

Auf einmal herrschte Stille. Für einige Sekunden waren die 80.000 Vuvuzelas im Soccer-City-Stadion in Johannesburg verstummt - Mexiko hatte in der 79. Minute den Ausgleich gegen Gastgeber Südafrika erzielt.
Bis dahin hatten die Zuschauer mit ihren Plastiktröten beim WM-Eröffnungsspiel für infernalischen Lärm gesorgt. Wie ein riesiger wildgewordener Hornissenschwarm klangen die 30 bis 50 Zentimeter langen Fan-Trompeten. Ob Torschuss, Eckball oder Ballgewinn: Bei jeder gelungenen Aktion der Südafrikaner schwoll der ohnehin schon hohe Schallpegel weiter an. Kilometerweit war das Brummen aus dem Soccer City Stadium zu hören, einige Zuschauer trugen vorsorglich Ohrenschützer - in Landesfarben.
Auch auf dem Platz machte sich die Dauerbeschallung bemerkbar: Selbst einfachste Kommunikation zwischen Trainern und Spielern schien ein Ding der Unmöglichkeit. Sowohl Carlos Alberto Parreira als auch Mexikos Coach Javier Aguirre ruderten wild mit den Armen oder verständigten sich mit Handzeichen. Mehrmals konnte man die Spieler nach missglückten Spielszenen beobachteten, wie sie entschuldigend auf ihre Ohren zeigten, als wollten sie sagen: Tut mir leid, ich hab dich einfach nicht gehört. Zudem zeigte sich, dass die Vuvuzela jegliche Fansprechchöre unterbindet.
"Ich komme mir vor wie in einem Bienenstock"
Die "Bafana Bafana"-Fans bewiesen einen langen Atem: 90 Minuten plus Nachspielzeit tröteten sie in ihre Vuvuzelas - und brachten mit diesem Getöse den Gegner aus dem Konzept. Bei jeder Standardsituation, also genau in den Momenten der absoluten Konzentration des Gegners, bliesen sie so laut sie konnten. In den Gesichtern der mexikanischen Schützen war nach jeder vergebenen Chance die Machtlosigkeit abzulesen.
Auf den Rängen im Stadion war das Getöse immens laut - aber trotzdem erträglich. Das Trommelfell gewöhnte sich mit den Minuten daran, und als es den Fans zu Beginn der zweiten Halbzeit auch noch gelang, einen Vuvuzela-Kanon von der einen auf die andere Seite des Stadions aufzuziehen, summten selbst Zuschauer ohne Tröten mit.
SPIEGEL-ONLINE-Leser, die das ohrenbetäubende Spektakel am TV verfolgten, taten sich schwer mit den Krachmachern: "Ich komme mir vor wie in einem Bienenstock, total nervig. Entweder die filtern das mal bald raus oder ich stell den Ton ab und verzichte damit gerne auf die Live-Atmosphäre", schrieb ein Leser noch während der Eröffnungsfeier im Forum. Ein anderer forderte während des Spiels gar: "Nehmt den Leuten die Tröten weg! Ist ja nicht auszuhalten!" Auch ARD-Experte Günter Netzer war nach der Partie sichtlich genervt und sprach von "fürchterlichen Tröten".
Weniger drastisch, aber doch kritisch begegnen die DFB-Spieler der akustischen Herausforderung: "Mir gefällt der Klang nicht so richtig, ich finde es ziemlich laut - aber man muss sich wohl daran gewöhnen", sagte Abwehrspieler Arne Friedrich. Und Offensivmann Marko Marin vertraut auf seine Konzentrationsfähigkeit: "Ich glaube, auf dem Platz nimmt man das dann gar nicht mehr so wahr."
Einen Vorsprung durch Technik hat Dänemarks Nationaltrainer Morten Olsen, der ein Hörgerät trägt: "Ich stelle es einfach ab, dann merke ich nichts davon", sagte der 60-Jährige.
Van Marwijk greift durch im Vuvuzela-Streit
Laut einer Studie kann der Lärm der Tröten zu dauerhaften Schäden im menschlichen Gehör führen. Demnach erreicht das Fan-Untensil mit einem Schallpegel von 123,9 Dezibel die Lautstärke eines Düsenflugzeugs im Probelauf. Experten gehen davon aus, dass es bei einer dauerhaften Lärmeinwirkung bereits ab einer Belastung von 85 Dezibel zu einer Gehörschädigung kommen kann. Geräusche in dieser Lautstärke können neben dem akuten Hörversagen auch irreparable Schäden wie Tinnitus-Geräusche verursachen. Dementsprechend zählt die WM-Tröte, die in jedem Supermarkt Südafrikas für umgerechnet drei Euro zu haben ist, nicht überall auf Gegenliebe.
Auch Bundestrainer Joachim Löw zeigte sich nach seinem Besuch beim Confed Cup im vergangenen Jahr von dem Lärm genervt. Und der spanische Mittelfeldstar Xavi plädierte für ein Verbot. Doch das hat der Weltverband Fifa ausgeschlossen: "Das käme einer Diskriminierung gleich. Wir haben die WM an Afrika vergeben, einen Kontinent mit einer anderen Kultur", stellte Präsident Joseph S. Blatter damals klar.
Ein Vuvuzela-Verbot im kleinen Rahmen hat Bondscoach Bert van Marwijk durchgesetzt: Beim Training der niederländischen Nationalmannschaft sind ab sofort keine Vuvuzelas mehr zugelassen. "Es war nervig, meine Spieler konnten meine Anweisungen nicht mehr hören. Auf diese Art ist Training nicht sinnvoll, weil ich meinen Spielern nichts sagen kann", sagte van Marwijk. Am Mittwoch bei der öffentlichen Trainingseinheit der Niederländer hatten 3000 Zuschauer für reichlich Lärm gesorgt. "Sollten wir weitere öffentliche Einheiten absolvieren, dann nur ohne Vuvuzelas", so van Marwijk weiter.
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Foto: DAVID GRAY/ REUTERS