DFB-Aus in der Vorrunde Die Übermacht der Bequemlichkeit

Joachim Löw (l.), Sami Khedira
Foto: Christian Charisius/ dpaMan kann den Bundestrainer für manches kritisieren bei diesem WM-Turnier. Aber für seine Kurzanalyse nach dem 0:2 gegen Südkorea kann man ihm nur recht geben. "Wir haben es einfach nicht verdient gehabt, in dieser Gruppe weiterzukommen." So ist es.
In einer Gruppe mit den ausnahmslos schlagbaren Gegnern Mexiko, Schweden und Südkorea am Ende Letzter zu werden, ist der Ausweis, dass diese Mannschaft in Russland nicht im Ansatz in die Form gekommen ist, ihren Titel zu verteidigen. Das frühe Ausscheiden ist gerechtfertigt und erspart dem Löw-Team immerhin das Aufeinandertreffen mit den wirklichen Turnierfavoriten.
Gegen Südkorea, eine Mannschaft, die im Aufbauspiel zahlreiche Fehler macht, die ihre Konter nicht anständig zu Ende spielt, die nur einen Spieler von internationaler Klasse besitzt - gegen solch eine Mannschaft fand die Löw-Elf kein Mittel. Es war ein kraftloser, seelenloser, ideenloser Auftritt. Selten hat man diese begabte deutsche Mannschaft so unkreativ erlebt wie in diesen 90 Minuten von Kasan.
Wir erleben eine Weltmeister-Dämmerung
Der Mannschaft habe über all die Zeit "die Leichtigkeit und die spielerische Klasse gefehlt", sagt Löw. Jetzt kann man sehr einfach behaupten, man habe das kommen sehen. Aber tatsächlich hat dieses Team schon seit der Europameisterschaft vor zwei Jahren nicht (mehr) die Qualität für einen großen Titel. Zu viele verdiente Spieler scheinen über ihren Zenit hinaus zu sein. Sami Khedira, Thomas Müller, es ist auch eine Weltmeister-Dämmerung, die wir hier erleben.

DFB-Aus in Vorrunde: K.o.
Vor einem Jahr hat eine andere Mannschaft in Russland aufgetrumpft. Das junge Team, das den Confed Cup gewonnen hat, hatte so gut wie keinen Titelträger von 2014 in seinen Reihen. Profis, die vor Jahresfrist überzeugt hatten, wirkten jetzt gehemmt, fehleranfällig: Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Antonio Rüdiger. Künftig wird man beim DFB dennoch auf diese Spieler setzen, setzen müssen. Erfahrung allein, das hat diese Gruppenphase gezeigt, reicht nicht mehr aus, wenn auf der gegnerischen Seite Leidenschaft, Schnelligkeit und rasche Auffassungsgabe aufgeboten werden. Diese drei Attribute hatte das DFB-Team in Russland nicht.
Neuaufbau muss auch personell erfolgen
Es muss also einen Neuaufbau geben. Das unterscheidet die Situation von dem ebenfalls schockhaften Ausscheiden bei der EM 2012 in Warschau, als das favorisierte DFB-Team von Italien seine Grenzen aufgezeigt bekam. Die damaligen Spieler waren noch jung und willig genug, aus dieser Pleite zu lernen. Löw war es auch, selbst wenn er Zeit dafür brauchte. Zwei Jahre später war diese Mannschaft Weltmeister.
Das kann man von diesem Kader nicht mehr erwarten. Die Weltmeister sind fast alle um die 30, sie könnten die nächsten beiden Turniere theoretisch weiterspielen. Aber wenn sich die Entwicklung verschärft, die man hier in Russland gesehen hat, dann ist das vermutlich keine gute Idee.
Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass Löw anders als vor sechs Jahren diesmal fast gelassen auf die Niederlage reagierte. Als hätte er schon mit ihr gerechnet. Dass er trotzdem noch einmal auf seine bewährten Kräfte vertraute, muss man dem Bundestrainer wahrscheinlich zur Last legen. Andererseits hatten sie ihn bisher nie enttäuscht, er hat einfach zu lange darauf gebaut, dass das im Ernstfall wieder so wird. Ein kapitaler Fehlschluss.

Einzelkritik Deutschland: Behäbig, ideenlos, unachtsam
Löw ist jetzt zwölf Jahre Bundestrainer, er ist seit 14 Jahren beim DFB, weite Teile seines Betreuerstabs sind ebenfalls so lang dabei - vom Psychologen bis hin zum medizinischen Betreuer Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, der noch mit Mitte 70 mit dem Arztköfferchen am Spielfeldrand sitzt.
Bisher war genau das der große Vorteil der Deutschen, dass sich im Team jeder auf den anderen verlassen konnte, weil er von jedem aus jahrelanger Zusammenarbeit wusste, was der andere tut. Schon bei der EM vor zwei Jahren zeigte sich aber, dass die Macht der Gewohnheit auch die Übermacht der Bequemlichkeit mit sich bringt. Jetzt kann keiner mehr bequem sein.
Ob jetzt eine dunkle Periode für den deutschen Fußball anbreche, fragte ein französischer Reporter den Bundestrainer. Löw verwies als Antwort darauf, dass "Deutschland in den letzten zehn, zwölf Jahren das konstanteste Team der Welt gewesen" sei. Aber das ist der Blick in die Vergangenheit. Es geht künftig um die entgegengesetzte Richtung.