

Für DFB-Präsident Wolfgang Niersbach und den Chef der Deutschen Fußball-Liga, Reinhard Rauball, ging der erste Gang nach dem 4:0-Erfolg der Nationalmannschaft über Portugal in die Umkleidekabine. Natürlich, es galt, Joachim Löw und seiner Elf für die vorangegangene Gala zu gratulieren, aber mindestens genauso wichtig war es, den deutschen Fußball-Granden, den Ehrengast des Tages, in die Kabine zu begleiten.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte für das Auftaktspiel der DFB-Auswahl die zwölf Stunden Flug von Deutschland nach Brasilien auf sich genommen. Dass sie nebenbei auch noch die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff zum Gespräch traf, war mehr oder weniger ein Abfallprodukt des Blitzbesuches. Das Augenmerk der Kanzlerin galt der Nationalmannschaft - wie schon seit der Heim-WM 2006. Der DFB und Merkel, das ist eine besondere und enge Beziehung.
"Immer eine lustige Angelegenheit"
"Wir freuen uns immer, wenn die Kanzlerin kommt", hatte Lukas Podolski schon im Vorfeld des Spiels betont und ein Selfie mit der Kanzlerin angekündigt - das dann tatsächlich in der Kabine erstellt wurde. Mit seinem unfreiwilligen oder freiwilligen Wortwitz ("Sie ist immer eine Muttivation für uns") sorgte er zudem für den Lacher des Tages.
"Wir finden es immer klasse, wenn sie zu uns in die Kabine kommt", sagte Bundestrainer Löw, eine "schöne Geste" sei das. "Sie ist eine sehr sympathische Person", sagte Innenverteidiger Mats Hummels, und dass "Besuche der Kanzlerin immer eine lustige Angelegenheit" seien. Teammanager Oliver Bierhoff hat Merkel sogar mal als "unser Maskottchen" bezeichnet. Dass Merkel auch für die Politik einer bestimmten Partei steht und solche Besuche nicht zuletzt ihrer Popularität nützen, darüber machen sich die Spieler offenbar keine übermäßig großen Gedanken.
Die Kanzlerin schon. Seit 2006 nutzt sie die Spiele der Nationalmannschaft immer wieder als Bühne, bei jedem Turnier werden ihre Besuche zu Ereignissen gemacht - ihr Foto in der Umkleidekabine mit dem halbnackten Mesut Özil 2010, ihr Tribünengespräch mit dem gesperrten Bastian Schweinsteiger 2008 gingen durch das ganze Land. Sie ist die erste Kanzlerin, die den Schulterschluss mit der Nationalmannschaft derartig sucht und einsetzt. Auch Helmut Schmidt und Helmut Kohl reisten zu wichtigen WM-Spielen an. Den emotionalen Zugang zu der Mannschaft fanden sie nicht.
Der DFB spielt bereitwillig mit
Selbst Gerhard Schröder, als Kanzler an sich mit einem untrüglichen Gespür für Popularität und Populismus ausgestattet, hat sich von der Nationalelf ferngehalten. Während seiner Amtszeit von 1998 bis 2005 war die DFB-Elf allerdings auch bei Weitem nicht so ein Imagefaktor wie heute. Nach Turnieren wie den aus Verbandssicht desaströsen Europameisterschaften 2000 und 2004 tat man als Politiker ganz gut, sich eine gewisse Distanz zum Team zu bewahren.
Mittlerweile ist die Nationalmannschaft ein Werbeträger par excellence, Merkel weiß das, Merkel nutzt das. Unvergessen, wie sie im Sommermärchen-Kinofilm von 2006 vor der Mannschaft auftauchte und aus dem Kreis der Millionäre als Erstes der Wunsch nach Steuersenkungen laut wurde. Für die Nationalspieler gehört sie seitdem dazu. Und der Kanzlerin haben dieser Auftritt, ihr Jubeln auf der Tribüne, viele Sympathiepunkte eingebracht. Die Popularität Merkels, die bis heute anhält, hat mit den Tagen der Fußball-WM in Deutschland ihren Anfang genommen.
