Pokalerfolg bei RB Leipzig Wolfsburg lässt die Muskeln spielen

Wolfsburgs Torschützen Klose (l.), Caligiuri: "Verdient gewonnen"
Foto: FABRIZIO BENSCH/ REUTERSDieter Hecking sparte nicht mit Lob für die Leipziger Spieler. "Das war ein sehr schweres Spiel für uns. RB hat eine Klasseleistung gezeigt und uns mit seinen wuseligen Spielern alles abverlangt." Zumindest in der ersten halben Stunde, fügte Hecking wahrheitsgemäß an. Danach habe man das Spiel doch ganz gut im Griff gehabt und "verdient gewonnen".
So hatte es offenbar auch Heckings Leipziger Kollege Achim Beierlorzer gesehen, der sich offenbar außer Hörweite glaubte, als er dem Kollegen zuraunte, es sei keine Schande, im Pokal gegen den "späteren Gewinner" auszuscheiden. Hecking lächelte etwas verlegen.
Dabei tun ihm solche Komplimente eigentlich gut, er und Manager Klaus Allofs wundern sich dem Vernehmen nach schließlich hin und wieder, dass die Öffentlichkeit so wenig Notiz davon nimmt, dass ihr Team eine ziemlich beachtliche Saison spielt. Im Pokal. Und in der Liga.
Nach 23 Bundesligaspieltagen hat der VfL 50 Punkte beisammen. Fünf, respektive sieben mehr als Dortmund in den vergangenen beiden Spielzeiten zum gleichen Zeitpunkt als Tabellen-Zweiter hatte. Gäbe es da nicht den FC Bayern, wäre die Hecking-Elf also nicht mehr und nicht weniger als die Ausnahmemannschaft dieser Saison. Dank sehr vielem Geld. Natürlich. Aber eben auch dank einer Transferpolitik, die nach den Magath-Jahren wieder Struktur hat. Und aufgrund eines Trainers, der sein Handwerk versteht.
Wolfsburg hat noch einiges vor
Wolfsburg ließ das Leipziger Pressing jedenfalls gekonnt ins Leere laufen, machte das Spiel breit und riss damit die Lücken, die die Defensive des Zweitligisten dann doch zu oft überforderten. Als die mutigen Leipziger nachließen, übernahm der VfL sofort die Kontrolle, ohne mit seinen Kräften verschwenderisch umzugehen. Man hat in den anderen beiden Wettbewerben schließlich noch einiges vor.
Wenn am Mittwochabend trotzdem ein Dutzend Wolfsburger Torchancen zu Buche standen - Daniel Caligiuri (20.) und Timm Klose (57.) trafen beim 2:0 (1:0)-Sieg - lag das daran, dass der VfL seine individuellen Vorteile optimal ausnutzte und taktisch bestens präpariert war. Ein Problem war allerdings einmal mehr Kevin De Bruyne. Der Belgier zeigte auch in Leipzig, dass er einer der besten Individualisten der Liga ist. Hätte er in zwei, drei Situationen den besser postierten Kollegen gesehen, wäre der Sieg allerdings deutlich höher ausgefallen.
Leipzigs Stadion erstmals ausverkauft
Die Wolfsburger Fans entspannten sich nach der Leipziger Anfangsoffensive dennoch merklich. Zu offensichtlich war der Klassenunterschied zwischen einem sehr guten Zweitligateam und einer hervorragenden Erstligamannschaft.
Das WM-Stadion war erstmals in seiner Geschichte bei einem Heimspiel von RB Leipzig ausverkauft. Über 43.000 Zuschauer waren gekommen, 40.000 davon drückten RB die Daumen. Sie sahen ein Spiel ihrer Mannschaft, das man kaum besser zusammenfassen konnte, als es ihr Coach tat: "Wenn man alles versucht, darf man gegen Wolfsburg ausscheiden", sagte Beierlorzer.
Was RB in der ersten halben Stunde zeigte, war tatsächlich spektakulär - im wahrsten Sinne des Wortes. Wie entfesselt berannte der Tabellen-Achte der Zweiten Liga die Wolfsburger Abwehrreihe, Leipzig spielte dabei konsequent flach und vertikal in die Spitze. Dann passierte allerdings meist nicht mehr viel. "In unserer Drangphase konnten wir die Chancen nicht nutzen", ärgerte sich der starke Mittelfeldmann Dominik Kaiser. "Wolfsburg war einfach effizienter."
Dass RB dann doch noch ein Stück weg ist vom Bundesliganiveau sah man dann nämlich auch: Manch einem Offensiven fehlen ein paar Zehntelsekunden, und die Schussstärke haben Spieler wie der technisch starke Yussuf Poulsen auch nicht erfunden. Je nach Perspektive ist ein Spiel einer hundertprozentigen VW-Tochter gegen eine hundertprozentige Red-Bull-Kreatur also ein Horrorfilm mit 22 Darstellern. Oder die Garantie für ein ganz nettes Fußballspiel.