpflichtung eines slowenischen Talents vor über einem Jahr in den kommenden zwei Transferperioden keine Spieler registrieren darf. Die Kölner wehren sich gegen das Urteil – und blicken in eine sportlich heikle Zukunft. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was ist passiert?
Am 31. Januar 2022 verpflichtete der 1. FC Köln das damals 16 Jahre alte Talent Jaka Cuber Potocnik. Dieser hatte seinen Vertrag beim slowenischen Spitzenklub Olimpija Ljubljana erst einen Tag zuvor aufgelöst. Ljubljana warf den Kölnern daraufhin vor, den Angreifer zum Vertragsbruch angestiftet zu haben. Köln wiederum behauptet, Potocnik habe wegen zahlreicher Vertragsverletzungen von Olimpija Ljubljana gekündigt. So sei dem Spieler laut Klageschrift zumindest mündlich zugesichert worden, mit der ersten Mannschaft trainieren zu dürfen. Weil sich der sechsmalige slowenische Meister daran und auch an andere Absprachen nicht gehalten haben soll, habe Potocniks Mutter den Vertrag gekündigt. Ljubljana schaltete daraufhin die Fifa ein.
Wie entschied die Fifa?
Die »Kammer zur Beilegung von Streitigkeiten« gab den Slowenen recht und entschied, dass die Kölner in den kommenden zwei Transferperioden keine Spieler registrieren dürfen. Das heißt: Köln könnte theoretisch Spieler verpflichten, diese dann aber bei Pflichtspielen nicht auflaufen lassen. Außerdem wurde Potocnik (unter Mithaftung des 1. FC) Köln zur Zahlung von Schadensersatz an Olimpija Ljubljana in Höhe von 51.750 Euro verurteilt und darf vier Monate lang nicht eingesetzt werden.
Auf welcher Grundlage entschied die Fifa?
Im Fall des Wechsels von Potocnik greift Paragraf 17.4 des Fifa-Transfer-Reglements. »Ein Verein, der einen Berufsspieler, der seinen Vertrag ohne triftigen Grund aufgelöst hat, unter Vertrag nimmt, macht sich der Anstiftung zum Vertragsbruch schuldig, es sei denn, er kann den Gegenbeweis antreten.« Es findet also eine Beweislastumkehr statt. »Die Fifa kann festlegen, wer was in den verbandsinternen Verfahren beweisen muss. Es kann damit also auch vom Grundsatz des Zivilprozessrechts, dass derjenige nur die Tatsachen, die für ihn günstig sind, beweisen muss, abgewichen werden«, sagte Sportrechtler Paul Lambertz dem SPIEGEL.
Wie reagierte der 1. FC Köln?
Fassungslos und wütend: »Die Fifa hat aus unserer Sicht ein komplett absurdes Urteil ohne jede Grundlage gefällt«, sagte Geschäftsführer Keller am Donnerstag. Das Urteil sei »nicht nur inhaltlich eine Farce, sondern auch vom Ablauf her«. Im Kölner Schriftsatz zu den Vorwürfen seien »jede Menge Zeugen benannt, unter anderem der ehemalige Präsident von Ljubljana. Und dann gab es keine mündliche Anhörung. Da haben sich drei Richter in ihr Kämmerlein zurückgezogen und ein Urteil getroffen, das drakonischer nicht sein könnte«. Auch, dass das Urteil bereits am 1. Februar gefällt worden ist, dem FC aber erst am 29. März zugestellt wurde, verärgert Keller.
»Eigentlich ist der Vorteil der internen Schiedsgerichtsbarkeit, dass man schnell Entscheidungen trifft«, sagt Sportrechtler Lambertz. »Dass es dann so lange gedauert hat, bis die Entscheidung dem FC zugestellt wurde, ist mindestens unglücklich.« Der 1. FC Köln kündigte den Gang vor den Internationalen Sportgerichtshof Cas an.

Geschäftsführer Christian Keller kann das Urteil der Fifa nicht nachvollziehen
Foto: Marius Becker / dpaWie sind die Chancen vor dem Cas?
