
Maradona in Weißrussland Maskottchen der Autokraten


Diego Maradona (l.) 2001 mit Fidel Castro
Foto: ? STR New / Reuters/ REUTERS
Maradona mit Nicolas Maduro
Foto: Marcelo Garcia / dpaIst er es wirklich? Hat Diego Armando Maradona tatsächlich bei Dinamo Brest angeheuert? Der Maradona, der Argentinien 1986 fast im Alleingang zum WM-Titel führte und dabei unter anderem das legendäre Tor mit der "Hand Gottes" erzielte? Einer der besten Fußballer der Geschichte bei einem weißrussischen Provinzklub?
Als die ersten Gerüchte zu dem Thema die Runde machten, konnten oder wollten es die wenigsten Weißrussen glauben. Doch seit Mittwoch ist es offiziell. "Ja, Diego ist bei uns", verkündete Dinamo voller Stolz auf seiner Internetseite. Dazu ein Foto der argentinischen Fußballlegende, wie er auf einem weißen Sofa sitzend und mit der weißrussischen Fahne im Rücken einen Drei-Jahres-Vertrag unterzeichnet.
Die Verwunderung im Rest der Welt ist nachvollziehbar. Auch wenn Bate Borisov, in der abgelaufenen Europa-League-Saison Gruppengegner des 1. FC Köln, mittlerweile zum regelmäßigen Teilnehmer in den europäischen Vereinswettbewerben gehört, ist Weißrussland alles andere als ein großer Name im Fußball. Das Land konnte sich noch nie für ein großes Turnier qualifizieren und die Zeiten, als mit Aleksandr Hleb zumindest ein Profi im Westen für Schlagzeilen sorgte, sind auch schon lange vorbei.
Dies soll sich mit Maradona nun ändern. "Das ist nicht nur für unseren Klub ein großes Ereignis. Ich glaube, das gilt auch für das ganze Land, für ganz Weißrussland. Es ist diese Erscheinung, dieses Image, diese Aura, dieses Charisma", erklärte Valdas Ivanauskas, der von 1993 bis 1997 für den HSV stürmte und seit dem vergangenem Jahr Sportdirektor bei Dinamo Brest ist. Und für dieses ehrgeizige Vorhaben kann es keinen passenderen Ort geben als den Klub aus der Stadt an der Grenze zu Polen.
Nach Jahrzehnten, in denen das Gründungsmitglied der Wyschejschaja Liga über das Mittelmaß nicht hinauskam und mit immer größeren finanziellen Problemen zu kämpfen hatte, ergoss sich 2016 über Dinamo Brest ein warmer Geldregen. Der aus den Vereinigten Arabischen Emiraten stammende Scheich Pol Daher, der mit seiner Firma Sohra Overseas weißrussische Traktoren, Lastwagen und Agrarprodukte nach Afrika und in den Nahen Osten verkauft, wurde Eigentümer des Klubs.
Seit dieser Saison soll nun der weißrussische Geschäftsmann Aleksandr Zajtsev der Besitzer von Dinamo Brest sein. Auch wenn der Klub die genauen Besitzverhältnisse geheim hält.
Diego Maradona (l.) 2001 mit Fidel Castro
Foto: ? STR New / Reuters/ REUTERSMit dem Einstieg des Scheichs stiegen auch die Ambitionen. Neben dem schon erwähnten Ivanauskas wurde auch die Mannschaft mit für weißrussische Verhältnisse überdurchschnittlichen Spielern wie dem vom SC Braga geholten Chidi Osuchukwu, einem ehemaligen nigerianischem U-20-Nationalspieler, verstärkt. Mit Erfolg: 2017 belegte Dinamo Brest nicht nur den vierten Platz in der Tabelle, sondern holte auch den nationalen Pokal.
Mit der im Frühjahr begonnen Saison, in Weißrussland wird im Frühling-Herbst-System gespielt, sollte der sportliche Aufstieg fortgesetzt werden. Aus diesem Grund wurde nach Ivanauskaus ein weiterer alter Bekannter aus der Bundesliga nach Brest geholt. Der Tscheche Radoslav Latal, der sieben Jahre lang die Schuhe für den FC Schalke 04 schnürte und sich nach seiner aktiven Laufbahn östlich der Oder einen guten Ruf als Trainer erarbeitet hat, wurde Übungsleiter des Klubs. Der erhoffte Erfolg blieb jedoch aus. Mit nur sechs Punkten nach sechs Spieltagen wurde Latal eine Woche vor Maradonas Verpflichtung entlassen.
