
Fußball-Globetrotter Lutz Pfannenstiel Unterwegs mit Rivaldo, WM-Gegner

Brasilien ist ein Land zum Verlieben. Seit zwölf Monaten reise ich regelmäßig an den Zuckerhut, ob als Scout für meinen Verein 1899 Hoffenheim oder als Experte für das ZDF. Eine Dokumentation "Kick it like Dante" und eine TV-Reihe mit dem Titel "Craques da Bola" (frei übersetzt: Ballzauberer) habe ich zusammen mit dem Filmemacher und Brasilien-Fachmann Albert Knechtel produziert. Bis zum heutigen Tage bin ich der erste und einzige Deutsche, der jemals in der ersten brasilianischen Liga als Profi tätig war. Für die Doku habe ich in jedem der zwölf WM-Austragungsorte einen Star getroffen.
Der Ort: Recife, ein Spielort der deutschen Nationalmannschaft und ein Touristenzentrum im heißen Nordosten Brasiliens. Um ehrlich zu sein, ist Recife, mit den hässlichen Hochhäusern direkt am Strand, keine schöne Stadt und definitiv kein Urlaubsparadies. Die Strände stehen voll mit Schildern "Haigefahr". Aber Gefahren lauern auch an Land: Die Stadt zählt zu den gefährlichsten Städten der Welt. Mit fast 50 Morden pro 100.000 Einwohnern war Recife 2010 eine der blutrünstigsten Südamerikas.
Mein Tipp: Touristen und Fans sollten sich weiträumig von den unzähligen Favelas fernhalten, weil dort für Almosen getötet wird. Und dabei genießt Recife den Ruf als "Venedig Brasiliens". Die Niederländer waren mal da, hatten im 17. Jahrhundert kurzzeitig die Kontrolle über Brasiliens Nordosten. Sie haben Kanäle angelegt und Brücken gebaut. Will man wirklich mal etwas Cooles erleben, dann raus aus der Stadt und an die nicht weit entfernten Strände des Bundesstaates Pernambuco. Das Städtchen Olinda grenzt im Norden direkt an Recife und ist ein absolutes Schmankerl für Leute, die Kultur suchen. Die Altstadt ist ein Augenschmaus, und der Karneval gilt als einer der besten Brasiliens.
Der Gesprächspartner: Rivaldo - Weltmeister 2002, Weltfußballer 1999, Champions-League-Sieger 2003. Der mittlerweile 42-Jährige hat beim FC Barcelona und bei AC Mailand gespielt und erst zwei Monaten zuvor seine Profikarriere beendet.
Was passiert ist: Wir haben ihn zu Hause besucht, seine Mutter getroffen und seinen Bruder, der uns die Favela zeigte, in der Rivaldo zusammen mit seinen Brüdern aufgewachsen ist. Heute lebt Rivaldo meist in Mogi Mirim im Großraum São Paulo, hat dort den örtlichen Profiklub gekauft und ist Präsident des Vereins. Der Verein spielt in der höchsten Liga im Bundesstaat São Paulo und in der nationalen Serie C.
Was hängen blieb: Rivaldo ist ein ausgesprochen ruhiger, sympathischer Mensch, der sich mir sehr geöffnet hat. Er hat vom Tod seines Vaters erzählt, das Schlüsselerlebnis seines Lebens: Als Rivaldo 16 Jahre alt war, starb sein Vater auf dem Flur eines Krankenhauses von Recife. Wäre er rechtzeitig versorgt worden, wäre das nicht passiert, glaubt Rivaldo. Ein Bus hatte ihn auf einer viel befahrenen Straße angefahren. An den Zuständen im Gesundheitssystem habe sich immer noch nichts geändert: "Das ist so heute noch möglich", sagt Rivaldo: "Deswegen bin ich gegen diese WM. Wir haben andere Sorgen".
Stimmt, als wir gedreht haben, wurde auf dem Zentralfriedhof von Recife ein Fußballfan beerdigt. Er war von gegnerischen Anhängern getötet worden. Wie? Sie hatten eine Kloschüssel rausgerissen und sie vom Oberrang aus geworfen.
Rivaldos Traum ist übrigens nie in Erfüllung gegangen. Er wäre so gern für den Klub seines Herzens, den heimischen Santa Cruz Futebol Clube, auf Torejagd gegangen. Doch die erkannten sein Talent nicht, mit 21 wurde er an Mogi Mirim verkauft. Imposant ist das Museum, das uns Rivaldo auf seinem Anwesen (mit Tennis-, Fußballplatz, Swimming Pool und anderen Annehmlichkeiten) zeigt. Er hat Hunderte von Trikots neben den ganzen Trophäen. Eines ist mir besonders in Erinnerung geblieben: Oliver Kahns Trikot aus dem WM-Endspiel 2002, als Rivaldo den Schuss abfeuerte, den Kahn nur nach vorn abprallen lassen konnte und Ronaldo bloß noch abstauben musste.
"Kick it like Dante" Freitag, 13. Juni 2014, 00.40 Uhr, ZDF