Das sei laut Lambertz schwierig einzuschätzen. Der Gang vor den Cas sei auf jeden Fall alternativlos. »Die Strafe ist so drakonisch, dass man sie nicht einfach absitzen kann«, sagte Lambertz. Zunächst gehe es darum, wie valide der 1. FC Köln vortragen könne, dass es einen triftigen Grund für Potocnik gab, seinen Vertrag aufzulösen. »Was ein triftiger Grund ist, ist Auslegungssache«, sagte Lambertz. Gelinge das nicht, müsse der Verein zumindest versuchen, auf eine Reduktion der Strafe zu drängen, sagte Lambertz, der das Strafmaß für sehr hart hält. Solange das Verfahren läuft, wollen die Kölner eine Aussetzung der Strafe beantragen. Zieht sich die Verhandlung hin, könnten die Kölner so zumindest im Sommer Spieler verpflichten. Lambertz rechnet mit einer schnellen Entscheidung.
Warum konnten sich Köln und Ljubljana außergerichtlich nicht einigen?
Dazu gehen die Schilderungen auseinander. Der Streit zog sich bereits Monate hin, Ljubljanas Vizepräsident Christian Dollinger behauptete gegenüber der »Bild«, er habe eine einvernehmliche Lösung gesucht. »Wir wollten die Angelegenheit eigentlich friedlich lösen und waren deshalb letztes Frühjahr in Köln. Wir waren sehr überrascht, dass das auf kollegialer Klub-Ebene dann nicht möglich war«, sagte er.
Kölns Christian Keller sagt dagegen, es habe am 30. August noch ein freundliches, fast 90-minütiges Gespräch mit zwei Klubvertretern aus Ljubljana gegeben. Im Nachgang hätten sich die Gäste schriftlich für ein Gespräch in »großartiger Atmosphäre« bedankt, das Kölner Einigungsangebot aber nicht annehmen wollen. Das Angebot sei höher gewesen als die Summe, die der FC nun an den slowenischen Klub zahlen muss. »Was Ljubljana gefordert hat, war komplett fern jeder Realität«, sagte Keller, der bei der Verpflichtung des Spielers noch nicht im Amt war.
Gibt es ähnliche Fälle?
Dass Vereine mit Transfersperren belegt werden, kommt immer wieder vor. Meist geht es dann aber nicht um die mögliche Anstiftung zum Vertragsbruch, sondern um Verstöße gegen das Reglement zur Verpflichtung minderjähriger Spieler. So bekam 2014 etwa der FC Barcelona deswegen eine Transfersperre, 2017 wurden auch Atlético Madrid und Stadtrivale Real bestraft. 2019 traf es den englischen Spitzenklub FC Chelsea. Oft wurden die Fifa-Strafen durch den Cas abgemildert. Ein Fall wie nun beim 1. FC Köln ist Lambertz nicht bekannt.
Wie hart trifft die Strafe die Kölner?
Die sportlichen Auswirkungen könnten für den Bundesligisten fatal sein. Der Verein strauchelt in der Rückrunde, steht aktuell auf Platz 13 nur sechs Punkte vor den Abstiegsrängen. Trainer Steffen Baumgart kündigte jüngst im »GEISSBLOG« eine Transferoffensive an. »Vorne haben wir mit Steffen Tigges, Davie Selke und Florian Dietz drei große Mittelstürmer. Vielleicht brauchen wir aber auch einen vierten, der noch andere Eigenschaften mitbringt. Als schnellen Spieler drumherum haben wir mit Linton Maina im Moment nur einen. Wir haben auch keinen guten Eins-gegen-Eins-Spieler. Wir denken also über einige Sachen nach.«
Diese Überlegungen dürften schwierig zu verwirklichen sein. Auf Vertragsgespräche mit den Kölnern werden sich wohl die wenigsten Spieler einlassen, solange nicht sicher ist, ob sie im Sommer auch spielen dürfen. Möglich scheint dagegen, dass Köln versucht, Spieler zu halten, mit denen der Verein eigentlich nicht mehr geplant hatte.

Steffen Baumgart wünscht sich neue Spieler – das dürfte nun schwierig werden
Foto: Marius Becker / dpaWas passiert mit Sommerzugang Leart Paqarada?
Zumindest eine Planstelle glaubten die Kölner schon geschlossen zu haben. Am 23. Januar verkündete der Bundesligist die Verpflichtung von Leart Paqarada, Flügelspieler und Kapitän bei Zweitligist FC St. Pauli. Bleibt die Sperre bestehen, können die Kölner den Zugang nicht registrieren und den Transfer damit auch nicht vollziehen. Die Cas-Entscheidung wird also nicht nur für den 1. FC Köln spannend.
Mit Material der Nachrichtenagentur dpa