Finanziell dürfte sich der Job lohnen
Doch welche Aufgabe soll Maradona überhaupt übernehmen? Dies schien selbst der argentinischen Legende bei seiner Unterschrift nicht klar gewesen zu sein. Während er verkündet, Präsident und Trainer des Klubs zu werden, folgte kurz darauf das Dementi aus Brest: "Maradona wird bei Dinamo Vorstandsvorsitzender werden und den Klub nicht nur repräsentieren, sondern auch dessen Entwicklung sowie die Arbeit der Nachwuchsakademie koordinieren." Nach seinen schwachen sportlichen Erfolgen als Trainer in den Vereinigten Arabischen Emiraten scheint man dem 57-Jährigen nicht zu viel Verantwortung überlassen zu wollen.
Maradona mit Nicolas Maduro
Foto: Marcelo Garcia / dpaBis Maradona seinen Dienst in Brest antritt, wird es noch etwas dauern. Erst für die Zeit nach der WM in Russland gilt sein Vertrag. Stattdessen leistet der argentinische Volksheld in Caracas Wahlkampfhilfe für den venezolanischen Autokraten Nicolas Maduro, der sich am morgigen Sonntag zum Präsidenten wiederwählen lässt. Danach ist er im venezolanischen Fernsehen während der WM als Experte zu sehen.
Und einiges deutet daraufhin, dass auch der umstrittene weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko von Maradonas Ruf profitieren möchte. In der Vergangenheit war der angebliche Klub-Besitzer Zajtsev Assistent des ältesten Lukaschenko-Sohnes Viktor, der seinen Vater in Sicherheitsfragen berät. Finanziell dürfte sich der Job, wie immer er genau auch aussehen mag, für Maradona jedenfalls lohnen. Laut argentinischen Medien bekommt er für die drei Jahre bei Dinamo Brest 20 Millionen Dollar.
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1969 begann die Vereinskarriere des Argentiniers: Diego Maradona spielte für eine Jugendmannschaft der Argentinos Juniors. 1982 bestritt er in Spanien sein WM-Debüt, unter anderem gegen Belgien (Foto).
In der Zwischenrunde flog Maradona gegen Brasilien vom Platz. Argentinien verlor 1:3 und schied aus dem Turnier aus.
Besser lief es 1986 in Mexiko. Der damals 26-Jährige war der beste Spieler der WM, schoss im Halbfinale gegen England das "Tor des Jahrhunderts", als er den Ball aus der eigenen Hälfte ins gegnerische Tor trug und dabei diverse Gegner ausspielte.
Berühmt wurde er aber durch sein legendäres Handspiel-Tor im selben Spiel. Er selbst sprach später von der "Hand Gottes".
Im Finale gegen Deutschland zeigte Maradona zwar eine eher durchschnittliche Leistung, bereitete aber fünf Minuten vor dem Abpfiff den entscheidenden Treffer zum 3:2 vor.
Argentinien wurde zum zweiten Mal nach 1978 (im eigenen Land) Weltmeister.
Ein erneutes Aufeinandertreffen mit der Deutschen Nationalmannschaft gab es 1990 in Rom. Diesmal setzte sich das Team um Kapitän Lothar Matthäus 1:0 durch.
Nach seiner Disqualifikation von der WM 1994 wegen Dopings sorgte Maradona in erster Linie neben dem Platz für Schlagzeilen. Seine Begeisterung für Argentiniens Fußball brach jedoch nie ab (im Foto bei der WM 2006).
Im Oktober 2008 wurde Maradona Trainer der argentinischen Nationalmannschaft. Durch einen 1:0-Sieg gegen Uruguay schaffte sein Team die Qualifikation für die WM 2010 in Südafrika.
Doch selbst eine Legende wie Maradona stand in Argentinien stark in der Kritik: Strittige Nominierungen und ein fehlendes taktisches Konzept sind die häufigsten Vorwürfe.
In Deutschland zeigte sich Maradona im März in München, wo Argentinien das Testspiel gegen Deutschland mit 1:0 gewann. Der 49-Jährige hatte denn auch verständlicherweise beste Laune.
Am Tag zuvor hatte er mit einer typischen Maradona-Aktion für Aufsehen gesorgt. Auf dem Trainingsplatz in München ließ er sich genüßlich eine Zigarre schmecken.
Zur WM in Südafrika präsentierte er sich nicht nur mit Vollbart, sondern auch voller Siegeszuversicht. Vor allem dank Superstar Lionel Messi will Maradona den WM-Titel nach Buenos Aires holen.
Es kam bekanntlich anders. Argentinien verlor im Viertelfinale gegen Deutschland 0:4. Wenig später wurde Maradona als Nationaltrainer entlassen.
2016 lief er noch einmal im Olympiastadion in Rom auf. Papst Franziskus hatte seinen Landsmann zum Benefiz gebeten.
Danach wurde es still um Maradona. Einer zwölfmonatige Trainerstation in den Vereinigten Arabischen Emiraten folgt nun ein Engagement als Präsident des weißrussischen Klubs Dinamo Brest.
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