Vorfall in Donezk Rechtsextreme attackieren Dortmunder Fanprojekt

Bei der Champions-League-Reise des BVB nach Donezk wurden zwei Fanbeauftragte der Borussia angegriffen - von rechten Anhängern ihres Clubs. Der Fall zeigt, wie stark Rechtsextremismus in Teilen der BVB-Fanschaft verankert ist. Der Verein kämpft dagegen an, wirkt aber mitunter machtlos.
Stadion in Donezk: Angriffe auf zwei BVB-Mitarbeiter

Stadion in Donezk: Angriffe auf zwei BVB-Mitarbeiter

Foto: Lars Baron/ Bongarts/Getty Images

Zwischen der Artema- und der Postysheva-Straße, mitten im Herzen Donezks, steht eine überlebensgroße Lenin-Statue. Der sowjetische Revolutionsführer überstrahlt die Industriestadt bis heute. Am Mittwochnachmittag urinierten mehrere Anhänger von Borussia Dortmund gegen das Monument, andere brüllten "Sieg Heil" und bespritzten die Statue anschließend mit Bier.

Rund ein Dutzend dieser jungen Männer, die wenigsten davon älter als 22 Jahre, feierten auf diese Art ihre eigene Champions-League-Party. Die Schals der BVB-Anhänger, auf denen in großen schwarz-gelben Lettern das Wort "Borussenfront" zu lesen war, zeigten klar ihre politische Gesinnung. Die Borussenfront gilt als rechtsextreme Hooligangruppe, die die Borussia eigentlich schon Ende der achtziger Jahre aus dem Stadion vertrieben hatte.

Die "Front" fristete seitdem ein trostloses Dasein, fernab der Öffentlichkeit. Seit etwas mehr als einem Jahr hat sich das geändert. Die rechten Hooligans drängen zurück ins Rampenlicht, nutzen insbesondere die internationalen Reisen, um ihre Gesinnung öffentlich auszuleben.

Das Comeback, so erklärt es ein Dortmunder Polizist, der nicht genannt werden möchte, hat zum einen mit ihrem im vergangenen Jahr gefeierten 30-jährigen Bestehen zu tun. Zum anderen mit dem enormen Zulauf von Jugendlichen, die in den vergangenen Monaten mit Stadionverboten belegt wurden und seitdem keine Kontaktmöglichkeit zu ihren ursprünglichen Ultra-Gruppen haben. "Es ist bekannt, dass die 'Front' ganz explizit unter den Stadionverbotlern ihren Nachwuchs generiert", sagt ein Dortmunder Ultra.

"Wir sind glimpflich davon gekommen"

Das derzeitige Auftreten der Front ermöglicht es vielen anderen, ihre rechte Gesinnung im Schutz der Hooligans offen auszuleben. In Donezk kam es nun zu einer Form der Ausschreitung, deren Dimension in Dortmund völlig neu ist. Zwei Personen des BVB-Fanprojekts, Thilo Danielsmeyer und Jens Volke, wurden zum Teil massiv körperlich attackiert. Die drei Angreifer wurden am Freitagvormittag in Dortmund angezeigt und sind bereits identifiziert.

Volke wollte sich aufgrund des laufenden Verfahrens nicht weiter öffentlich äußern, erklärte aber, dass "wir glimpflich davon gekommen sind." Das trifft besonders auf Danielsmeyer zu, der auf der Toilette von hinten mit Schlägen und Tritten in den Rücken traktiert wurde, aber nur einige Prellungen davontrug. Bevor die drei Täter zuschlugen, schrien sie, "Dortmund bleibt rechts" und "Dortmund ist Nazi."

"Dass es nun beim BVB zu einer Eskalation der Gewalt, ausgeübt von Rechtsextremen, kam, ist für mich überhaupt nicht verwunderlich: Der Verein hat bei dieser Problematik viel zu lange weggeschaut. Und das, obwohl sie lange Zeit bis ins Detail genau über dieses Thema informiert wurden", sagt Claudia Luzar SPIEGEL ONLINE. Die Wissenschaftlerin vom Heitmeyer-Institut für Konflikt- und Gewaltforschung betreut die Dortmunder Opferberatungsstelle "Back Up". Bereits 2009 sowie zweimal im Jahr 2012 erstellte Luzar Studien über die Verbindungen von rechten Fußballfans und der Borussia. "Aber man hat mir nicht zugehört", sagt sie.

Luzar bekam immer wieder zu hören, dass der BVB im Stadion keine Probleme mit Rechtsextremismus habe. "Wir haben detailliert erklärt, dass viele Rechtsextreme auch Fußballfans des BVB sind. Sie agieren im Stadion aber subtiler, sind dort nur wenig auffällig", sagt Luzar. Dadurch seien aber rechte Netzwerke und Strukturen gewachsen, die bis heute greifen. Mittlerweile wird Luzar zu den Arbeitskreisen des BVB eingeladen, sie hofft, dass das Thema "noch intensiver bearbeitet wird".

Polizei attestiert Angreifern Nähe zu militanten NPD-Kreisen

Der BVB, der selbst im eigenen Ordnungsdienst mit Nazis zu kämpfen hat, sich aber seit Beginn dieser Saison mit zahlreichen Projekten nicht nur öffentlichkeitswirksam versucht der rechtsextremen Thematik anzunehmen, erkennt mittlerweile an, dass der Druck von rechts immer massiver wird. Der Kommissariatsleiter des Dortmunder Staatsschutzes, Georg Steinert, erklärte im vergangenen November gegenüber der "Westdeutsche Allgemeine Zeitung", dass es wohl bis zu 60 rechte Überfälle alleine auf Dortmunder Ultras gegeben haben soll. Die meisten davon abseits des Stadions.

Dies gilt nicht für die drei Angreifer von Donezk, die 30, 25 und 50 Jahre alt sind und weder in der Datei Gewalttäter Sport noch in den Akten des Staatsschutzes auftauchen. Sie griffen Volke direkt am Einlasstor zum Donbass-Stadion an, Danielsmeyer wurde auf einer Toilette der Arena verprügelt. Alle drei Täter gelten als "Fan-Mitläufer", die ab und zu Fußballspiele der Borussia besuchen. Von den Dortmundern Ermittlern wird ihnen eine Nähe zum militanten Kreis der NPD attestiert. Ein Polizist erklärt: "Wir haben begründete Annahme, dass dies eine Racheattacke auf das Fanprojekt war, weil der BVB im vergangenen September acht Stadionverbote gegen rechte Personen verhängt hatte."

Insbesondere Volke, der das damalige Aussprechen der Stadionverbote, die aufgrund des Hissens von rassistischen Insignien während eines Spiels der BVB-Amateure verhängt wurden, befürwortete hatte, musste in der Folge Internethetze durch Rechtsextreme über sich ergehen lassen.

Doch auch nach den Vorkommnissen von Donezk will Volke, der früher ein führender Kopf der größten BVB-Ultra-Gruppe "The Unity" war, gemeinsam mit dem Fanprojekt weiterhin gegen rechte Strömungen ankämpfen: "Ich glaube nicht, dass unser Engagement verpufft. Das ist eben ein langer Weg und manche Dinge entwickeln sich bei jungen Menschen nicht von heute auf morgen."

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