
Rückzug als Bayern-Boss Der ewige Hoeneß
Er war immer da. Egal ob man in den Siebzigerjahren aufgewachsen ist oder erst in diesem Jahrtausend - jeder hat sein eigenes Hoeneß-Bild im Kopf. Uli Hoeneß, das ist 50 Jahre Fußballgeschichte, 50 Jahre Vereinsgeschichte des FC Bayern, das ist sogar 50 Jahre Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Er hat Debatten angestoßen, er hat Debatten ausgelöst, er hat sich in Debatten hineingestürzt.
Trotz Franz Beckenbauer, trotz Lothar Matthäus, Joachim Löw oder Fritz Walter gibt es wahrscheinlich keinen in der deutschen Fußballbranche, über den sich die Menschen so aufgeregt haben, der sie so beschäftigt hat wie Hoeneß. Einer, der fast niemandem egal ist.
Wenn er heute tatsächlich den Gremien des Vereins mitteilt, dass er sich im November vom Amt des Präsidenten zurückziehen möchte, wird viel davon die Rede sein, dass eine Ära zu Ende geht. Aufsichtsratsmitglied Edmund Stoiber hat am Vortag bereits durchblicken lassen, dass Hoeneß tatsächlich seinen Abschied als Präsident plant. Allerdings wird er wohl sein Aufsichtsratsmandat behalten. Und damit garantieren, dass der Pate des FC Bayern weiter mitredet. Wenn er gefragt wird, manchmal auch, wenn er nicht gefragt wird. So wie es immer war.
So, wie es jetzt noch nach Bundesligaspielen des FC Bayern ist, wenn die Journalisten in der Mixed Zone nicht auf Manuel Neuer oder auf Robert Lewandowski, sondern vor allem auf einen warten. Sagt er heute was? Wenn ja, dann hat man seine Schlagzeile sicher. Schlagzeilen machen, das hat er immer gut gekonnt.
Seit Daum hat Hoeneß seinen Attacke-Ruf für immer weg
Es ist der 20. Mai 1989, an dem Uli Hoeneß seinen Ruf festigt, den er bis heute erhalten hat. Es ist der Ruf, der so gern mit dem Begriff "Abteilung Attacke" umschreiben wird. Bayern-Manager Uli Hoeneß ist mit seinem Trainer Jupp Heynckes ins "Aktuelle Sportstudio" eingeladen worden. Es steht ein Konfliktgespräch an. Mit in der Runde sitzt nämlich nicht nur ZDF-Moderator Bernd Heller im hellen Sommeranzug, sondern auch Kölns junger Trainer Christoph Daum, ein Bilderstürmer im Fußball, respektlos gegenüber allem, was nicht Christoph Daum heißt. Respektlos vor allem gegenüber Heynckes und dem FC Bayern.
Dieser Abend, vielleicht der letzte wirklich denkwürdige in der Geschichte des Sportstudios, wird ein Abend, an dem die Giftpfeile durch den Raum fliegen. Seit diesem Abend, in dem Hoeneß wie eine Löwenmutter für Heynckes und gegen diesen Großsprecher aus dem Rheinland angeht, ist das Image des Managers für Jahrzehnte geprägt: Einer, der alle Bandagen, die er hat, auffährt, wenn er seinen FC Bayern gefährdet, gar verspottet wähnt. Einer, der in die Schlacht zieht und dem dabei viele Mittel recht sind. Scheinbar unversöhnlich, verletzend, selbstgewiss. "Am nächsten Donnerstag ist dein Weg zu Ende", sagt er Daum vor einem johlenden Publikum auf den Kopf zu. An jenem Donnerstag verliert der 1. FC Köln gegen Bayern München 1:3, und der Weg des Christoph Daum ist erst einmal zu Ende. Uli Hoeneß hat wieder eine Schlacht gewonnen.
Die Beleidigung als heimliches Kompliment
Das Bild des Kriegers Hoeneß, es war und ist eindimensional, Hoeneß ist weitaus vielschichtiger. Aber er hat gleichzeitig auch viel dafür getan, dass man ihn so gesehen hat. Seine Scharmützel mit Werder-Manager Willi Lemke, eine gegenseitige Abneigung, die sich erst in den letzten Jahren aufgelöst hat, sein aggressives Transfergebaren, wenn es darum ging, Spieler auch gegen den Willen ihrer Vereine nach München zu lotsen, seine Spitzen gegen Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke - all das hat Hoeneß regelrecht zelebriert.
Angreifen, das hat ihm eine diebische Freude bereitet. Und die Angegriffenen hatten das sogar noch als Kompliment zu betrachten. Wenn aus München wieder eine Attacke anrollte, dann war klar, dass Hoeneß das Gegenüber als für den FC Bayern gefährlich ansah. Nur wer satisfaktionsfähig war, kam in den Genuss, von Hoeneß auch beleidigt zu werden.
Wie bei allem, was er tat, war auch dies Teil des Gesamtpakets im Dienste und zum Wohle des FC Bayern. Hoeneß war der Mister FC Bayern, er ist der Mister FC Bayern, er wird es weiter sein. Ob er anderswo gemocht wurde, das war ihm egal. Die Bayernfans, die sollten ihn lieben. Auch deswegen wirkte er so schwer getroffen, als er im Vorjahr von eigenen Mitgliedern auf der Jahreshauptversammlung scharf angegangen wurde. Es war wahrscheinlich der Moment, in dem seine Entscheidung reifte, den Weg nach all den Jahren frei zu machen.
Der Fußball begriff gerade, dass man Geld mit ihm machen kann
Als Hoeneß als Manager in München anfing, hatte der Fußball gerade erst begonnen zu begreifen, dass man mit ihm auch viel Geld verdienen kann. Heute ist der FC Bayern eine Weltmarke, er hat Dependancen in China und in New York, trainiert wird nicht nur in Rottach-Egern, sondern auch in Katar. Der FC Bayern hat gerade erst einen Spieler ausgeliehen, für den sie sagenhafte 120 Millionen Euro ausgegeben hätten, wenn sie ihn kaufen.
Hoeneß hat diese ganze Entwicklung begleitet, er hat sie auch forciert. Und er hat sich dennoch den Ruf erhalten, noch einer aus der guten, alten Zeit zu sein, einer für die Nestwärme, einer für die Folklore, kantig statt aalglatt, ein Patriarch wie der alte Krupp zur Jahrhundertwende. Diesen Spagat zwischen Ballon d'Or und Oktoberfest über Jahrzehnte hinzubekommen, es zu schaffen, sogar noch nach seiner Gefängnisstrafe wegen Steuerhinterziehung als der Mann fürs Bayern-Herz zu gelten - das ist wohl eine seiner größten Leistungen.
Alles spricht dafür, dass Hoeneß ab November nicht mehr Präsident des FC Bayern sein wird. Das wird nichts daran ändern, dass Hoeneß den Verein als sein Lebenswerk betrachtet. Als Rentner nur noch am Tegernsee zu sitzen und sich um die familiäre Wurstfabrik zu kümmern - wie unvorstellbar für diesen vitalen streitlustigen 67-Jährigen. Ein Lebenswerk lässt man nicht los. Uli Hoeneß war immer da, er wird auch in Zukunft immer da sein.