Kriselnde Wolfsburger Zögerlich, gehemmt, ratlos

Fußball-Profi Draxler: Gesicht der Wolfsburger Krise
Foto: INA FASSBENDER/ REUTERSLeandro Putaro durfte zufrieden in den Mannschaftsbus steigen. Damit war er allerdings der Einzige aus der Dienstreisegruppe des VfL Wolfsburg. Putaro ist vor ein paar Wochen 19 Jahre alt geworden. Erstmals war er für die Partie beim FC Schalke 04 in den Profikader berufen worden, die Einwechslung in der 81. Minute machte ihn zum Bundesligaspieler. "Das war ein tolles Erlebnis", sagte er.
Nun hatte seine Mannschaft allerdings nach einer leblosen Vorstellung 0:3 verloren. Daher musste sich selbst der junge Debütant kritische Fragen anhören. "Wir haben eine Supermannschaft, die gut zusammenhält", sagte er. So musste er antworten.
Die pflichtbewussten Worte ehrten Leandro Putaro. Sie konnten aber nicht darüber hinwegtäuschen, wie es um den VfL Wolfsburg derzeit bestellt ist. Eine mit vielen Werksmillionen aufgepäppelte Mannschaft gewann keines der vergangenen sieben Spiele in der Bundesliga. Eine solche Serie ist vielleicht noch mit einigen Verletzungen zu erklären, auch mit der Sperre für Luiz Gustavo, der in der Gelsenkirchener Arena fehlte.
Schwächstes Auswärtsteam der Liga
Aber dass die Wolfsburger in derselben Liga, in der auch etwa Hannover 96 spielt, nach 20 Spieltagen den letzten Platz der Auswärtstabelle belegt, ist eine dramatische Entwicklung. "Die Situation ist nicht einfach", sagte Klaus Allofs, der Gegenpol zu Putaro, was Erfahrung vor Mikrofonen angeht. Wolfsburgs Sportvorstand war derjenige, der in stürmischen Zeiten versuchte, den Kurs zu halten. Dieser Kurs heißt, die Ruhe zu bewahren. Er sagte etwa: "Es kann Rückschläge geben, das ist für mich nichts Außergewöhnliches." Das, was der VfL derzeit durchmache, gehöre dazu, um "zu einer Spitzenmannschaft zu wachsen."
Klaus Allofs hätte das Zeug zum Schönredner des Spieltags gehabt, doch er besann sich noch und benannte die großen Probleme des VfL Wolfsburg. "Wir kommen nach einem Rückstand schwer zurück, finden dann die Linie nicht", sagte er und forderte: "Wir müssen mehr arbeiten, mehr investieren, was Zweikämpfe angeht."
Der Appell war an die Mannschaft gerichtet, aber er sollte ganz dringend von jenem Wolfsburger Profi beherzigt werden, auf den in der Arena der Fokus der meisten Zuschauer in der Schalker Arena gerichtet war: Julian Draxler, der schon als Siebenjähriger zu den Königsblauen gekommen war. Er wechselte nach dem 3:0-Sieg des VfL Wolfsburg gegen eben jene Schalker im Hinspiel für gut 35 Millionen Euro aus dem Ruhrpott an den Mittellandkanal, um den nächsten Schritt zu gehen. Falls ihm das Anfang Februar 2016 gelungen sein sollte, dann in die falsche Richtung.
Champions-League-Qualifikation in Gefahr
Die Statistiken sehen noch gut aus. Etwa 86 Prozent von Draxlers Pässen kamen an, mehr als 60 Prozent seiner Zweikämpfe gewann er. Das Problem von Statistiken: Sie blenden Situationen aus, in denen Draxler sich dem Geschehen fernhält, obwohl er nahe dran ist. Zögerlich, gehemmt, manchmal sogar ein bisschen ängstlich. Draxlers Verhalten ist damit derzeit eher die Regel als die Ausnahme in der Mannschaft von Trainer Dieter Hecking.
"Das Spiel war natürlich bescheiden, da brauchen wir uns nichts drauf einzubilden", sagte Draxler, nachdem er die Dopingprobe abgegeben und die Gedanken sortiert hatte. Das war ehrlich. Die Beschimpfungen und Pfiffe von Teilen des Publikums nahm er professionell hin: "Ich verstehe die Fans und finde, dass alles im Rahmen war."
Sechs Punkte hat Draxlers ehemalige Mannschaft nun mehr als die Wolfsburger. Das Ziel, sich erneut für die Champions League zu qualifizieren, gerät in immer größere Gefahr. Als Klaus Allofs danach gefragt wurde, antwortete er zunächst, wie es wohl auch Leandro Putaro getan hätte: "Wir wollen jedes Spiel gewinnen." Den Zusatz hätte sich der Debütant aber wohl nicht getraut: "Deshalb müssen wir kein Tabuthema aus der Champions League machen."