Weibliche Fußball-Fans "Liebe Frauen, das Grüne ist der Rasen"
Das Klischee wiederholt sich immer samstags, 18.30 Uhr: Die "Sportschau" startet mit einem Werbespot aus der Steinzeit: Eine männliche Knetfigur im Höhlenmenschen-Outfit will Fußball gucken, eine weibliche Figur seine Aufmerksamkeit. Dafür trägt sie einen Bikini mit schwarz-weißem Fußballmuster. Die männliche Figur ist begeistert, die weibliche sagt abschätzig "Neandertaler". Und aus dem Off verkündet eine Stimme: "Männer waren schon immer so, jedenfalls samstags."
Beim Fußball geht es permanent um überholte Männlichkeitsrituale, um aggressive und sexistische Abgrenzungen gegenüber dem, was als weich und anders - also weiblich - gilt. Weibliche Fans bekommen solche Sätze zu hören: "Echt? Ins Stadion gehst du? Wie kommt denn das? Ich meine, so als Frau?" So selbstverständlich männliche Fußballbegeisterung, so erklärungsbedürftig scheint die weibliche.
Dabei sind Frauen als Zuschauer heiß begehrt. Um während der Weltmeisterschaft 1966 mehr vor den Fernseher zu locken, heuerte die BBC den Ex-Nationalspieler Jimmy Hill an, um die Regeln (insbesondere das Abseits) und andere Feinheiten zu erläutern. In den siebziger Jahren wollte HSV-Präsident Peter Krohn weibliche Zuschauerkreise durch eine extravagante Farbgebung erschließen. Frauen sollten durch neue Trikots in Rosa und Himmelblau in ihren ästhetischen Interessen angesprochen werden - "diese Farben gefallen Frauen", glaubte Krohn.
Proteste gegen Sexismus
30 Jahre später gelten Frauen noch immer nicht als "normaler" Teil der Besucherschaft: Als der 1. FC Saarbrücken 2006 ein Spiel gegen die Sportfreunde Siegen zum "Frauentag" erklärte, an dem weibliche Fans freien Eintritt hatten, gab es vom Stadionsprecher folgende Begrüßung: "Liebe Frauen. Das Grüne da unten ist der Rasen. Das Weiße sind die Tore. Das Rote, das ist der Gegner Sportfreunde Siegen. Jubeln dürft ihr erst, wenn unsere Jungs ein Tor gemacht haben."
Frauen werden aus der Masse der Fans herausgehoben. In Österreich erhielten Frauen generell ermäßigte Eintrittskarten - bis ein Mann dagegen klagte. Bei Sturm Graz gab es für die Zuschauerinnen sogar rosa gefärbte Eintrittskarten. In der Fankultur, in der die Farben des Vereins für seine Identität und Tradition stehen, ist das ein klares Signal: Fans sind rot-weiß, schwarz-gelb oder blau-weiß. Frauen sind rosa. Bei Eintracht Frankfurt, Fortuna Düsseldorf und Borussia Dortmund gab es gegen diesen Sexismus Proteste mit Parolen wie "Stoppt Rosa" oder "Ey Alter, Fortuna ist rot-weiß".
In einer Studie wurde ein durchschnittlicher Zuschaueranteil von 27 Prozent Frauen für die Bundesliga-Saison 2004/2005 ermittelt, doch erst mit der WM 2006 drangen sie nachhaltig ins Bewusstsein. In keiner TV-Übertragung durften Frauen fehlen. Sie machten die WM nicht nur bunter, sondern das Turnier friedlicher. Das erkannte auch die Deutsche Fußball-Liga: "Neu hinzugekommen ist seit 2006 die starke Faszination fur Fußball durch Frauen", heißt es in einem Bundesligareport. Frauen, so schreibt Medienforscher Jo Groebel, seien jedoch keineswegs "eine Zielgruppe für komplett übertragene, normale Fußballspiele, sondern vor allem für Zusammenschnitte in Magazinform mit viel Balldramatik und vielen Menschen - und Prominenten-Geschichten."
Schminktipps, Kochrezepte - aber keine Tabelle
Aus Marketingsicht war das die perfekte Lösung. Fußball ließ sich so leicht an die Frau bringen - ganz ohne Fußball. Wie das aussieht, zeigte die Website www.herthafreundin.de von Hertha BSC, die im Februar 2007 online ging und speziell weibliche Fans ansprechen sollte - mit Interviews und Fotos von Spielern, Schminktipps, Kochrezepten und Erläuterungen von Fußballregeln, aber ohne eine aktuelle Tabelle. Das wäre ja auch zu viel Fußball. Die Website ist inzwischen offline.
Das Marktforschungsinstitut Sport + Markt erklärt dieses Phänomen so: "Unsere Forschungen zeigen, dass ein Aspekt klar überschätzt wird: Der 'Popstar-Faktor'. Die meisten Frauen sind genauso leidenschaftliche Fußballfans wie Männer." Das, was sie am Stadionbesuch, an ihrem Fußballleben schätzen, ist im Grunde das, was auch männliche Fans lieben: die Stimmung, die Liebe zum Verein, der Zusammenhalt der Fans, die Unterstützung der Mannschaft auch bei Niederlagen.
In einer mittlerweile stark organisierten und ausdifferenzierten deutschen Fanszene nehmen Frauen - und auch die Thematisierung von Geschlechterverhältnissen in der Kurve - einen zunehmend größeren Raum ein. So haben sich an mehreren Orten weibliche Fans in Frauenfanclubs organisiert. Sie setzen Zeichen für die Präsenz von Frauen in der Kurve, ohne gleich eine feministische Rebellion gegen die männlich dominierte Fankultur ausrufen zu wollen.
Die Auseinandersetzung mit Klischees über weibliche Fans gehört immer dazu und drückt sich ironisch gewendet in Namen wie "TivoliTussen" (Alemannia Aachen) und "Uschifront" (1. FC Köln) aus. Letztere präsentieren sich als Gruppe im Stadion zudem mit einer rosa Zaunfahne - als Provokation und Umwertung der in der Kurve negativ besetzten Weiblichkeitsklischees.
Denn auch in den Ultra-Kreisen sind Sexismus und Klischeedenken ein Problem: Das Magazin "Blickfang Ultra", ein Sprachrohr der Szene, lässt in seiner Ausgabe vom Februar 2010 auf mehreren Seiten über "Female Ultra contra Sexismus. Diskriminierung hat viele Gesichter" diskutieren. Die wichtigste Erkenntnis: "Nur weil es mehr weibliche Fans und Ultras in den Kurven gibt, bedeutet das nicht gleichzeitig auch, dass sie so respektiert und behandelt werden, wie es sich gehort."