Drei Thesen zum deutschen WM-Aus Özil ist nicht das Problem

Das Scheitern als Chance - die DFB-Elf braucht neue Akzente. Einer könnte Sebastian Rudy sein, der 30-Minuten-Gewinner im deutschen WM-Team. Die Kritik an Mesut Özil ist statistisch nicht zu begründen.
Von Philip Dehnbostel und Stephan Spiegelberg
Mesut Özil

Mesut Özil

Foto: Christian Charisius/ dpa

1. Özil ist viel besser als sein Ruf

Die deutsche Mannschaft hat es auch im dritten Gruppenspiel nicht geschafft, einen spielerisch unterlegenen Gegner zu dominieren. Das Team enttäuschte erneut, war wieder einmal weit entfernt von seiner Bestform - und ist historisch gescheitert. Das betrifft die Mannschaft als Ganzes und - bis auf wenige Ausnahmen - auch die einzelnen Spieler. Was erneut auffiel: Mesut Özil kam, gerade in den Medien, besonders schlecht weg. Wo mit Noten bewertet wird, war die Fünf oder Sechs für den Spielmacher nicht weit. Aus statistischer Sicht ist das kaum zu erklären.

Denn in einem wenig durchschlagskräftigen Konstrukt war es Özil, der die meisten Abschlüsse vorbereitete. Ganze sieben Mal brachte er seine Mitspieler in Situationen, die zu Torschüssen führten. Joshua Kimmich ist der Nächstbeste in dieser Kategorie, er kommt auf vier Vorlagen. Özil schlug im Gegensatz zum Rechtsverteidiger nur drei Flanken, eine davon hätte das späte 1:0 durch Mats Hummels bedeuten müssen. Die Zweikampfquote des Arsenal-Regisseurs lag mit 62,5 Prozent in einem ordentlichen Bereich und im Mittelfeld der Teamleistung. Özil zeigte kein herausragendes Spiel. Genauso wenig dient er nach der Partie allerdings als Beispiel für eine unterdurchschnittliche Leistung im deutschen Team.

2. Rudy - der Lichtblick

Auch wenn die 270 Minuten des deutschen Teams in Russland den Fans wenig Spaß bereitet haben dürften - es gab da eine Phase gegen Schweden, die Hoffnung machte. In diese Phase fiel zwar die Großchance von Marcus Berg, die Jérôme Boateng an den Rand einer Notbremse brachte. Aber mit einem Blick auf das, was Joachim Löw von seinem Team erwartet, kamen diese ersten 30 Minuten des zweiten Spiels dem Ideal am nächsten.

Fotostrecke

DFB-Aus in Vorrunde: K.o.

Foto: MICHAEL DALDER/ REUTERS

Es waren die einzigen Minuten, in denen Sebastian Rudy auf dem Platz stand. Das ist kein Zufall. Der Mittelfeldspieler des FC Bayern München ist kein auffälliger Akteur. Aber er ist einer, der die vielbeschworene Balance ins deutsche Spiel brachte. In der ersten Viertelstunde gegen Schweden erspielte sich die DFB-Elf mit Rudy auf dem Platz 90,3 Prozent Ballbesitz und schien den Gegner zu erdrücken. Nach Rudys verletzungsbedingter Auswechslung ging die Balance zunehmend verloren. Es ist müßig zu rätseln, wie es gegen Südkorea gelaufen wäre, hätte der 28-Jährige mitgewirkt. In der öffentlichen Wahrnehmung hatte er vor der endgültigen Nominierung auf der Kippe gestanden, obwohl er viele gute Qualifikationsspiele gemacht hatte. Dass Rudy zu den wenigen Gewinnern gehört, ist eine der Erkenntnisse der WM.

3. Das historische Aus ist eine Chance

"Wenn ich den in der 86. Minute reinmache, reden wir darüber, wie geil es ist, dass wir weitergekommen sind. Jetzt reden wir leider über was anderes", sagte Hummels direkt nach dem Schlusspfiff. Damit könnte er recht haben. Schon der Last-minute-Siegtreffer gegen Schweden wurde vielerorts als "Brustlöser" und "Startschuss" gewertet und nicht als Zeichen dafür, dass die DFB-Elf den eigenen Ansprüchen weit hinterherhinkt - und das schon länger, wie der Innenverteidiger außerdem kritisierte.

Statt eines "Weiter so!" nach einem Ausscheiden im Viertel- oder Halbfinale, gibt es nun die Chance, vehement in die Analyse zu gehen und Strukturen zu hinterfragen. Nach der Europameisterschaft vor zwei Jahren hätten die Verantwortlichen bereits handeln sollen, der Confed Cup im Jahr darauf weckte dann falsche und unbegründete Hoffnungen. Diese sind mit dem Debakel von Kasan längst verflogen. Nun zählt es nur, die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten