Vergabe der WM 2006 Die Fakten zum DFB-Skandal
Worum geht es?
Der SPIEGEL hat in seiner Ausgabe vom 17. Oktober den Verdacht öffentlich gemacht: Wurden aus einer schwarzen Kasse, die der französische Unternehmer Robert Louis-Dreyfus Anfang des Jahrtausends mit 10 Millionen Schweizer Franken ausgestattet hatte, vier asiatische Stimmen für die Vergabe der WM 2006 bezahlt? Es sind schwere Indizien rund um die ominösen Millionenströme, die die Mitglieder des damaligen Organisationskomitees (OK) belasten. Was wussten Franz Beckenbauer und der heutige DFB-Präsident Wolfgang Niersbach? Beide bestreiten die Vorwürfe vehement.
Nun hat der SPIEGEL nachgelegt. In der aktuellen Ausgabe erhebt der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger schwere Vorwürfe gegen seinen Nachfolger Niersbach. Es sei nicht nur "eindeutig, dass es eine schwarze Kasse in der deutschen WM-Bewerbung gab", so Zwanziger. "Es ist ebenso klar, dass der heutige DFB-Präsident davon nicht erst seit ein paar Wochen weiß, wie er behauptet, sondern schon seit mindestens 2005. So wie ich das sehe, lügt Niersbach."
Video: Das sind die neuesten SPIEGEL-Enthüllungen
Wie ist die Version von DFB-Präsident Wolfgang Niersbach?
Niersbach will von den Vorgängen erst im vergangenen Sommer erfahren haben, wie der DFB-Präsident bei seiner Pressekonferenz am Donnerstag behauptete (hier der Wortlaut). Das steht im krassen Gegensatz sowohl zum SPIEGEL-Bericht als auch zu den aktuellen Vorwürfen Zwanzigers. Und: Auch eine Erklärung von Horst R. Schmidt stellt die Version von Niersbach in diesem Punkt infrage.
Niersbachs Erklärungsnot nahm am Donnerstag dramatische Ausmaße an. Warum sich das OK Geld bei einem Unternehmer leihen musste und nicht beim DFB oder einer Bank, konnte Niersbach nicht erklären. Auch hatte der DFB-Präsident keine Antwort darauf, warum die Fifa erst 6,7 Millionen Euro eingefordert hat, ehe sie die 170 Millionen Euro als Zuschüsse zur Verfügung stellte. Sicher war sich Niersbach nur in einem Punkt: "Es ist bei der WM-Vergabe 2006 alles mit rechten Dingen zugegangen. Es hat keine schwarzen Kassen und es hat keinen Stimmenkauf gegeben."
Video: Niersbachs ominöse Pressekonferenz
Was sagt der frühere OK-Vize Horst R. Schmidt?
Die Angaben des 73-Jährigen zur Überweisung von 6,7 Millionen Euro vom OK an die Fifa und weiter an den früheren Adidas-Chef decken sich mit Niersbachs Ausführungen - bis auf eine Ausnahme: Schmidt erfuhr laut Aussage im Herbst 2004 durch ein Telefonat mit Günter Netzer von Louis-Dreyfus' Anspruch auf eine Rückerstattung des Darlehens. "Zeitnah habe ich die Mitglieder des OK-Präsidiums über diesen Sachverhalt informiert", erklärte Schmidt. Das widerspricht Niersbachs Aussage, dass er erst im Sommer 2015 von den Vorgängen erfahren haben will.
Schmidt weiter: Beckenbauer habe 2002 die Fifa-Bedingung ohne Rücksprache mit seinen Kollegen aus dem OK akzeptiert und gegenüber Louis-Dreyfus persönlich mit einem Schuldschein für die Rückzahlung gebürgt. "Versuche, Robert Louis-Dreyfus davon zu überzeugen, auf seine Forderung zu verzichten, blieben erfolglos. [...] Nach Diskussionen mit der Fifa wurde letztlich gemeinsam festgelegt, dass die Zahlung mit der Beteiligung des DFB an den Kosten der geplanten WM-Gala verrechnet wird, was dann auch geschah", so Schmidt weiter.
Was sagen die Fifa und ihr Präsident Blatter zu Niersbachs Version?
Die Fifa äußerte wenige Stunden nach der Pressekonferenz des DFB-Präsidenten Zweifel an Niersbachs Erklärung zum Zweck der Millionenzahlung: "Es entspricht in keinster Weise den Fifa-Standardprozessen und Richtlinien, dass die finanzielle Unterstützung von WM-OKs an irgendwelche finanziellen Vorleistungen seitens des jeweiligen OKs oder seines Verbandes gekoppelt ist."
Der Verband bestritt auch, eine Zahlung von dem damaligen Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus erhalten zu haben. "Nach derzeitigem Kenntnisstand" habe es 2002 keinen solchen Zahlungseingang gegeben. Der momentan suspendierte Fifa-Präsident Joseph Blatter sagt, eine Absprache zwischen ihm Franz Beckenbauer über eine Vorabzahlung zur Gewährung des und Franz Beckenbauer über eine Vorabzahlung zur Gewährung des Zuschusses habe es nicht gegeben. Über einen Sprecher ließ er mitteilen: "Ich bin mit diesem Vorgang nicht vertraut."
Wie ist das öffentliche Echo auf die Niersbach-PK?
Für seinen Auftritt vor der Presse erntete Niersbach vor allem Hohn und Spott. Die "Zeit" schrieb : "Statt einem Befreiungsschlag geriet die Pressekonferenz Niersbachs zu einer peinlichen Nummer, die es als ewiger Youtube-Hit mit Giovanni Trapattonis Wutrede oder Christoph Daums Haarprobenankündigung aufnehmen kann." Bei der "Süddeutschen Zeitung" war zu lesen : "Das Organisationskomitee (OK) der WM 2006 hätte auf Umwegen und mit anderer Leute Geld an eine Organisation voller Korrupter viele Millionen gezahlt, für irgendetwas. Das Kürzel "OK" ist übrigens auch bei Polizisten bekannt. Bei ihnen steht es für "Organisierte Kriminalität".
Rückendeckung erhielt Niersbach weiterhin von der "Bild"-Zeitung , die sich in Teilaspekten aber auch schon leicht vom Präsidenten absetzte: "Der DFB-Boss konnte zwar glaubhaft darlegen, dass die 6,7 Mio nicht für den Stimmenkauf waren. Doch zu viel bleibt im Nebel." Niersbachs Behauptung, es sei "bei der WM-Vergabe 2006 alles mit rechten Dingen zugegangen", reichte der Zeitung aber aus, um zu befinden: "Sommermärchen gerettet!".
Doch das scheint nach den neuesten SPIEGEL-Enthüllungen mehr denn je fraglich.