Österreichs Niederlage gegen Ungarn Auszeit zur Unzeit

David Alaba
Foto: Khaled Elfiqi/ dpaDavid Alaba hat sicherlich schon bessere Tage erwischt. Auf und neben dem Platz. Als einer der Letzten schlurfte Österreichs Fußballer des Jahres nach der Blamage für die rot-weiß-rote Auswahl durch die Mixed Zone im Stade Matmut Atlantique von Bordeaux.
Am Mannschaftsbus blinkten schon die Lichter, weswegen sich der Bayern-Spieler nur kurz die Kopfhörer abnahm, um missgelaunt drei Sätze herauszupressen. "Wir wollten drei Punkte holen. Das ist schade für die Fans. Jetzt müssen wir den Blick nach vorne richten." Eine dürftige Erklärung nach einer ernüchternden Vorstellung bei der 0:2 (0:0)-Auftaktniederlage gegen den Nachbarn Ungarn.
Zlatko Junuzovic, der von Werder Bremen seinen Absprung vorbereitet, wollte gar nichts sagen. Aus gutem Grund: An Krücken humpelte der Antreiber hinaus. Meist bildet er gemeinsam mit Alaba und dem künftigen Leverkusener Julian Baumgartlinger ein starkes Mittelfelddreieck. Am Dienstagabend nicht.
Der 28-Jährige war bereits nach einer Viertelstunde böse mit dem Knöchel umgeknickt und musste nach einer Stunde vom Feld. "Er hat starke Schmerzen und ist nicht gerade happy", sagte Teamchef Marcel Koller. Für den Trainerstab, seine 23 Spieler und beinahe 15.000 österreichische Anhänger im Stadion galt hinterher dasselbe.
Österreichs Bundesliga-Legionäre enttäuschen
Österreich hat einen Albtraumstart in diese EM erwischt, der in der Heimat als Tiefpunkt der jüngeren Vergangenheit gelten muss. Damit hat eine hoffungsvolle Generation die hohen Erwartungen für die Frankreich-Mission konterkariert. "Ich bin einfach sauer", sagte Baumgartlinger, der wie die fünf weiteren österreichischen Bundesliga-Legionäre in der Startelf keine Impulse setzen konnte.
Auf der Suche nach Gründen fürs Versagen kam Kapitän Christian Fuchs vielleicht am weitesten: "Wir haben aus unseren ersten Chancen kein Kapital geschlagen und dann kam einiges zusammen, dass die Ungarn verdient gewonnen haben." Der Linksverteidiger vom englischen Meister Leicester City sagte trotzig: "Jetzt haben wir eh nix mehr zu verlieren."
Doch die Niederlage gehört umfassender aufgearbeitet, da ein individuell schlechter besetzter Gegner das bessere Kollektiv stellte. Im Grunde legte der deutsche Trainer Bernd Storck seinen Schweizer Kollegen Marcel Koller mit seiner Zermürbungstaktik aufs Kreuz. "Die Jungs sind über sich hinausgewachsen. Für uns ist nach 44 Jahren ein Traum in Erfüllung gegangen. Das ist einfach grandios", sagte Storck.
Für den 53-Jährigen konnte die Sensation auch als persönlicher Triumph gelten: All seine Kniffe, etwa das österreichische Mittelfelddreieck aus dem Spiel zu nehmen, waren aufgegangen. "Man muss sich doch nur ansehen, wer in welcher Liga spielt und welche Titel gewonnen hat - dann war die Favoritenrolle ja wohl klar", sagte Storck mit einem kleinen Seitenhieb. Ihm gelang es, den Underdog in den Kampfmodus zu versetzen.
Der Nachbar nahm sich hingegen zur Unzeit eine Auszeit. Koller war es ein Rätsel, warum "wir nie unser Kombinationsspiel aufziehen konnten". Seine Mängelliste war lang. "Wir waren grundsätzlich zu nervös, wir hatten zu viele unnötige Ballverluste." Der 55-Jährige wirkte sichtlich niedergeschlagen - und war damit nicht allein. Marko Arnautovic schlug nach Abpfiff die Hände vors Gesicht, die meisten Mitspieler starrten ins Leere.
Für die zweite Begegnung am Samstag in Paris gegen Portugal (18 Uhr, High-Liveticker SPIEGEL ONLINE) hat sich die ÖFB-Auswahl gehörig unter Druck gesetzt. "Wir müssen da punkten, am besten dreifach", erklärte Koller. Zu allem Überfluss sah sein Abwehrmann Aleksandar Dragovic auch noch Gelb-Rot (66. Minute).

Sieg gegen Österreich: Ungarns jubelnder Bundesliga-Absteiger
Ungarns Bundesliga-Legionäre überzeugen
Die Magyaren hingegen feierten an diesem historischen Tag drei Deutschland-Legionäre: Ausgerechnet Ádám Szalai, der beim Bundesliga-Absteiger Hannover 96 kein Bein auf den Boden bekam, gelang das erste Tor (62.). "Das ist ein unglaublich schönes Gefühl", sagte der Mittelstürmer: "Das wird eines der schönsten Erlebnisse meiner Karriere bleiben."
Den zweiten Treffer besorgte der eingewechselte Zoltán Stieber vom 1. FC Nürnberg (87.). Und ein Dritter im Bunde durfte nach starker Vorstellung besonders stolz sein: Die formidable Vorarbeit zum Führungstreffer kam von László Kleinheisler, der nach seinem Winterwechsel zu Werder Bremen in der Rückrunde kaum Spielpraxis erhielt. Der 22-Jährige wurde zu Recht zum "Spieler des Spiels" gekürt.
"Es war ein besonderes Erlebnis für uns alle", sagte der Mittelfeldspieler fast verschüchtert auf der Pressekonferenz. Als er das Stadion in Bordeaux verließ, schleppte er die silberne Trophäe für seine persönliche Auszeichnung hinaus. Alaba schlich kurz hinter ihm mit leeren Händen davon. Ein Ersatzspieler aus Bremen stiehlt dem Weltstar des FC Bayern die Show: ein Bild, das Bände sprach.