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Weltfußballverband Fifa: Sepp Blatter und seine Vizes

Foto: Johannes Simon/ Bongarts/Getty Images

Vergabe der Fußball-WM Was eine einzige Fifa-Stimme bewirken kann

Schon wieder rückt die Fifa ins Zwielicht: Im Ringen um die Ausrichtung der Fußball-WM 2018 haben laut "Sunday Times" zwei Funktionäre ihre Stimmen zum Verkauf angeboten. Der Fall scheint dreist, aber nicht ungewöhnlich - denn das Vergabeverfahren bietet viele Gelegenheiten für Mauscheleien.

Die Stimmung am 6. Juli 2000 in der Messe Zürich war angespannt. Um Punkt 14 Uhr sollte Fifa-Präsident Sepp Blatter bekanntgeben, wer Gastgeber der Fußball-WM 2006 sein würde. Von ursprünglich vier Bewerbern hatte das Fifa-Exekutivkomitee in den ersten Wahlgängen schon zwei Bewerber - England und Marokko - gestrichen. Es waren nur noch Deutschland und Südafrika übrig. Erwartungsvolle Stille senkte sich über den Saal. Und dann verkündete Blatter das Ergebnis: Deutschland zwölf Stimmen, Südafrika elf, eine Enthaltung. In der deutschen Delegation brach Jubel aus.

Eine einzige Stimme gab den Ausschlag, dass Deutschland die WM zugeschlagen bekam - und damit einen internationalen Prestige-Gewinn, Auftrieb für die Wirtschaft und Millioneneinnahmen für Merchandiser.

Letztlich hatte der Neuseeländer Charles Dempsey Deutschland die WM gebracht. Er war Mitglied des Fifa-Exekutivkomitees und derjenige, der sich enthielt - entgegen den Anweisungen seines Verbandes. Hinterher sagte Dempsey, er sei von "einflussreichen europäischen Interessengruppen" vehement unter Druck gesetzt worden. Korruptionsvorwürfe wies er zurück.

Wie sich die Situationen gleichen. Auch 2010 steht die Fifa vor der Entscheidung, WM-Turniere vergeben zu müssen.

Und wieder soll es Funktionäre geben, die für Beeinflussungsversuche zu haben sind. Nach einem Bericht der "Sunday Times" sollen ranghohe Fifa-Funktionäre ihre Stimmen zum Verkauf angeboten haben. Die Fifa untersucht die Bestechungsvorwürfe. Allzu verwunderlich sind sie nicht. Das Vergabeverfahren ist zwar klar geregelt. Es bietet aber auch viele Gelegenheiten, Einfluss zu nehmen.

Exekutivkomitee entscheidet über WM-Vergabe

Die Entscheidung, wo Weltmeisterschaften ausgetragen werden, liegt beim Exekutivkomitee. Das Gremium ist quasi die Regierung des Verbandes, die Fifa-Statuten sind die Verfassung, auf deren Grundlage es arbeitet. Das Komitee hat 24 Mitglieder: Fifa-Präsident Sepp Blatter, acht Vizepräsidenten und 15 einfache Mitglieder. Jedes Mitglied hat eine Stimme. Bei Stimmengleichheit zählt die Stimme des Präsidenten doppelt. Die Mitglieder des Exekutivkomitees haben viel Macht: Sie bestimmen Termine, Spielorte und Formate aller Fifa-Wettbewerbe - also auch der Weltmeisterschaft.

Die Statuten wiederum regeln den Ablauf der WM-Vergabe. In der aktuellen Version des Fifa-Regelwerks, am 10. Juni 2010 in Johannesburg vom Fifa-Kongress angenommen und seit dem 10. August 2010 gültig, heißt es im Abschnitt XII., Artikel 76 zu "Endrunden von Fifa-Wettbewerben": "Der Austragungsort der Endrunden der durch die Fifa organisierten Wettbewerbe wird durch das Exekutivkomitee bestimmt. Die Turniere dürfen in der Regel nicht zweimal nacheinander auf dem gleichen Kontinent stattfinden. Das Exekutivkomitee erlässt diesbezüglich Richtlinien."

