Wolfsburg-Trainer Labbadia Der selbsternannte Retter

Bruno Labbadia
Foto: Selim Sudheimer/ Bongarts/Getty ImagesEs wurde minimal gefeiert. Gleich nach Spielende suchte Bruno Labbadia Körperkontakt zu den Profis des VfL Wolfsburg. Er schüttelte Hände, fand Freude an Umarmungen und lobte sich selbst. "Es ist unbezahlbar, wenn ein Trainer erfahren ist", sagte jener Cheftrainer, der wieder einmal als Retter in Erscheinung treten könnte.
Labbadia hatte bereits den VfB Stuttgart(2011) und den Hamburger SV(2015) vor dem Abstieg bewahrt. Und in Wolfsburg sorgt er aktuell dafür, dass aus einer eben noch aussichtslosen Lage wieder etwas Hoffnungsvolles wird. Dank eines 4:1 (1:1)-Heimerfolgs gegen den bereits abgestiegenen 1. FC Köln haben die Wolfsburger die Relegationsspiele gegen Zweitligist Holstein Kiel erreicht (Hinspiel Donnerstag 20.30 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE). Es war erst der zweite Sieg, seit Labbadia die Mannschaft übernommen hat - im elften Spiel. Zuvor hatte das Team unter dem neuen Coach nur in Freiburg drei Punkte geholt.
Aber am Ende reichte das eben, damit Labbadia erneut eine Mannschaft vor dem direkten Abstieg bewahrte. Gegen Köln hieß der Wolfsburger Held des Tages allerdings trotzdem nicht Bruno Labbadia, sondern Josip Brekalo. Der Kroate leitete gegen Köln einen Treffer ein, bereitete einen direkt vor und erzielte einen selbst. Ergebnis: der erste VfL-Heimsieg der Rückrunde.
Der VfL braucht Verstärkung auf der Führungsebene
Dass Josuha Guilavogui nach nur 42 Sekunden den Führungstreffer erzielte, stärkte das Miteinander zwischen Team und Fans. Dem zwischenzeitlichen Ausgleich durch Jonas Hector (32. Minute) ließen die Wolfsburger Treffer von Divock Origi (54.), Robin Knoche (71.) und Brekalo (90.) folgen. Nach trostlosen Wochen war Leben in einem Team zu spüren, das in der Saison 2017/18 nur sechs Partien gewonnen hat. "Diese Emotionen, dieses Feuer müssen der Grundstein für die Relegationsspiele sein", sagte Torschütze Knoche.
Ruhe statt Trubel, Übungseinheiten ohne Zuschauer statt Nähe zu den Fans - mit dieser Taktik hatte Labbadia den VfL durch die finale Woche geführt. Für den Moment ist das belohnt worden. Dabei half allerdings auch, dass der Wolfsburger Vorsprung auf den HSV bei Labbadias Amtsantritt acht Punkte betrug. Am Ende sind es noch zwei.
Mit Begriffen wie "Trara" und "Bling-Bling" beschreibt der 52-Jährige unterdessen indirekt, was der Hamburger SV noch versucht hatte. Frei von Aktionismus setzt der VfL Wolfsburg seine Saison fort und versucht, das Nachsitzen gegen Holstein Kiel nicht als Strafe zu empfinden.
Dass die Niedersachsen trotz eines millionenschweren Etats wieder nur um den Klassenerhalt spielen, ist eine Farce. Für die Geschäftsführung der VfL Wolfsburg Fußball GmbH wird dringend eine Verstärkung mit Fachkompetenz gesucht. Dem früheren Kölner Sportdirektor Jörg Schmadtke werden gute Chancen auf einen Job beim vom Volkwagen-Konzern finanzierten VfL eingeräumt. Aber auch der ehemalige Profitorhüter wird erst einmal wissen wollen, ob Holstein Kiel nach dem Aufstieg in die Zweite Liga sogar noch bis in die Bundesliga stürmt.
Labbadia zum HSV: "Ich kann die nicht aus der Ferne retten"
Gleich nach Spielende wurde in Wolfsburg die Werbetrommel gerührt. Dass sich an den Stadionkassen schnell Schlangen aus Interessenten bildeten, die Eintrittskarten für das erste Relegations-Heimspiel am 17. Mai erwerben wollten, ist ein gutes Zeichen. Es lenkt davon ab, dass es auf dem Höhepunkt der Saison und dem großen Showdown im Fernduell mit dem HSV nicht gelungen war, das eigene Stadion auszuverkaufen. 26.112 Zuschauer bildeten die Kulisse.
"Es ist noch nicht vorbei. Wir können noch nichts genießen", sagte Torhüter Koen Casteels. Er hatte vor einem Jahr den Rückhalt gebildet, als sich der VfL Wolfsburg gegen Eintracht Braunschweig in der Relegation durchgesetzt hatte.
Im Vergleich zum Hamburger SV ist der VfL Wolfsburg kein Dino und nicht einmal ein Senior der Bundesliga. Aber der immer wieder als VW-Anhängsel belächelte Verein spielt immerhin seit 21 Jahren in Serie in Deutschlands bester Liga. Für das 22. Jahr meldet Labbadia Interesse an, weiterhin ein starker Mann beim VfL zu sein. Er hat einen Arbeitsvertrag bis 2019 unterschrieben, der auch für die Zweite Liga gelten würde. Ob ihn das wirklich langfristig an Wolfsburg bindet, entscheidet sich rund um Pfingsten.
"Ich weiß, was uns erwartet", sagte Labbadia mit Blick auf die Vergleiche gegen Kiel. Er klang dabei weltmännisch und in sich ruhend. Als der Wolfsburger Trainer gefragt wurde, ob ihn der Abstieg des HSV tangiere, formulierte der Rettungsexperte ein sachliches Mitleid. "Ich kann die nicht aus der Ferne retten", sagte Labbadia.