
Werder-Star Junuzovic "Lockerheit kann man nicht trainieren"
Er war in der vergangenen Saison das Gesicht des Wandels bei Werder Bremen, als der Klub eine Aufholjagd startete und sich aus dem Abstiegskampf spielte. Nun ist er das Gesicht einer Krise, die den Verein erneut an den Rand der Abstiegszone gebracht hat: Zlatko Junuzovic.
Der Österreicher glänzte in der vorherigen Spielzeit vor allem bei ruhenden Bällen. Wenn Junuzovic sich den Ball zurechtlegen konnte, wurde es eigentlich immer gefährlich. Fünfmal traf der 28-Jährige per direktem Freistoß, neun weitere Tore bereitete er durch Eckbälle oder Freistöße vor. Selbst Standard-Experten wie Hamburgs Hakan Calhanoglu und der Ex-Mainzer und jetzige Schalker Johannes Geis waren nicht annähernd so erfolgreich.
Unter dem neuen Trainer Viktor Skripnik war Werder plötzlich aufgeblüht, manchmal konnte man sich fast an glorreiche Zeiten von einst erinnert fühlen, und neben Angreifer Franco Di Santo war es vor allem Junuzovic, der diesen Glanz verbreitete. Werders Sportchef Thomas Eichin schaffte es, mit dem Spieler zu verlängern, Junuzovic gilt als bestbezahlter Profi im Kader. Er sollte Werder in eine zumindest sichere Zukunft im Mittelfeld der Liga führen, so hoffte man in Bremen.
"Die Erinnerung an die vergangene Saison hilft überhaupt nicht"
Junuzovics Statistik in dieser Saison: kein verwandelter Freistoß, zwei Vorlagen. Werder liegt auf Platz 15, besser gesagt: der Klub dümpelt im Kellerbereich vor sich hin. Was ist passiert?
Junuzovic tut etwas, was nicht jeder Profi in so einer Situation tut: er redet. Nach dem 0:6 gegen Wolfsburg und dem1:3 im Nordderby gegen den HSV stellte er sich der Presse, auch vor dem Krisengipfel gegen den Tabellen-17. VfB Stuttgart will der Mittelfeldspieler erklären, woran es liegt. Man merkt, es ist ihm ein Anliegen.
"Zunächst mal hilft uns die Erinnerung an die vergangene Saison überhaupt nicht weiter", sagt er. Schön sei es gewesen, plötzlich wieder mit Leichtigkeit Fußball zu spielen, in Serie zu gewinnen, aber es sei eben nur eine Momentaufnahme gewesen. Dass einige Fans, Journalisten und wohl auch Mitspieler schon an eine glorreiche Zukunft dachten, ärgerte ihn damals - und das tut es auch jetzt noch. "Im Prinzip hat sich an der Situation nicht viel geändert. Ich habe damals an das Team geglaubt und tue es noch immer."
Das Einzige, was wirklich fehle, sei die Lockerheit. "Dann klappt plötzlich alles wieder. Das klingt einfach, aber ich habe es oft genug erlebt." Derzeit sei das Selbstvertrauen doch recht fragil: "Wir nehmen uns viel vor, glauben auch an uns. Aber ein schneller Rückstand wie gegen Hamburg oder Wolfsburg hat uns schnell aus der Bahn geworfen." Danach hätte die Mannschaft zumindest einen Punkt noch "erzwingen wollen", das klingt schon nach dem Gegenteil der ersehnten Lockerheit.
Diese Niederlagen hätten das Team sehr mitgenommen, sagt Junuzovic. Man sah es schon beim Entstehen, auf dem Platz, die frustrierten Gesichter. "Jeder war vielleicht zu sehr mit sich selbst beschäftigt, aber wir funktionieren nur als Mannschaft. Das ist der einzige Weg, um da unten rauszukommen."
In vielen Statistiken ist Junuzovic so gut wie im Vorjahr
Tatsächlich habe es nach dem Nordderby eine Aussprache unter den Spielern gegeben. Es gab keinen Streit, nur klare Worte. Man war sich einig, dass der Mannschaftsgedanke nun wichtiger denn je sei. "Fußball besteht nun mal auch aus Fehlern. Aber wenn einer einen Fehler macht, muss er das Gefühl haben, dass die zehn anderen den wieder ausbügeln werden."
Er selber sieht sich - nach der Vorsaison, nach der Vertragsverlängerung - in der Rolle eines Führungsspielers. "Dass der Fokus auf mir liegt, ist normal. Dass dann auch mehr Kritik kommt genauso. Aber ich alleine kann auch kein Spiel gewinnen, nur alles dafür geben."
So bitter sich die Statistik seiner Standardsituationen liest, so deutlich zeigen andere Werte, dass Junuzovic Wort hält. Seine durchschnittlichen Laufwerte sind mit 11,2 Kilometern pro Spiel genauso gut wie in der Vorsaison. Er sprintet im Schnitt etwas seltener (19 statt 22 Sprints), was aber auch seinen Positionswechseln geschuldet ist. Seine Zweikampfstatistik hat sich leicht verbessert (46 Prozent gewonnen, Vorsaison: 45 Prozent), die Passquote fiel leicht ab (66 Prozent statt 69 Prozent).
Eigentlich normale Werte, aber natürlich weiß Junuzovic, dass Abstiegskampf in Bremen für die meisten noch immer keine normale Situation ist.
"Natürlich hadere auch ich ab und zu mit meinem Spiel", sagt Junuzovic: "Aber das Wichtigste, die Lockerheit, kann man nicht trainieren." Und dann soll es auch gut sein mit dem Interview, Junuzovic muss los zum Training: "Reden hilft nämlich nicht im Abstiegskampf."