
Gutes Bier suchte Michail Kuznetsow in Moskau vergebens. Also entschied er sich, es selbst zu brauen. Die WM ist seine Chance.
Foto: Ekaterina Anokhina
[STECKBRIEF]
Michail Kuznetsow
36 Jahre
verheiratet, 2 Kinder, 7 und 1,5 Jahre
Gründer und Besitzer von "Piwzawod 77"
Auf der Suche nach dem besten Bier ist Michail Kuznetsow weit gereist: Er war in Australien, in Großbritannien, in Deutschland. Die Bierdeckel an der Wand seiner Bar zeugen von dieser Odyssee.

Zwei Dutzend Angestellte arbeiten für Michail, in Bar und Brauerei
Foto: Ekaterina Anokhina
In Tschechien wurde der 36-jährige Moskauer schließlich fündig. Er freundete sich mit Bierbrauern in Prag an und lernte von ihnen, wie man gutes Craft-Bier braut. "Sie haben mir geholfen, mir beigebracht, was man über Bier wissen muss, das war ein langer Prozess." Vor sechs, sieben Jahren sei das gewesen. Dann hat er sich - auch in Tschechien - selbst eine Ausrüstung gekauft, zwei Kessel, in denen "gekocht" wird (hinter der Bar) und zwölf Tanks, in denen das Bier anschließend mindestens einen Monat gelagert wird.
Warum er selbst Bier braut?
"Es war immer mein Traum, eine Bar zu eröffnen. Mir war klar, dass ich dafür gutes Bier brauche." Doch woher nimmt man gutes Bier in Russland? "Es gibt nur wenige Biere hier, die gut schmecken, Qualität haben."
Nach Monate langer Suche fand er vor zwei Jahren in einem alten Bahngebäude, einem roten Klinkerbau im Osten Moskaus, einen geeigneten Ort, ausreichend groß für die Brauanlage mit zwölf Tanks, mit ausreichendem Zugang zu Wasser und Strom für seine "Piwzawod 77", zu Deutsch: Bierfabrik. Die 77 steht für die Autokennzeichennummer in der Region.
Hat er Unterstützung bekommen?
"Vom Staat? Nein, das gibt es hier nicht. Ich weiß, dass in Tschechien Unternehmer Hilfe und Förderung bekommen. Wichtig ist, dass die Behörden uns nicht stören." Ein Satz, der häufig fällt, wenn man mit Selbstständigen in Russland spricht. Michail hat seine Brauerei mit Krediten und Eigenkapital aufgebaut, früher arbeitete er im Baubereich.
Im Monat verkauft Michail inzwischen fast 50.000 Liter Eigengebrautes - in seiner Bar, an drei Händler sowie 250 andere Bars und Restaurants. "Das ist ein Rekord in unserer Geschichte." Jetzt im Sommer und zur Fußball-WM wird fast jeden Tag gebraut, vorher drei-, viermal die Woche. "Unser Auftragsbuch ist voll."

Die Kunst des Brauens hat Michail in Tschechien erlernt
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In Russland geht die verkaufte Menge harten Alkohols wie Wodka zurück. Allerdings muss man dazu sagen, dass immer noch viele Russen zu Hause selbst ihren Schnaps (Samoron) brennen, der in keiner offiziellen Statistik auftaucht.
Auch der Bierkonsum nehme insgesamt ab, sagt Michail, "aber der Anteil der privaten, kleineren Brauereien, wie wir eine sind, nimmt zu". Derzeit machen diese gerade einmal 0,7 Prozent des russischen Biermarktes aus. Craft-Bier wird vor allem in den beiden Großstädten Moskau und Sankt Petersburg getrunken. Michail hofft, bald auch in andere Städte wie Krasnodar und Woronesch liefern zu können.
In seinem Unternehmen arbeiten mittlerweile 16 Angestellte in der Bar und neun in der Brauerei. Zwei davon sind "Bier-Technologen", wie es in Russland heißt, sie überwachen die Brauprozesse und die Abfüllung.
Michail stellt elf Biersorten her, klassisches Pils, Hefeweizen ("Von Weissmarck"), schwarzes Stout-Bier mit Kaffeenote ("StalinStout"), aber auch andere Variationen wie Bier mit Kirschgeschmack ("Single Cherry"), eine überraschend positive Geschmackserfahrung.

Michail braut elf Biersorten, darunter "StalinStout"
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Jetzt, zur WM, brummt das Geschäft
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Michail experimentiert weiter, beobachtet, was sich in Tschechien tut. Er pendelt mit seiner Familie zwischen Prag und Moskau hin und her. In der tschechischen Hauptstadt gefällt es ihm gut. Das Leben in Tschechien sei viel ruhiger als in Moskau, das sich inzwischen kaum von Megastädten wie London, Tokio und New York unterscheide. Michail ist etwas müde von Moskau, das vom Rhythmus derjenigen beherrscht werde, die von Termin zu Termin hetzten. "In Prag ist das Lebenstempo im Vergleich dazu fünfmal langsamer."
Darf er während der WM in der Nähe der Stadien oder Fanmeilen verkaufen?
"Nein, das ist leider ausschließlich einem Bierkonzern möglich, der ist Sponsor", sagt Michail. Er organisiert deshalb während der WM Liveübertragungen, bietet Führungen durch seine Brauerei an. Er hofft auch auf deutsche Fans: "Ich hoffe, dass sie sich hier wie zu Hause fühlen. Denn das war unser Ziel: Bier vom Geschmack und Qualität wie in Europa, in Deutschland, zu brauen."

Geht er ins Stadion?
"Ich bin kein Superfan", sagt er. Lionel Messi sei ein Spieler, der ihm gefalle. Michail wäre gern mit seinem siebenjährigen Sohn, der selbst kickt, zu einem Spiel gegangen. Aber die Tickets hätten mehrere Hundert Euro gekostet, "das ist einfach zu teuer".
