Verfehlte Transferpolitik Warum Topspieler den FC Bayern meiden

Beim Trainingsauftakt des FC Bayern fehlten noch viele Stars
Foto: Matthias Balk/DPADer FC Bayern München will möglichst bald Europas Nummer eins sein. So klingen zumindest die Aussagen von Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge aus den vergangenen Tagen. Er wolle "den Fokus auf die Champions League wieder deutlich schärfen", sagte er jüngst im vereinseigenen Magazin "51" und legte später bei Sport1 noch nach: "Dieser Klub lechzt nach der Champions League."
Rummenigge habe zwar den Eindruck, "dass es von Jahr zu Jahr schwieriger wird, diese Trophäe zu gewinnen". Doch die Bereitschaft, sich diesen Bedingungen anzupassen, lässt sich am Verhalten der Bayern auf dem Transfermarkt nicht ablesen.
Derzeit besteht der Kader aus 17 Feldspielern, darunter die Nachwuchstalente Jann-Fiete Arp und Alphonso Davies sowie die im Grunde ausrangierten Renato Sanches und Jérôme Boateng. Trainer Niko Kovac soll einen kleinen Kader bevorzugen - aber so eine schmale Besetzung hat er nicht gemeint, wie er auch am Dienstag nochmal bekräftigte. Besonders im Angriff sei "sicherlich Bedarf".

Karl-Heinz Rummenigge
Foto: Alexander Hassenstein Getty ImagesAber nach Kovac geht es nicht. Klub-Boss Rummenigge nutzt derzeit jede Gelegenheit, um die Debatte über seinen Verein zu steuern. So sei der FC Bayern wie der FC Barcelona "mehr als ein Klub". In München leiste man sich den "Luxus" anders zu sein, nämlich "menschlicher, ehrlicher".
Es fällt auf, dass der Verein sich über die große Vergangenheit definiert, die Zukunft scheint er nicht im Blick zu haben. Fans dürfte angst und bange werden, wenn sie hören, wovon sich der Rekordmeister derzeit bei der Spielersuche abhängig macht. "Es hat noch keinen Transfer gegeben, den wir als Dominoeffekt bezeichnen", sagte Rummenigge am Montag beim Trainingsauftakt. "Wenn es den gibt, werden viele Transfers folgen. Wir sind in Position. Wir haben ausreichend Geduld." Statt selbst zu agieren, warten die Bayern darauf, dass die Konkurrenz den Markt in Bewegung bringt.
Nur drei Vereine machen mehr Umsatz als der FC Bayern
Dabei hätte der Klub die finanziellen Möglichkeiten, selbst aktiv zu werden. Die Münchner hatten laut der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte in der Saison 2017/2018 den vierthöchsten Umsatz aller europäischen Vereine (629 Millionen Euro) und gaben dabei laut der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG die Hälfte des Umsatzes für Gehälter aus. Zum Vergleich: Der FC Liverpool hatte nach Angaben von Deloitte einen Umsatz von 514 Millionen Euro, der Anteil der Spielergehälter lag mit 58 Prozent etwas höher. Spitzenreiter war Real Madrid (743 Millionen Euro/58 Prozent).
Trotzdem wehren sich die Münchner seit Jahren, die Preisentwicklung auf dem Transfermarkt mit Ablösesummen im dreistelligen Millionenbereich mitzumachen, was vielen traditionellen Fans gefällt, mit dem Ziel Champions-League-Sieg aber kaum noch vereinbar ist. In diesem Sommer stellte der Klub bei der Verpflichtung von Lucas Hernández (80 Millionen Euro) einen vereinsinternen Rekord auf. Zum Vergleich: Real Madrid holte in diesem Sommer Weltklassestürmer Eden Hazard für 100 Millionen Euro.
Topspieler meiden den FC Bayern
Neben Hernández und Arp verpflichteten die Bayern bisher Benjamin Pavard vom VfB Stuttgart. Benötigt werden noch ein oder besser zwei Flügelstürmer auf höchstem Niveau, ein passsicherer und laufstarker Sechser, ein weiterer zentraler Mittelfeldspieler sowie ein Backup für Stürmer Robert Lewandowski.

Lucas Hernández
Foto: Matthias Balk DPAEs bleiben noch acht Wochen, aber die Transferperiode lief bisher unter dem Motto: Wo ein Wille ist, ist kein Weg. Leroy Sané, Callum Hudson-Odoi, Ousmane Dembélé, Matthijs de Ligt, Timo Werner, Hakim Ziyech, Rodrigo, Kai Havertz - die Liste potenzieller Zugänge war und ist lang, kommen wird von diesen Spielern wohl vorerst keiner.
Bei Sané und Hudson-Odoi wurde das Interesse von Bayern-Seite bestätigt. So als wolle der unglücklich agierende Sportdirektor Hasan Salihamidzic das mittlerweile berühmte Hoeneß-Zitat aus dem vergangenen Frühjahr ("Wenn Sie wüssten, was wir alles schon sicher haben") mit öffentlich diskutierten Namen untermauern. Wenn Rummenigge sagt, er warte nach Sanés Urlaub auf den Anruf des Spielers, zeigt sich erneut, wie planlos die Münchner Führungsriege um Hoeneß, Rummenigge und Salihamidzic ist.
Kovac hat nicht die Anziehungskraft eines Guardiola
Warum wollen Spieler wie Sané oder der vor Kurzem zu Manchester City gewechselte zentrale Mittelfeldspieler Rodrigo nicht zum FC Bayern?
- Die Bundesliga hat ganz allgemein an Attraktivität verloren - bedingt durch die sieben Münchner Meistertitel in Folge, aber auch durch die sinkende sportliche Qualität.
- Kovac hat nicht die Anziehungskraft eines Pep Guardiola.
- Der Klub hat den nötigen Umbruch unnötig vor sich hergeschoben und nun mit Arjen Robben, Franck Ribéry, Mats Hummels, Rafinha und James Rodríguez sehr viel Erfahrung auf einen Schlag verloren.
Sportlich ist der FC Bayern München kein europäisches Spitzenteam mehr. Auch deshalb ergibt der in diesen Tagen häufiger getätigte Vergleich mit Borussia Dortmund keinen Sinn. Der BVB wird zu Recht für seine früh finalisierten Zugänge auf dem Transfermarkt gelobt. Doch was will der Vizemeister? Meister werden. Der Anspruch der Bayern ist, wie Rummenigge bestätigt, ein ganz anderer.
Liverpool hat gezeigt, wie mit einer klugen Kaderplanung ein Champions-League-Sieger entstehen kann. Trainer Jürgen Klopp kam 2015, seitdem gab der Klub laut transfermarkt.de 438 Millionen Euro für Ablösesummen aus, beim FC Bayern waren es im gleichen Zeitraum 314 Millionen Euro. Der Unterschied ist deutlich und auch bei den Reds war nicht jeder neue Spieler eine Verstärkung, es zeigt aber doch, was mit kluger Transferpolitik möglich ist.
Liverpool hatte die Schwachstellen in Klopps Kader nach seiner ersten Saison ausgemacht und sie innerhalb von drei Jahren nach und nach abgestellt. Die Reds holten Sadio Mané (2016), Mohamed Salah (2017), Virgil van Dijk (2018) und Alisson Becker (2018) - und gewannen mit dem überlegt umgebauten Team am 1. Juni die Champions League.
In drei Jahren ist viel möglich, auch für die Bayern. Wollen Sie 2022 die Champions League gewinnen, wird es aber höchste Zeit, schlau einzukaufen.