Werder-Keeper Wiese "Ich habe mir einen Kampfjet bestellt"

Bremens Torwart Tim Wiese lebt gefährlich: In seiner Freizeit fliegt der 24-Jährige Hubschrauber-Modelle durch die Luft – und das geht mitunter schief. Im "PLAYER"-Interview erklärt er seine Faszination für das teure Hobby.

Frage: Herr Wiese, wie sind Sie zur Fliegerei gekommen?

Wiese: Schon als Kind faszinierten mich Helikopter. Daher wollte ich unbedingt ein ferngesteuertes Modell haben. Mein Vater war dagegen – zu teuer. Außerdem wusste er, dass die Dinger schwer zu fliegen sind. Stattdessen bekam ich wie wohl jeder Junge ein Auto geschenkt. Ein paar Jahre hatte ich zumindest ein kleines Flugzeug. Das ist mir dann leider bei ziemlich starkem Wind abgeschmiert. Und die anschließende Wracksuche blieb erfolglos.

Frage: Und dann hat Ihr Vater doch nachgegeben?

Wiese: Nein. Er fand Helikopter weiterhin für Kinder ungeeignet. Erst mit 21, als ich beim 1. FC Kaiserslautern spielte, konnte ich mir diesen großen Traum selbst erfüllen. Nach dem Training sah ich in der Stadt einen Hubschrauber im Schaufenster eines Modelladens. Ich bin rein und habe ihn mir für knapp 1000 Euro gekauft. Zu Hause habe ich das Ding gleich aufgebaut. Dann ging es ab auf die Wiese.

Frage: Wie war das erste Mal?

Wiese: Erst schön, dann weniger schön. Ich hatte mich natürlich sehr auf die Nummer gefreut. Aber ich habe auch lernen müssen, dass es in der Tat nicht so einfach ist, einen Helikopter zu steuern. Nach nicht mal einer Minute ist er abgestürzt. Es dauert wirklich lange, bis man das kann. Je nach Talent schaffen es einige in wenigen Monaten. Andere brauchen dafür ein Jahr. Einige lernen es nie.

Frage: Wie lange haben Sie gebraucht?

Wiese: Ungefähr drei Monate. Aber nur, weil ich wirklich täglich trainiert habe. Nach meinem ersten Kreuzbandriss hatte ich ja viel Zeit. Vormittags ging es in die Reha und danach zum Üben auf den Flugplatz. Mehrere Nachmittage in der Woche habe ich sogar zusätzlich drei bis vier Flugstunden bei einem Trainer genommen. Ich war wirklich besessen.

Frage: Was sagen die Freunde, wenn man mit den Gedanken nur noch in der Luft ist?

Wiese: Die fanden das alle ziemlich spannend. Sie waren sogar ganz heiß darauf, mit mir zum Flugplatz zu gehen. Auch meine Freundin Grit war bereits mehrmals mit. Sie versteht auch, dass schon ein bisschen Übung nötig ist, um so einen Heli in der Luft zu halten. In meiner Hochphase war ich jede freie Minute an der Fernsteuerung.

Frage: So hatten die langen Verletzungspausen zumindest einen positiven Effekt für Ihr Hobby.

Wiese: So kann man das sagen. Trotzdem konnte ich nicht verhindern, dass mein erster Helikopter nach mehreren Abstürzen hinüber war. Ich habe mir natürlich sofort einen neuen und etwas besseren gekauft. Aber auch der war nach meinen etwas gewagten Flugeinlagen irgendwann kaputt. Da habe ich mir dann die beiden heutigen Modelle zugelegt. Mit denen fliege ich jetzt auch nicht mehr so gewagt.

Frage: Warum?

Wiese: Das wäre mir zu teuer. Schließlich kostet so ein Hubschrauber rund 13.000 Euro. Jetzt denken Sie bestimmt: "Das ist doch verrückt".

Frage: Stimmt.

Wiese: Dazu muss man wissen, dass bei diesen Hubschraubern allein schon der von einer Turbine angetriebene Motor rund 5000 Euro kostet. Ich kenne Leute, die ihr Auto verkauft haben, nur um sich einen ferngesteuerten Hubschrauber zu kaufen. Ich bin sehr froh, dass ich das Glück habe, mir dieses tolle Hobby leisten zu können. Im Laufe der Jahre habe ich sicher über 50.000 Euro dafür ausgegeben.

Frage: Worin unterscheiden sich Ihre neuen Modelle von den alten?

Wiese: Das ist gar kein Vergleich. Meine früheren Helis waren ja Spielzeuge. Meine heutigen sehen nicht nur aus wie echte Hubschrauber, sie funktionieren auch genau so. Und sie fliegen sogar mit Kerosin. Das bekomme ich immer von einem Bekannten, der das beim Bremer Flughafen ordert.

Frage: Worauf kommt es beim Steuern dieser Hubschrauber besonders an?

Wiese: Das Wichtigste sind Konzentration und ein ruhiges Händchen. Hubschrauber sind nämlich viel schwieriger zu kontrollieren als Flugzeuge. Du darfst sie nicht eine Sekunde aus den Augen und erst recht nicht die Hände von der Fernsteuerung lassen. Schließlich hast du da oben ja vom materiellen Wert her einen Kleinwagen in der Luft. Wenn der dir abschmiert, ist er hinüber.

Frage: Deshalb würden Sie uns wohl auch kaum mal an die Fernsteuerung lassen, oder?

Wiese: Richtig. Das ist viel zu unsicher. Selbst für einen geübten Flieger wie mich ist es schwer, wenn ich mal zwei, drei Wochen nicht geflogen bin. Man steuert den Hubschrauber dann ganz schön wackelig durch die Luft. Darum setze ich mich erst einmal für ein paar Stunden an den Flugsimulator, bevor ich nach einer Pause wieder auf den Flugplatz gehe.

Frage: Ihr Hobby ist nicht ungefährlich.

Wiese: Bei einem Absturz würde der Helikopter sofort Feuer fangen und ausbrennen. Daher sollte man auch immer einen Feuerlöscher dabei haben. Außerdem müssen wir einen Abstand von eineinhalb Kilometern zu Ortschaften einhalten. Die Rotorblätter sind zudem echte Waffen. Wenn ein Rabe die Dinger übersieht, hat er ein echtes Problem.

Frage: Steht der Hobbypilot Wiese eigentlich immer alleine auf der Wiese?

Wiese: Hier in Ottersberg sind wir meist unter uns. Aber früher, in meiner alten Heimat Bergisch-Gladbach, kamen oft 20 Leute mit. Da hieß es dann immer "Der Wiese fliegt wieder". Das war schon eine Attraktion. Nur die Förster haben das nicht so euphorisch gesehen.

Frage: Warum?

Wiese: Na ja. Als ich einmal auf einem Feld meine Helikopter fliegen ließ, kamen die ziemlich aufgebracht angerast. Es gab fast Handgreiflichkeiten. Sie meinten, ich würde das Wild verjagen. Die einzigen, die dann verjagt wurden, waren sie selbst. Und zwar von mir.

Frage: Reizt es Sie, mal einen echten Heli zu fliegen?

Wiese: Natürlich. Ich habe mir fest vorgenommen, den Pilotenschein zu machen. Aber dafür bleibt derzeit einfach zu wenig Zeit. Nach meiner Karriere hole ich das sicher nach. Jetzt habe ich mir erst mal einen Modell-Kampfjet bestellt. Da muss ich ja dann auch wieder Trainerstunden nehmen und viel üben. Denn schließlich fliegen die Dinger mit 400 Sachen durch die Luft. Wird sicher witzig.

Das Interview führte Jan Lacroix

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