Erst im Finale wäre Merkel wieder da
Der DFB macht das Spiel durchaus bereitwillig mit. Niersbach und Co. lassen sich nur zu gerne in der Gesellschaft der Kanzlerin sehen. Eine gewisse CDU-Nähe ist der DFB-Spitze nicht unbekannt - das hat Tradition von Hermann Neuberger bis Theo Zwanziger, der selbst christdemokratisches Parteimitglied und ehemaliger CDU-Landtagsabgeordneter ist. Zwanzigers Vorgänger Gerhard Mayer-Vorfelder war CDU-Landesminister in Baden-Württemberg, der jetzige DFB-Schatzmeister Reinhard Grindel sitzt für die CDU im deutschen Bundestag und verfügt über allerbeste Kontakte in die Bundesregierung. Der jetzige DFB-Chef Niersbach hält sich bei seinen politischen Präferenzen dagegen bedeckt.
Eigentlich fühlt sich der Verband zu strikter politischer Neutralität verpflichtet. Dies hat er zuletzt noch betont, als beim Training der Nationalmannschaft im St.-Pauli-Stadion in Hamburg der Tribünenspruch "Kein Fußball den Faschisten" überklebt wurde; "neutralisiert", wie es im offiziellen Sprachgebrauch hieß. Bei vielen Fußballfans hatte das Empörung ausgelöst.
Mit der Kanzlerin gibt es dagegen weniger Berührungsängste. Niersbach hat verkündet, er würde "Angela Merkel gerne hier in Brasilien bei uns noch einmal wiedersehen". Das hat allerdings auch sportliche Gründe - Merkel könnte wegen ihres vollen Terminkalenders erst zum Finale noch einmal in Brasilien vorbeischauen.
SPIEGEL+-Zugang wird gerade auf einem anderen Gerät genutzt
SPIEGEL+ kann nur auf einem Gerät zur selben Zeit genutzt werden.
Klicken Sie auf den Button, spielen wir den Hinweis auf dem anderen Gerät aus und Sie können SPIEGEL+ weiter nutzen.
Jubelkanzlerin: Angela Merkel freut sich über das zwischenzeitliche 2:0 beim 4:0-Sieg von Deutschland gegen Portugal bei der Fußball-WM in Brasilien. Die Bundeskanzerlin besucht regelmäßig Spiele der Nationalmannschaft - schließlich profitiert sie enorm davon.
Die Kanzlerin beim DFB: Nach dem Auftaktmatch schaute Angela Merkel kurz in der Kabine der Nationalmannschaft vorbei. Dabei entstand dieses aus PR-Sicht perfekte Bild.
Selfie mit Podolski: Dieses Bild mit Merkel veröffentlichte Lukas Podolski auf seiner Facebook-Seite.
Merkels kleine Leidenschaft: Die Kanzlerin hat schon mehrfach das WM-Team besucht. Hier ein Foto aus dem Jahr 2012, als Merkel die Nationalmannschaft im EM-Quartier besuchte.
Durchs ganze Land ging dieses Bild nach dem EM-Qualifikationspiel gegen die Türkei. Merkel beglückwünscht Mesut Özil zu dessen Leistung.
Bereits 2008 war Merkel bei einer Partie von Deutschland gegen die Türkei im Stadion. Im EM-Halbfinale von Basel saß sie neben Fifa-Präsident Joseph Blatter.
Fußballbesuch aus der Anfangszeit ihrer Amtszeit. Merkel an der Seite des damaligen DFB-Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder beim Pokalfinale der Frauen im April 2006.
Auch andere Politiker nutzen die Werbewirkung ihrer Nationalmannschaften. US-Vizepräsident Joe Biden besuchte das US-Team nach dessen Sieg gegen Ghana. Anschließend twitterte er es in die Welt hinaus.
Lässig auf der Couch: Irans Präsident Hassan Rohani legt für einen Moment mal die traditionelle Kleidung beiseite - und zeigt sich, sehr weltlich, im Trainingsanzug auf einem Sofa.
Die Präsidentin schaut vorbei: Auch Chiles Staatschefin Michelle Bachelet ließ es sich nicht nehmen, dem Nationalteam nach dem Auftaktsieg gegen Australien einen Besuch abzustatten.
Hoher Besuch: Spaniens Premierminister Mariano Rajoy besucht vor der WM das Nationalteam. Die Kicker machen ihm dabei ein besonderes Geschenk - ein Trikot mit seinem Namen.
Kurzer Moment der Entspannung: Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ist gerade auf USA-Besuch. Aber das Spiel gegen Portugal wollte sie dann doch gucken. Zufällig waren auch ein paar Fotografen dabei.
Melden Sie sich an und diskutieren Sie mit
Anmelden