

Wenn man Heribert Bruchhagen glaubt (und das tut man ganz automatisch, weil niemand im Bundesligabetrieb so glaubhaft den Eindruck erwecken kann, schonungslos offen zu sprechen), dann hat Frankfurt die Eintracht eigentlich nicht verdient. Erwartung und Wahrnehmung seien in der Stadt einfach immer anders als die Realität, erzählt Bruchhagen gern. Die Ansprüche so hoch wie die Bankentürme, das Selbstverständnis der Finanzmetropole, Sie verstehen.
Die Eintracht hingegen ist in den Schilderungen des Vorstandsvorsitzenden ein gut organisierter, aber durchschnittlicher Bundesligaklub, dessen Platzierungen in der Liga auf ewig durch die Fernsehgelder bestimmt werden. Bruchhagen moderiert dieses latente Gefälle zwischen Anspruch und Wirklichkeit seit Jahren, für die örtlichen Medien und den Aufsichtsrat des Klubs, in dem die Wirtschaftsmächtigen der Bankenstadt sitzen. Männer, für die Mittelmaß keine Option ist.
Bruchhagen kriegt diesen Spagat schon lange hin. Es verwundert deshalb nicht, dass er jetzt vor allem eines ist: enttäuscht.
Er hatte mal wieder zu moderieren versucht, diesmal in einer Causa, die den Klub seit Monaten beschäftigt. Schon länger lag Trainer Thomas Schaaf überquer mit lokalen Reportern und, so ist zu hören, auch mit Teilen des Aufsichtsrats. Die Vorwürfe: Schaaf spreche mit einigen Spielern nicht, Schaaf sei taktisch-konzeptionell nicht auf Stand. Gleichzeitig kamen Gerüchte auf, der Verein habe bereits mit dem Trainer Sascha Lewandowski parallel Gespräche geführt.
Rücktritt aus Trotz
Bruchhagen schaltete sich ein, versuchte, seinen leitenden Angestellten umzustimmen. Er verwies auf die gute Zusammenarbeit, auf ein angeblich gutes Umfeld. Er schmeichelte, Platz neun sei ein sportlicher Erfolg. Er beteuerte, es sei mit keinem anderen Trainer verhandelt worden.
"Ich bin enttäuscht, dass er meinen Argumenten nicht gefolgt ist", sagt Bruchhagen nun. Denn Schaaf ließ sich nicht mehr überreden. Er trat zurück.
Auf den ersten Blick endet an diesem Tag in Frankfurt eine Verbindung, die für viel länger gemacht schien als für ein Jahr. Schaaf war nicht nur einer nach Bruchhagens Geschmack, erfahren, erfolgreich, dessen 14 Jahre in Bremen standen für Konstanz wie die Eintracht, den "trainerstabilsten Klub der Liga" (Bruchhagen). Schaaf bediente auch die Sehnsucht nach Größe. Immerhin hatte der Mann den SV Werder aus dem Mittelmaß zum Doublesieger und Stammgast in der Champions League gemacht.
Doch nach einem Jahr ist klar: In Frankfurt hatten einige handelnde Personen ganz augenscheinlich zwar die Erfolge in Bremen stets vor Augen wie die Skyline der Stadt. Nicht aber den Weg dorthin.
Wer vor zwei Monaten mit Thomas Schaaf sprach, erlebte einen Mann, der hoffte, mit der Eintracht nicht noch in Abstiegsgefahr zu geraten. Ein erfahrener Trainer wie er wusste um die Mechanismen, die dann greifen würden. Überlegte Entscheidungen würden zu Reflexen, langfristige Planung zu Aktionismus, Experimente zu Schablonen. Einfach alles würde sich dem Klassenerhalt unterordnen müssen: die Taktik, der Fußball, die Zukunftsplanung. Im Rettungsmodus kann man sich nicht weiterentwickeln.
Schaaf wollte die Mannschaft weiterentwickeln
Schaaf hoffte stattdessen auf Zeit. Zeit für den Umbruch, der in den Augen des Trainers nicht mit einem Fingerschnippen zu bewältigen war und nicht in einer Saison, die mit vielen Verletzten begann und einem komplett neuen Trainerteam. Zeit für die Charakterbildung der Spieler, die Schaaf genauso wichtig ist wie Freiheiten auf dem Platz. Und schließlich Zeit einfach deshalb, weil keine Zeit Druck bedeutet. Genauso wie Erwartungen.
Schaaf hatte da schon erkannt, dass man in Frankfurt alles ganz schnell wollte. Dass es ein Akzeptanzproblem für tragische Ausrutscher wie das 4:5 gegen Stuttgart gab oder die vielen Punkte, die die Eintracht durch individuelle Fehler wegschenkte. Dabei war es doch ausgerechnet dieses slapstickhafte Spektakel, das Frankfurt zur sympathischsten Mannschaft der Saison machte und Parallelen aufzeigte zu den ersten Bremer Jahren. Man musste sie nur sehen wollen.
Gehen wollte er da aber noch nicht. Etwas hat dann in den vergangenen Wochen die Oberhand gewonnen in Frankfurt. Die bemerkenswert offenen Angriffe in den Medien, Gerüchte. Ehrverletzende Äußerungen, die ihre Wirkung bei Schaaf nicht verfehlten. Heribert Bruchhagen hat am Dienstag alles noch einmal richtiggestellt, die Mannschaft habe sich für den Trainer ausgesprochen, der Aufsichtsrat auch, war doch alles nicht so schlimm. Aber da war das Vertrauen schon nicht mehr zu kitten. Schaaf ist eben ein Sturkopf.
Aber vielleicht hat Eintracht Frankfurt ihn auch einfach nicht verdient.
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Thomas Schaaf ist nach nur einem Jahr als Trainer von Eintracht Frankfurt zurückgetreten. Beide Seiten einigten sich darauf, den ursprünglich bis 2016 laufenden Vertrag wieder aufzulösen.
Grund für diesen Schritt ist laut einem Statement das zumindest in Teilen der Vereinsführung fehlende Vertrauen in den langjährigen Coach von Werder Bremen.
"Platz neun in der Abschlusstabelle der Bundesliga, den Torschützenkönig der Bundesliga und eine der torsichersten Angriffsreihen der Liga im Team zu haben, ist ein Ergebnis, über das sich jeder Eintrachtfan freuen kann. Wir haben die uns gestellten Aufgaben erfüllt und mehr. Deshalb bedauere ich es umso mehr, nun diese Entscheidung zu treffen", heißt es in der offiziellen Stellungnahme.
Schaaf war erst vor einem Jahr zur Eintracht gewechselt, zuvor war er 14 Jahre lang Trainer von Werder gewesen.
Mit seinem Jugendklub hatte er die Deutsche Meisterschaft (2004) und dreimal den DFB-Pokal (1999, 2004, 2009) gewonnen.
Auch als Spieler verhalf Schaaf den Bremern zu Erfolg: 1988 und 1993 holte der Verein mit dem Abwehrspieler die Meisterschale.
1991 und 1994 gewann Schaaf als Aktiver den DFB-Pokal, 1992 den Europapokal der Pokalsieger.
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