Wechsel zu Lazio
Klose wagt sich in Italiens Fußball-Irrenhaus
Ausgerechnet Lazio Rom: Warum Miroslav Klose bei diesem Club anheuert, bleibt sein Geheimnis. Die Fans feiern mitunter Mussolini und fallen durch Hasstiraden auf. Gleichzeitig versinkt die italienische Liga in einem gewaltigen Betrugsskandal.
Berlin - Miroslav Klose hatte Werder Bremen gerade verlassen, als der Verein im Herbst 2007 zum bisher letzten Vergleich eines deutschen Clubs mit Lazio Rom antrat. Es war ein Spiel der Schande. Der damalige Werder-Stürmer Boubacar Sanogo wurde im Weserstadion von den Lazio-Fans mit Affengeschrei verhöhnt. Als der Stadionsprecher vor Spielbeginn einen Aufruf gegen Rassismus und für Fairness verlas, reagierten die Lazio-Anhänger mit dem Hitlergruß. Ein Tor ihres Vereins feierten die Fans mit "Duce, Duce"-Rufen, mit dem sie den faschistischen Diktator Benito Mussolini hochleben ließen.
Lazio Rom wird seit fast zehn Jahren von Claudio Lotito geführt, einem italienischen Reinigungsunternehmer. Das Image als Schmuddelkind der Serie A ist Lazio auch unter seiner Ägide nicht losgeworden. Als der deutsche Nationalspieler Thomas Hitzlsperger im Februar 2010 vom VfB Stuttgart nach Rom wechselte, um seine Chancen auf eine WM-Nominierung zu verbessern, wurde er in den Internetforen der Hardcore-Fans aufgefordert, sich als "ein echter Deutscher" zu präsentieren.
Hitzlsperger, der sich in seiner Karriere wiederholt gegen Fremdenfeindlichkeit engagiert hat, hatte dazu offenbar keine große Lust. Nach einem frustrierenden halben Jahr verließ er Italien Richtung England.
Stammplatzgarantie lockt Klose
Warum Klose sich für den Fünften der abgelaufenen Saison entschieden hat - und damit gegen andere interessierte Vereine wie den FC Valencia oder Galatasaray Istanbul, erschließt sich tatsächlich nicht so leicht. Es heißt, Lotito habe dem Deutschen eine Stammplatzgarantie offeriert. Für einen wie Klose, der einen überwiegenden Teil der vergangenen zwei Jahre bei den Bayern auf der Ersatzbank verbracht hat, mag das verlockend sein.
Andererseits spielt er international künftig genau dort, wo sein bisheriger Club FC Bayern nie mehr hin will: Lediglich in der mäßig lukrativen Europa League. Wohlgemerkt: In Valencia wäre er in der Champions League angetreten.
Sicher, Lotito, ein etwas schräger Vertreter seiner Zunft, der Journalisten auch mal auf Latein antwortet, hat den Verein in etwas ruhigere Bahnen gelenkt. 2008 sollte der Club noch von der Camorra aufgekauft werden, das ist heute kein Thema mehr. Auch hat der Präsident gegen massive Widerstände die Macht der einflussreichen Ultras beschnitten, zum Beispiel hat er ihnen die Lizenz entzogen, die Fanartikel zu vertreiben. Dennoch bleibt das Umfeld bei Lazio eines der problematischsten in Europa.
Aron Winter litt bei Lazio unter Fan-Mobbing
Zwar sind die Zeiten vorbei, als Spieler wie Aron Winter von den Fans weggeekelt wurden - der Niederländer war dunkelhäutig und hatte auch noch einen jüdisch anmutenden Vornamen. Es waren die Zeiten, als Stürmer Paolo di Canio es liebte, vor den Fans mit erhobenem rechten Arm zu provozieren. Als di Canio deswegen vom italienischen Verband mit einer hohen Geldstrafe belegt wurde, marschierten die Lazio-Ultras, die Irriducibili, durch Rom, um für ihr Vorbild zu demonstrieren.
Aber noch 2010 wurden die eigenen Spieler vor dem Duell mit Inter Mailand massiv bedrängt, das Spiel möglichst zu verlieren - da ansonsten der verhasste Lokalrivale AS Rom italienischer Meister geworden wäre. Lazio verlor daraufhin sein Heimspiel wie bestellt gegen Inter 0:2.
Man kann sich den untadeligen Sportsmann Klose, den zurückhaltenden Musterprofi, in einem solch grellen Umfeld nur schwer vorstellen. Zumal die italienische Liga längst nicht mehr die Strahlkraft der Vergangenheit besitzt.
Nicht mehr das Gelobte Land
In den achtziger und neunziger Jahren war Italien so etwas wie das Gelobte Land für Auslandsprofis. Alle, die im Weltfußball etwas darstellten, spielten in der Serie A - das magische niederländische Dreieck Marco van Basten, Ruud Gullit und Frank Rijkaard beim AC Mailand, das deutsche Gegenstück mit Lothar Matthäus, Andreas Brehme und Jürgen Klinsmann bei Inter. Rudi Völler wurde mit dem AS Rom Pokalsieger, Ronaldo schoss seine Tore für Inter.
Der Ruhm der Liga ist verflogen. Heute sind Spanien und England die besten Adressen in Europa. Auch die Bundesliga gilt mittlerweile als attraktiver. Die Serie A dagegen ist von Affären gezeichnet, die Stadien sind halbvoll.
Gerade jetzt steht die Liga wieder vor einem möglicherweise gewaltigen Betrugsskandal. Clubs sollen sich abgesprochen haben, zahlreiche Partien stehen unter Manipulationsverdacht. Noch gehört Lazio Rom nicht zu den Vereinen, die die Ermittler im Visier haben. Allerdings hat die Staatsanwaltschaft in diesen Tagen Hinweise lanciert, dass auch "Partien der Teams aus Mailand und Rom betroffen" seien. Der gesamte sportliche Verlauf der vergangenen Saison könnte beeinflusst worden sein. Die Serie A steht wieder einmal unter Generalverdacht.
In der Vorwoche wurde der frühere italienische Nationalspieler Giuseppe Signori unter dem Verdacht festgenommen, einer der Drahtzieher in dem Betrugsskandal gewesen zu sein. Sein früherer Club, bei dem er wie ein Held verehrt wurde: Lazio Rom.
Abschied: Miroslav Klose (vorne) verlässt den FC Bayern und wechselt zum italienischen Club Lazio Rom. Damit verliert der Rekordmeister einen seiner erfahrensten Stürmer. Im Alter von...
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