Hintergrund dieser Regel: Im Jahr 2000 hatte der Weltverband ein Rotationssystem für die WM-Vergabe zwischen den sechs Kontinentalverbänden eingeführt. Diese sind:

  • Asien: Asian Football Confederation (AFC)
  • Afrika: Confédération Africaine de Football (Caf)
  • Nord- und Mittelamerika sowie die Karibik: Confederation of North, Central American and Caribbean Association Football (Concacaf)
  • Südamerika: Confederación Sudamericana de Fútbol (Conmebol)
  • Ozeanien: Oceania Football Confederation (OFC)
  • Europa: Union des Associations Européennes de Football (Uefa)

Im Oktober 2007 gab die Fifa dieses rotierende Verfahren wieder auf. Dafür wurde festgelegt, dass Mitgliedsländer, auf deren Kontinenten die beiden vergangenen Weltmeisterschaften stattfanden, nicht kandidaturberechtigt sind. Zudem beschloss die Fifa im Dezember 2008, die Turniere 2018 und 2022 gleichzeitig zu vergeben, um den Ausrichtern mehr Zeit zu geben, die Großveranstaltungen vorzubereiten.

Welche Mitgliedsverbände können sich bewerben?

Weil die WM 2010 in Afrika war, sind Caf-Mitgliedsverbände nicht als Bewerber für das Turnier 2018 zugelassen, wie die Fifa in einem Schreiben vom 15. Januar 2009 den Bewerbern mitteilte. Und weil die WM 2014 in Brasilien stattfindet, sind Conmebol-Mitgliedsverbände dem Schreiben zufolge von der Bewerbung für die Turniere 2018 und 2022 ausgeschlossen. Die Austragungsorte der vergangenen und kommenden WM lassen auch Rückschlüsse auf die Favoriten für das Turnier 2018 zu: Weil die Weltmeisterschaften 2010 und 2014 nicht in Europa sind, gilt es als wahrscheinlich, dass das Turnier 2018 an einen Uefa-Verband vergeben wird.

Neun Bewerbungen gingen für die Turniere 2018 und 2022 ein. Nach Angaben der Fifa bewarben sich um die WM 2018

  • Belgien zusammen mit den Niederlanden,
  • England,
  • Russland sowie
  • Spanien gemeinsam mit Portugal.

Australien, Japan, die Republik Korea, Katar und die USA reichten Bewerbungen für die Austragung des Turniers 2022 ein. Am 14. Mai 2010 gaben die Interessenten ihre vollständigen Bewerbungsunterlagen ab. Die Fifa prüft diese momentan.

Im nächsten Schritt reisen Fifa-Delegationen in alle Bewerberländer. Hier können die Verbände Delegationsmitglieder, die häufig wie Staatsgäste behandelt werden, umgarnen. Erst am vergangenen Mittwoch empfing etwa der britische Premierminister David Cameron Blatter, um über Englands Bewerbung für die WM 2018 zu sprechen.

Ob diese Bemühungen fruchten, wird sich bei der Vergabezeremonie am 2. Dezember zeigen (siehe Zeitplan in der linken Spalte). Dann wählt das Exekutivkomitee die Turnierausrichter 2018 und 2022. Pro Wahlgang wird der Bewerber mit den wenigsten Stimmen gestrichen, bis nur noch einer übrig ist. So können - siehe Vergabe der WM 2006 - auch Enthaltungen wichtig werden. Die Entscheidung wird Blatter im Fifa-Hauptsitz in Zürich den Bewerbungsdelegationen und der Öffentlichkeit bekanntgeben.

Die Bestechungsvorwürfe lassen diese Entscheidung schon jetzt in einem neuen Licht erscheinen.

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