Kroatiens Sieg über Dänemark Wer schön spielt, fliegt

Zweikampfszene CRO vs. DEN
Foto: DAMIR SAGOLJ/ REUTERSNormalerweise hätte am Sonntagabend in Nischni Nowgorod nicht Kroatien gegen Dänemark spielen sollen, sondern Argentinien. Das sahen zumindest Hunderte argentinische Fans so, die im Stadion saßen. Im Vorfeld der WM hatten sie Tickets für diese Partie gekauft, in der Annahme, ihr Team würde Gruppensieger werden. Wurde es bekanntlich nicht. Da saßen sie nun, hereingelegt von der eigenen Mannschaft und von den zweien auf dem Rasen. Mit zwei Blitztoren in der ersten und vierten Minute hatten diese ein packendes Achtelfinale verheißen.
Aber da kam nichts.
Durch das 3:2 im Elfmeterschießen (nach 90 und 120 Minuten hatte es 1:1 gestanden) steht Kroatien als vierter WM-Viertelfinalist fest. Im Vergleich mit den bisherigen Achtelfinalpartien war diese eine zähe Angelegenheit, nur zu Beginn riss das Spiel seine Zuschauer derart mit, wie es tags zuvor Argentinien und Frankreich getan hatten, ihm fehlten die Geniestreiche eines Edinson Cavani, das David-gegen-Goliath-Narrativ des Duells zwischen Russland und Spanien.
Kroatiens Nationaltrainer Zlatko Dalic sah das zwar ähnlich, etwas Verwerfliches fand er daran aber nicht. "Das war nicht unser bestes Spiel", sagte Dalic, um dann auszuführen, dass es genau genommen sogar das schwächste Spiel seiner Mannschaft im Turnier gewesen sei. Es komme aber nun einmal allein auf Ergebnisse an, nicht auf das Wie.

Kroatien schlägt Dänemark: Schmeichel-hafter Sieg
"Die Mannschaften mit besten Individualisten sind ausgeschieden", sagte Dalic und nannte Argentinien (Messi), Portugal (Ronaldo) und Ägypten (Salah). Weitergekommen seien dafür Teams, die über das Kollektiv kommen. Das klang zwar einleuchtend, täuschte aber über eine Sache hinweg: Was das Fußballspielen betrifft, stimmte das Ergebnis gegen Dänemark ja gar nicht. Die 90 beziehungsweise 120 Minuten endeten unentschieden. Es war die herausragende Leistung von Torhüter Danijel Subasic, der im Elfmeterschießen drei Bälle abwehren konnte, die Kroatien in die nächste Runde brachte.
"Haben Kroatien davon abgehalten, gut zu spielen"
Zuvor hatte Kroatien zwar stabil verteidigt, mit dem Ball tat sich die Mannschaft aber schwer. Zwar ließ sie ihn sicher durch die eigenen Reihen laufen, strukturierte Vorstöße ins gegnerische Felddrittel blieben aber selten. Ab der zweiten Halbzeit übernahm dann zunehmend Dänemark die Initiative, was für eine zunehmend auf Absicherung angelegte Spielweise bei Kroatien sorgte. "Wir haben Kroatien davon abgehalten, gut zu spielen", sagte Dänemarks Trainer Age Hareide hinterher.
Dalic fand auch das nicht weiter schlimm. Es hätten sich nicht zufällig jene Mannschaften aus der WM verabschiedet, die besonders schön spielen würden, sagte er. Namen nannte er zwar nicht, aber in Deutschland und Spanien dürfte man ihn verstanden haben. Kroatien stehe nicht für Schönspielerei und Heldenfußball, sondern für Effizienz und Kollektiv, so Dalic: "Wir spielen auf Ergebnis, immer."
Mit seiner Strategie, die eigene Pragmatik zu loben, verschleierte Dalic geschickt Kroatiens Probleme im Kreieren von Chancen. Diese ziehen sich durch das Turnier. Gegen Argentinien (3:0), beim mit Abstand überzeugendsten WM-Auftritt seines Teams, konnte Kroatien tun, was es besonders gut beherrscht: Aus einer sehr guten Organisation heraus verteidigen, Bälle gewinnen und dann über die Beschleuniger Luka Modric und Ivan Rakitic die Geschwindigkeit von Ivan Perisic und vor allem Ante Rebic einsetzen. Trainer Hareide nannte Kroatien sogar die beste Kontermannschaft Europas.
In den Spielen gegen Nigeria und Island jedoch, als eine Lauerstellung die Kroaten nicht weit gebracht hätte, da es die Gegner ähnlich hielten, war es schon viel schwerer mit dem Toreschießen. Es brauchte zwei Standards: ein Eigentor nach einem Eckball sowie einen Elfmeter.
Gegen Russland wird Kroatien das Spiel machen müssen
Gegen Dänemark gelang Kroatien beim 1:1 durch Mario Mandzukic erstmals bei dieser WM ein Tor, das nicht aus einer Konter- oder einer Standardsituation entstand. Dafür brauchte es eine Kette absurder Fehler auf dänischer Seite, die darin gipfelte, dass Rechtsverteidiger Henrik Dalsgaard beim Versuch, den Ball zu klären, seinen Teamkollegen Andreas Christensen so hart am Kopf traf, dass der zur Pause ausgewechselt werden musste.
Der Unterschied zwischen Kroatiens Viertelfinaleinzug und dem Aus der "schön" spielenden, sprich: brotlosen Spanier am Sonntag lag weniger an Pragmatismus. Er lag im Grunde allein an gehaltenen und nicht gehaltenen Elfmetern.
Im Viertelfinale könnte es ähnlich eng zugehen wie gegen Dänemark. Gegner Russland lebt selbst von einer guten Organisation sowie Konteraktionen und ruhenden Bällen im Angriff. Es ist davon auszugehen, dass der Gastgeber Kroatien den Ball überlassen wird.
Und trotzdem geht Kroatien als klarer Favorit in das Duell. Sollte auch diese Hürde genommen werden, steht die Mannschaft erstmals nach 1998 wieder im Halbfinale bei einer WM. Damals scheiterte man knapp am späteren Weltmeister Frankreich. Einen so starken Gegner würde man diesmal nicht erwischen. Auf der kroatischen Seite des Turnierbaums heißen die verbliebenen Teams: Schweden, Schweiz, Kolumbien und England.