
Fotostrecke: Die Jungen, die Alten und der ganz Alte
WM-Check Italien Die Kavaliere
Dies ist die 11. Folge des WM-Checks von SPIEGEL ONLINE. Bis zum Turnier stellen wir alle 32 Mannschaften, die in Brasilien antreten, vor. Heute: Italien
Das Team
Italien hat quasi seit jeher ein Anrecht, bei jedem Turnier zum Favoritenkreis zu zählen. Manchmal unberechtigt wie vor vier Jahren, als ein überalterter Titelverteidiger nach der Vorrunde nach Hause fliegen musste. Oder mit begründetem Anspruch wie in diesem Jahr. Ein intelligenter Trainer, ein relativ ausgeglichener Mix aus Erfahrung und Jugend. Mit der Squadra Azzurra wird zu rechnen sein. Die Mannschaft war nach dem Sieg über Deutschland bei der EM 2012 im Finale, und sie wirkt seitdem sogar noch gereifter und stabiler.
Die Stars
Stars hat Italien immer zur Genüge, und doch ist es am Ende meist ein Name, der übrig bleibt: Andrea Pirlo, das Mittelfeld-Hirn von Juventus Turin. Es wird das sechste große Turnier für Pirlo, und damit ist schon vieles ausgesagt über Qualität und Risiko. Der Chef-Stratege ist vor wenigen Tagen 35 Jahre alt geworden. Die Frage, was er unter den klimatischen Bedingungen Brasiliens noch leisten kann, ist unbeantwortet. Ansonsten gilt: Bleib ruhig und passe den Ball zu Pirlo.
Neben ihm sind mit Gianluigi Buffon, Mario Balotelli, Antonio Cassano, Andrea Barzagli und Riccardo Montolivo weitere übliche Verdächtige im Kader. Gespannt wird man nicht nur in Dortmund schauen, wie sich der junge Torjäger Ciro Immobile schlagen wird - immerhin laufen schon Verhandlungen zwischen dem BVB und der Offensivkraft. Ob Stürmer Giuseppe Rossi nach langer Verletzung noch in Form kommt, ist eine weitere offene Frage.
Der Trainer
Wenn Pirlo der Kavalier im Mittelfeld ist, dann ist es Cesare Prandelli an der Seitenlinie. Der 56-Jährige hat die italienische Auswahl wiederbelebt. Das war nach der desaströsen WM 2010 auch nötig. Er ist ein zurückhaltender, zuvorkommender Mensch, aber Prandelli weiß sehr genau, was er will. Den alten Verteidigungsfußball früherer Zeit hat er mit Offensivelementen aufgehübscht. Dennoch stehen Defensivrecken wie Giorgio Chiellini oder Thiago Motta dafür, dass Abwehrarbeit weiter höchste Wertschätzung genießt.
WM-Gegner
Die Gruppe, die das Prandelli-Team erwischt hat, gehört zu den anspruchsvollen dieser Vorrunde. Mit England, Italien und Uruguay treffen drei Weltmeister vergangener Tage aufeinander. Die meisten Beobachter trauen Italien neben Uruguay am ehesten den Sprung in die K.-o.-Runde zu. Umso wichtiger ist es, dass gegen den vierten Teilnehmer Costa Rica kein Ausrutscher passiert. Gespielt wird unter anderem in Manaus, wo wegen des schwül-heißen Klimas im Amazonasgebiet von den europäischen Teams niemand hingelost werden wollte.
WM-Historie
Davon hat Italien in Hülle und Fülle. Viermal haben die Azzurri den Titel geholt, 1934, 1938, 1982 und zuletzt 2006 in Deutschland, als sie sich wie Baron Münchhausen am eigenen Schopf aus dem Korruptionssumpf im eigenen Land herausgezogen hatten. Italien ist eine der klassischen WM-Fußballnationen mit Spielen epischen Ausmaßes: das 3:2 über Brasilien bei der WM 1982 in Spanien, das Finale 2006 mit Zidanes Kopfstoß und natürlich - die Mutter aller WM-Dramen - das Halbfinale 1970 gegen Deutschland: 4:3 nach Verlängerung.

WM-Duelle mit Deutschland
Die Erinnerung an 1970, an Franz Beckenbauer mit der Armschlinge, an "Ausgerechnet Schnellinger", an die turbulenteste Verlängerung der Weltmeisterschafts-Geschichte - auch wer dieses Spiel nicht selbst erlebt hat, es nur in der Nachschau und Originalkommentar von Ernst Huberty anschaut, bekommt einen Schauder. Auch an eine andere Verlängerung werden die Deutschen ungern denken. 2006 zerstörte Fabio Grosso den Traum vom Heimtitel. Der Angstgegner Italien ist so oft beschworen worden, das Thema lassen wir besser erst einmal ruhen. Demnächst zum Halbfinale 2014.
In der nächsten Folge beschäftigen wir uns mit WM-Mitfavorit Argentinien.